Hoffnung, das Tor zwischen Verstand und Herz - Liebe, der Schlüssel des Verzeihens. Andreas Weis
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Hoffnung, das Tor zwischen Verstand und Herz - Liebe, der Schlüssel des Verzeihens - Andreas Weis страница 7
Der Schmerz des Verlustes
Vieles hätte ich dir noch sagen wollen, konnte es damals nicht tun, zu aufgewühlt war mein Herz und zu jung an Jahren, sodass ich es verstehen konnte, was damals geschah. Nun ist die Zeit dafür gekommen, dass ich es aussprechen kann. Als du von mir gingst, warst du selbst noch zu jung, in deinem Alter. Zu jung war ich, die zurückblieb. Fühlte mich verraten, verlassen, einsam und allein. Das was mich die Jahre umtrieb, mich quälte, war die Liebe zu dir. Wie sehr hatte ich dich gebraucht und du warst nicht mehr da. Wut in mir, mit Schmerzen, wenn ich an dich dachte. Schuld gab ich mir für diese Gedanken der Wut. Verlassen fühlte ich mich von dir, verraten in der Zeit, wo ich dich hätte gebrauchen können. Keinen ersten Tanz mit dir, nicht das Führen zum Standesamt, um mich in die Hand eines andern zu geben. Doch konntest du nichts dafür, es war unser beider Schicksal, das deine und das meine. Es tat so weh, als du gingst, ich konnte das damals nicht verstehen, weinte viel darüber, vergrub meinen Schmerz in mir, um stark zu sein, für Mutter. Heute möchte ich dir sagen, ich vermisse dich. Als du noch lebtest, da ging es nur um dich. Wusste ich doch nicht, was es bedeutet, so früh zu sterben. Ich fühlte mich von euch beiden alleingelassen und nicht wert. Dich und Mutter machte ich verantwortlich dafür, dass es mir nicht gut ging. Ich erinnere mich, dass du uns oft beschämt hast, wenn du betrunken nach Hause kamst. Geld war knapp, du arbeitetest hart und viel, jedoch trankst du regelmäßig, sodass wir manchmal nicht wussten, über die Runden zu kommen. Jedes Mal hieß es, lasst ihn, stört ihn nicht. Mutter hielt schützend ihre Hand über dich, obwohl auch sie litt. Unsere Belange waren nicht wichtig, nur du und das Haus an dem du bautest, für uns, war dir wichtig. Doch es war dein Egoismus, du wolltest es allen beweisen. Schlucktest jeden Ärger runter, deine Wut, deine Angst nichts wert zu sein. Etwas trugst du mit dir herum, wolltest nie darüber reden. Vielleicht wäre es besser gewesen, vielleicht hätten wir dich verstanden, jedoch nicht verurteilt, weil du doch unser Vater warst und wir dich liebten. So konnte sich bei uns nur die Wut über dich aufbauen, einen Vater, dem die Kinder egal sind, der trank. Ich war nicht gerne zu Hause. Ich versuchte, soweit es ging, bei Freunden zu sein, wo die Familie in Ordnung war und harmonisch. Wie schön war es, wenn sie alle zusammen waren und ich dabei sein durfte. Nur habe ich nie über meine Familie gesprochen, aus Scham. Erst als die Ärzte dir sagten, dass du schwer krank warst, durch dein Trinken, sie dir nicht mehr lange Lebenszeit voraussagten, erst da hast du es geschafft, davon loszukommen. Da fingen für uns die schönen Zeiten an, plötzlich warst du anders und wiederrum ging es nur um dich. Hier Rücksicht, da Rücksicht, was unsere Wut noch größer machte. Ich durfte manchmal nicht zu meinen Freunden, wir wollten selber etwas unternehmen. Jetzt, da du krank warst, sollten wir Rücksicht nehmen. Hast du jemals auf uns Rücksicht genommen? Ich kann mich nicht wirklich erinnern. Als ich noch klein war schon.
Kurz bevor du starbst, nahmst du mich zur Seite und hast mir eine Last aufgebürdet, die ich als angehender Teenager nicht tragen konnte. Ich war die Große, obwohl noch ältere Geschwister da waren. „Kümmere du dich um Mutter und hilf ihr“, sagtest du. Ich, die selbst hilflos und überfordert war. Ich gab keine Widerrede, schluckte meine Wut und meine Enttäuschung runter. Alles hätte ich erwartet, was du mir sagen wolltest, doch diese Bürde, diese Last, sollte ich mittragen, weil du dich aus deiner Verantwortung gestohlen hattest. Ich wollte doch leben, frei und nicht gebunden sein. Doch ich versprach es dir, musste es dir versprechen. Du gingst von uns an einem Feiertag, wir durften nicht dabei sein. Konnten nicht Abschied nehmen. Sterben und Tod wurden bei uns zu Hause verbannt. Hätten wir nicht alle gemeinsam Abschied nehmen können? So fehlte etwas in unserem Leben: „Du.“ Du warst plötzlich nicht mehr da. An einem Feiertag ließest du uns im Stich. Trauer vermischte sich mit Wut und Enttäuschung. Der Tag war für uns gelaufen. Jedes Jahr die Erinnerung daran und dazu noch dich vermissen. Deine Stimme nicht mehr zu hören, dich nicht in die Arme zu schließen, was ich Jahre nicht getan hatte. Dich zu riechen. Du fehltest mir an allen Stellen und Wut und Schuld wuchsen und wuchsen. Durfte ich wütend sein? Nein, dann kamen Schuldgefühle hoch. Ich schluckte und tat, was ich tun musste. Ich lernte, machte eine Ausbildung, heiratete, wurde geschieden und an vielen Augenblicken in meinem Leben nahmst du nicht teil. Keinem väterlichen Rat, keine väterliche Hilfe, keinen väterlichen Beistand, keinen väterlichen Segen und wütend darüber durfte ich nicht sein.
