Dahlen - Kleine Stadt mit Geschichte(n). Hartmut Finger

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Weise ihres Lebens erfahren und dabei eben auch die Schicksale und Namen Einzelner eine Rolle spielen. Dennoch sind die archäologischen Funde aus dieser wie auch aus späteren Zeiten ein wichtiger Bestandteil historischer Forschungen.

      Die Epoche der schriftlichen Überlieferungen eröffnet uns ein weiteres Novum bei der Erforschung der Geschichte unserer Vorfahren: die Benennung der Volksgruppen in unserer Region durch deren Zeitgenossen. Allen bis zu diesem Zeitpunkt bei uns lebenden Völkern wurden die entsprechenden Namen zumeist nach archäologischen Funden von Historikern oder Archäologen gegeben. Dabei verwendeten sie in der Regel typische kulturelle Merkmale, wie „Glockenbecherkultur“ oder auch „Bandkeramiker“. Auch eine Benennung nach geografischen Fundorten wie „Billendorfer Kultur“ oder „Elbgermanen“ ist typisch. Das sind natürlich moderne Klassifikationen. Vergangene Lebenswirklichkeit spiegeln sie nicht wieder, auch wenn Keramikscherben Produkte solcher Lebenswirklichkeiten sind. Daher lassen sich rekonstruierte archäologische „Kulturen“ nicht mit realen Völkern gleichsetzen.

      Wie aber haben unsere Vorfahren, etwa in der Epoche der Zeitenwende oder in den Jahrhunderten unmittelbar danach, ihr Leben gestaltet?

      Die germanischen Stämme in unserer Heimat lebten zu dieser Zeit überwiegend noch in einer Gentilgesellschaft. Das heißt, es war eine Gesellschaft, deren Strukturen auf Sippen bzw. Verwandtschaftsverhältnissen basierte. Hatte eine Reihe von Sippen bzw. Verwandtschaftsgruppen eines bestimmten Gebietes einen ähnlichen bzw. gleichen kulturellen Entwicklungsstand, der auch zu verschiedenen Kooperationen führte – denkbar ist ein kleiner Handel, aber auch der Tausch von Frauen – so spricht man von einem Stamm. Mehrere dieser Stämme bildeten einen Stammesverband. Stämme und Stammesverbände sind es nun, von denen uns erstmalig die Namen durch Zeitgenossen überliefert wurden. Hierbei soll die Herkunft dieser Namen nicht näher erläutert werden. Diese können zum einen Eigennamen sein, aber auch Namen, die ihnen von Angehörigen anderer Kulturen gegeben wurden. Es sind vor allem römische Geschichtsschreiber, welche jetzt erstmalig Namen einzelner Völkerstämme erwähnen, die die Gebiete nördlich der Donau und östlich des Rheins besiedelten.

      Aus den Beschreibungen der Römer ergibt sich in etwa folgendes Bild der Siedlungsgebiete der einzelnen germanischen Stämme zwischen Rhein und Weichsel: An der Weser siedelten die Sachsen und zwischen Saale und Mulde die Warnen; die Langobarden lebten an der mittleren Elbe, die Sueben zwischen Elbe und Oder, die Vandalen an der Oder und die Goten an der Weichsel; die Thüringer, auch Hermunduren genannt, siedelten zwischen Werra und Saale, aber vor allem im Thüringer Becken. Ihr Siedlungsgebiet erstreckte sich darüber hinaus bis in unser Gebiet um Elbe und Mulde. Damit ist der Siedlungsraum der Germanen lediglich in groben Umrissen gezeichnet. Auch sind bei weitem nicht alle germanischen Stämme genannt. Es handelt sich bei dieser Aufzählung um das uns interessierende Gebiet und die für unsere Geschichte relevanten Stämme und Stammesverbände.

      Aus römischen Quellen erfahren wir auch, dass die Germanen noch kein Königtum kannten. In Zeiten des Krieges wählten sie einen Stammesfürsten, der damit auch ihr Heerführer war. In Friedenszeiten standen bei ihnen die Sippen- und Stammesältesten sowie ihre Häuptlinge an der Spitze. Nicht zu vergessen ist der Einfluss der Druiden bzw. Medizinmänner. Es wird aber auch berichtet, dass die einzelnen Sippen und Stämme in ständiger Konkurrenz zueinander lebten, was zu häufigen bewaffneten Konflikten untereinander führte. Hier könnte die diesen Stämmen oft nachgesagte kriegerische Mentalität ihren Ursprung haben. Die Versuche der Römer, die germanischen Siedlungsgebiete östlich des Rheins ihrem Weltreich einzugliedern, endeten bekanntlich in der Varusschlacht im Jahr 9 unserer Zeitrechnung mit einem Desaster. Der Freiheitswille der Germanen unter ihrem Anführer Arminius war stärker als ihre internen Zwistigkeiten, Cherusker und Chatten schlugen gemeinsam das römische Heer. Danach blieb der Rhein die Ostgrenze des Römischen Reiches.

