Dahlen - Kleine Stadt mit Geschichte(n). Hartmut Finger
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Die Daleminzier selbst nannten sich „Glomacii“. Dieser Name leitet sich vermutlich vom Namen „Glomuzi“ ab, einem „Wunder wirkender Weiher“ in der Nähe von Lommatzsch bei Dörschwitz und Lautschen, dem ehemaligen Paltzschener See (jetzt verlandet). Hier soll sich der Kultmittelpunkt der Daleminzier befunden haben. Im Begriff „Glomacii“ hat mit hoher Wahrscheinlichkeit der Name des Ortes Lommatzsch seinen Ursprung. Lässt man bei Glomacii den Anfangsbuchstaben weg, haben wir fast schon den Namen Lommatzsch.
Soweit sie noch nicht zum Christentum bekehrt waren, verehrten die Slawen – und damit die Daleminzier – weiterhin ihre Naturgottheiten. Sie opferten ebenso wie die Germanen ihren Göttern in heiligen Hainen, meist Linden- oder Birkenhainen. Einer der Slawengötter heißt Swantewit. Der sehr ähnlich klingende Ortsnamen Schmannewitz als Nachbarort von Dahlen hat allerdings mit dieser Gottheit nichts zu tun.5
Der erste Bericht über die Daleminzier ist uns aus der Zeit Karls des Großen (747-814) überliefert. Hier fanden sie Erwähnung, als Karl der Große einen breitangelegten Feldzug gegen die slawischen Völker vorbereitete. Dazu entsandte er seinen Sohn Karl zu einer militärischen Expedition in das Land der Daleminzier. Deren Fürst Semila unterlag dem Angreifer und wurde zur Überstellung von Geiseln gezwungen. Im Jahr 805 erfolgte ein weiterer Feldzug. Dieser galt vor allem der Sicherung des Handels in Magdeburg. Dabei drangen die Heere der Karolinger6 über die Elbe vor, errichteten am Ostufer der Saale einige feste Burgen und zwangen einen Teil der Sorben, tributpflichtig zu werden. Es gelang den Franken jedoch nicht, die Unterworfenen in ihr Reich einzugliedern.
Slawische Stämme erhoben sich immer wieder gegen die Vorherrschaft der Franken. So kommt es im 9. Jahrhundert vor allem unter Führung mährischer Stämme zur Herausbildung eines „Großmährischen Reiches“. Zahlreiche Fehden innerhalb dieses Reiches führten aber bald zu dessen Zerfall.
Eroberung und Besiedlung durch Sachsen und Franken / Anfänge der Mark Meißen
Die Eroberungspläne der Deutschen wurden meist unter dem Deckmantel der Christianisierung durchgeführt.
Heinrich I. (876-936), der Sachsenherzog, unternahm bereits Feldzüge gegen die Daleminzier, als er noch nicht den Titel eines Königs besaß. Er unterwarf zunächst das Land an der mittleren Mulde. Von hier aus drang er in das Kerngebiet der Daleminzier vor. Der Bischof Thietmar von Merseburg (975-1018), der um die Jahrtausendwende lebte, berichtete in seiner Chronik, dass Heinrich I. die Landschaft „Glomaci“ „mit Feuer und Schwert“ verwüstet habe. Allerdings wurden die Anfangserfolge von Heinrich I. im Jahr 906 durch das Eindringen der Ungarn nach Mitteleuropa wieder zunichte gemacht. Es wird sogar berichtet, dass die Daleminzier die Ungarn zu Hilfe gerufen und ihnen den Weg gewiesen hätten. Heinrich I., der den Ungarn mit ungenügenden Streitkräften entgegengetreten war, musste sich in die Burg Püchau an der Mulde bei Wurzen zurückziehen und fand dort Schutz, wofür er den Burgleuten, wie es in der Chronik heißt, „Gnadenbeweise“ gewährte. Damit war die Vorherrschaft der Deutschen im Lande der Daleminzier erst einmal abgewehrt.
König Heinrich I., auch Heinrich der Vogler. Der sächsische Herzog Heinrich wird 919 in Fritzlar zum deutschen König gewählt. Er gilt als Begründer des Deutschen Reiches.