Nun bin ich so alt wie du damals gewesen bist, als du gingst. Es schmerzt in meinem Herzen um die nicht gelebte Zeit mit dir. Dir nie gesagt zu haben, dass ich traurig bin, dass ich die Last nicht tragen konnte, nicht weil ich es nicht tragen wollte, sondern weil sie zu schwer für mich war. Nicht gesagt habe ich, dass ich dich vermisse und dich geliebt habe. Das ich mir gewünscht hätte, dass du länger gelebt hättest. Das ich dich nie wirklich gesehen hatte in deinem Schmerz. Das ich meine Wut über dich, dir nicht ins Gesicht geschrien habe, ich glaube, du hättest es verstanden. Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass du mir gesagt hättest, dass du mich lieb hast. So bleiben mir nur meine Tränen die ich vergieße, die unaufhaltsam fließen, die die Sehnsucht nach dir zeigen. Tränen, die die Wut mildern und den Schmerz den ich trage heilen. Wie gerne würde ich von dir träumen und im Traum würdest du mir all das sagen, was ich mir so gerne gewünscht habe, von dir zu hören. Dir von meinem Leben zu erzählen, von meiner Traurigkeit, keine Kinder austragen zu dürfen. Von meinen freudigen Stunden dir berichten und du nähmst Anteil daran. Von meinen dunklen Stunden und du hörst mir zu und tröstest mich. Ich wünschte mir es so sehr. Und du würdest mich in deine Arme schließen, mir sagen, es tut dir unendlich leid, mir so viel Kummer bereitet zu haben, dass du mich lieb hast und gerne meine Last mir abnehmen würdest. Mich über meinen Lebensschmerz tröstest, dass du all die Jahre mich gesehen hast und mein Leben begleitet hast und dich freust und stolz auf mich bist, was ich bis jetzt geschafft habe, obwohl keiner an mich geglaubt hat. Du würdest mir sagen, ich habe immer an dich geglaubt und glaubst auch heute an mich. Und du würdest auf mich warten für den ersten Tanz im neuen Leben. Ich möchte deine Nähe spüren, dass du um mich bist. Jeden Tag und ich lasse dich frei, aus meiner Wut und aus meinen Vorwürfen. Verzeih mir Papa, verzeih mir. Du sollst da, wo du bist, keine Last tragen, die ich durch meine Gedanken dir aufbürde und du gefangen bist in dieser Bürde. Ich gebe dich frei und gestatte mir, dass ich lebe und leben darf. Du bist in meinem Herzen, du bist mein Papa und ich deine Tochter. Lebe wohl, lebe, lebe dein neues Leben und sei frei.
M.U. de Kstm.1982
In Gedanken bin ich bei dir und du bei mir. Ohne Groll, ohne Schmerz, da ich dich liebe vom ganzem Herzen. Will mit dir Welten durchreisen, bunte Vielfalt des Lebens sehen. Muss mir und dir nichts beweisen, werden uns wiedersehn.
Die Gewissheit liegt im Sterben
Wir sind dem Tode näher als dem Leben, denn jeder Tag der gelebt wird, stirbt. So wird im Tod, jeder Tag neu geboren. Nur die Gewissheit des Sterbens lässt uns aufrichtig Leben, bis hin zum Tod, aus dem wir neu erwachen zum Leben.
Trost durch Leben
Das Sterben meiner Mutter war sehr verkrampft, wir wollten sie bis zur letzten Stunde begleiten. Es war schrecklich für uns, ihren Kampf den sie hatte, so mit anzusehen. Als wir einen kurzen Moment aus dem Zimmer gingen, um neue Kraft zu sammeln, starb sie still und leise. Als wir wenig später das Zimmer betreten wollten, ahnten wir, dass sie verstorben war. Wir fanden sie mit einem Lächeln im Angesicht, ganz entspannt im Bette liegend vor.
Nachdem wir getrauert und Abschied genommen hatten, gingen wir aus dem Sterbezimmer zum Ausgang des Krankenhauses, wo uns ein Bekannter freudestrahlend entgegenkam, uns umarmte und sagte: „Ich bin eben Vater geworden, wir haben ein kleines Mädchen.“ Wir freuten uns mit ihm von Herzen,