      Wovon lebten nun die hiesigen Germanen?

      Eine wichtige Quelle für die Versorgung mit Nahrungsmitteln war der Ackerbau. Zeugnisse einer Feldwirtschaft dieser Epoche wurden bisher jedoch nur wenige gefunden. Hinzu kam noch eine umfangreiche Viehhaltung, die aber fast ausschließlich als Weidewirtschaft betrieben wurde. In den immer noch riesigen und dichten Wäldern um die Siedlungen spielte die Jagd für die Versorgung mit Fleisch eine entscheidende Rolle und auch die verschiedensten Früchte des Waldes trugen zum Unterhalt bei. Für die an den Flüssen gelegenen Siedlungen hat sicher auch der Fischfang eine Rolle gespielt.

      Aus Funden wie auch aus schriftlichen Überlieferungen erfahren wir, dass die hier lebenden germanischen Stämme schon Handel betrieben. Es wurde mit tierischen Produkten – Häuten, Pelzen – und auch mit Bernstein gehandelt. Verbreitet war vor allem der Handel mit Kriegsgefangenen.

      Über die Handelsbeziehungen mit den Mittelmeerländern wurde auch praktisches Wissen importiert. So führte die Verarbeitung des Eisens recht bald zu einer Blüte des Schmiedehandwerks in unserer Heimat. Im Gegensatz zur Bronzeherstellung, die nur von wenigen Spezialisten an ausgewählten Orten durchgeführt wurde, fand die Eisenherstellung eine wesentlich größere Verbreitung. Das belegen Funde an zahlreichen Orten. Die benötigten Rohstoffe dafür konnte und kann man auch heute noch überall in den Talniederungen als Raseneisenerz an der Oberfläche finden. Die Versorgung der für die Produktion benötigten Holzkohle war beim Waldreichtum unserer Region sicher auch kein Problem. So fand man in unserer Nähe Plätze, wo man Eisen produziert hat. An der Döllnitz bei Leuben (in der Nähe von Oschatz) wurden mehrere sogenannte Rennöfen, in denen Eisen geschmolzen wurde, nachgewiesen. Gleichzeitig mit der Technologie der Eisenherstellung entwickelte sich das Schmiedehandwerk. So schmiedeten unsere Vorfahren zum Beispiel hochwertige Schwerter, deren Knäufe oft mit Elfenbein, Gold oder Bernstein verziert waren.

      Rekonstruktion der Arbeitsweise mit einem Rennfeuerofen; vom Rösten des herausgebrochenen Raseneisenerzes (2) bis zum Verdicken des Eisens (10) (n. Jöns 1993)

       Eisenschlacke von Leuben: ein Überbleibsel der vorgeschichtlichen Eisenverhüttung

      Cäsar (100–44 v.u.Z.), der römische Feldherr und Eroberer, welcher sich auch als Geschichtsschreiber hervortat, berichtete um 50 v.u.Z., dass die Germanen nicht vollkommen sesshaft gewesen wären. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu Cäsars weiteren Angaben, denn er schreibt weiter: „Der Ackerbau sei bei ihnen nur primitiv entwickelt. Sie lockern den Boden nur etwas auf und bebauen ihn nur zwei Jahre hintereinander. Danach lassen sie das Land brach liegen und bebauen neuen Boden. Die Germanen kennen kein Privateigentum von Grund und Boden. Der Boden ist Eigentum der ganzen Sippe, und dementsprechend werden die Felder gemeinsam bestellt und abgeerntet. Ebenso werden die Felderträge auch gleichmäßig verteilt.“ Wer Ackerbau betreibt, muss aber zwangsläufig sesshaft sein. Cäsar berichtet weiter, dass die Grundnahrungsmittel nur zu einem geringen Teil vom Ackerbau kämen. Das Sammeln, die Jagd und eine entwickelte Viehzucht (Weidewirtschaft) bildeten die Basis für die Ernährung. Die Tierhaltung ermöglichte bereits eine kontinuierliche Versorgung mit Milch, Käse und Fleisch.

      Dass die hoch entwickelte römische Lebensart aber doch einen Einfluss auf die eher einfache Lebensweise der Germanen ausübte, zeigt sich, wenn man die Berichte des römischen Schriftstellers Tacitus, der 100 Jahre nach der Zeitenwende lebte, liest. Er berichtet, dass die Germanen sesshaft seien und ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Ackerbau bestreiten. Damit wird die Sesshaftigkeit der Germanen noch einmal bestätigt, wobei wir jedoch registrieren, dass in den 150 Jahren von Cäsar bis zu Tacitus, der Feldbau die Weidewirtschaft als Haupternährungsquelle abgelöst hat. Das ist historisch gesehen eine kurze Zeitspanne für eine derartige Veränderung. Es gab aber weiterhin kein Privateigentum an Grund und Boden. Das Land war immer noch Gemeineigentum der Sippen und Stämme, und ebenso wurde es gemeinsam bearbeitet. Aber auch Cäsar berichtete schon, dass die Erträge

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