Nach seiner Wahl zum deutschen König im Jahr 919 unternahm Heinrich I. einen neuen Versuch, seinen Machtbereich durch die Unterwerfung die Slawen östlich von Saale und Elbe zu erweitern. So berichtet der Chronist Widukind von Corvey (925-973) über diesen Feldzug Heinrichs gegen die Slawen: „Im Spätsommer 928 zog Heinrich von Magdeburg her gegen den Stamm der Heveller. Doch erst der Frost machte ihm den Zugang zu der im sumpfigen Gelände liegenden Festung Brennabor (Brandenburg) möglich.“ Es bleibt unklar, ob Heinrich seinem Heer zunächst eine Ruhepause gönnte oder sofort weiter nach Süden vordrang. Man nimmt an, dass die entscheidenden Kämpfe mit den Daleminziern im Winter 928/929 stattfanden. Die Slawen zogen sich in ihre Stammfeste Gana zurück. Diese Feste konnte von Heinrich I. erst nach 20tägiger Belagerung eingenommen werden. Widukind schreibt darüber, dass Heinrich die Feste nach der Eroberung seinen Kriegern zur Plünderung überließ und alle Erwachsenen, vor allem alle Männer, töten ließ. Die Knaben und Mädchen wurden als Sklaven weggeführt. Er schreibt – üblicherweise auf Latein:
„Cennque illa urbe (gemeint ist Brennabor) potitus omnem regionem, sigma vertit contra Dalamontiam, adversus quam iam olim religuit li Gana, vicessima tandem di cepit eam. Preda urbis militibus tradita, puberes omnes interfedi, pueri ac puelae coptivitati servotae. Post haec Pragam adiit (…)”
Das heißt in etwa: „Und nachdem Cenn (?) diese Stadt (Brandenburg) eingenommen hatte, zog er gegen Gana, die er einst zurückließ, diese nahm er am zwanzigsten Tag ein. Nachdem er die Beute der Stadt an die Soldaten verteilt hatte, tötete er alle Erwachsenen, Knaben und Mädchen wurden der Gefangenschaft anvertraut (sie wurden versklavt). Danach ging er. Er zog nach Prag.” Mit „Cenn” ist vermutlich Heinrich I. gemeint. Sicher ist das jedoch nicht.
Nach Abschluss des Feldzuges gegen die Daleminzier ließ Heinrich I. noch im Jahr 929/30 zur Sicherung des eroberten Gebietes hoch über der Elbe auf einem Felssporn eine Burg errichten. Sie war der Ursprung der späteren Stadt Meißen. In den Jahren danach wurden weitere Festungswerke entlang der Elbe (Burg auf den Spitzhäusern bei Zehren, Althirschstein bei Boritz und Strehla-Görzig) zur Sicherung des Gebietes errichtet. Gleichzeitig sollten von diesen Burgen aus weitere Eroberungszüge in slawisches Gebiet erfolgen. Andere benachbarte Slawenstämme versuchten dem Schicksal der Daleminzier zu entgehen, indem sie erbitterten Widerstand leisteten. Letztendlich aber unterlagen sie der militärischen Übermacht der Deutschen. Heinrichs I. Nachfolger, Otto I. (912-973), setzte diese Politik rigoros fort. Im Ergebnis dieser Eroberungen wurden zwei große Marken geschaffen.
So ähnlich, wie die in Raddusch (bei Vetschau) rekonstruierte Slawenburg, könnte auch die Feste Gana ausgesehen haben.
Die Ostmark, die das Gebiet von Brandenburg bis zum heutigen Erzgebirge erfasst, wurde ab 937 als Mark Meißen vom Markgraf Gero (um 900-965) regiert. Über ihn berichtet uns der Chronist Widukind, dass er falsch und verschlagen gewesen sei und ihm jedes Mittel recht war, die Slawen zu unterwerfen. Unter anderem schreibt er, „indem er fasst 30 Fürsten der Barbaren die bei einem Gelage geschwelgt hatten und vom Wein betrunken waren, in einer Nacht erschlug“. Dieses hinterhältige Massaker an den slawischen Fürsten soll sich in der Burg „Alten-Salzwedel“ zugetragen haben.
Die Ostmark wurde nach dem Tode Geros in die Marken Meißen und Lausitz aufgeteilt. Letztere wurde im Westen von Elbe und Saale und im Osten von Oder und Neiße begrenzt. Dahlen und Umgebung aber waren zunächst Königsland.
Das Land musste auf Verteidigung und Abwehr eingestellt werden. Dazu teilte man es in Burgwarde ein. Das sind einer Burg unterstellte Landgebiete. Die Anlage dieser Burgwarde richtete sich häufig nach der slawischen Verwaltungsstruktur. Oft begegnen uns ehemalige Supansitze wieder als Burgwarde, so auch der Burgward „ad Ganam“. Die Mark Meißen wurde in 14