Leben im Sterben. Romana Wasinger
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Wahre Vielfalt
Sterbende:
Die einen wollen allein gehen – die anderen gemeinsam.
Die einen beten – die anderen nicht.
Die einen sind geduldig – die anderen nicht.
Die einen glauben an gar nichts – die anderen glauben an irgendetwas.
Die einen erwarten die Auferstehung – die anderen die Reinkarnation.
Die einen wollen bald sterben – die anderen noch lange nicht.
Die einen lassen sich fallen – die anderen richten sich auf.
Die einen behaupten sich – die anderen lassen sich alles gefallen.
Die einen schaffen Ordnung – die anderen bleiben im Chaos.
Die einen hassen ihr Leben – die anderen lieben es.
Die einen hadern mit dem Schicksal – die anderen fügen sich ihm.
Die einen bleiben stumm – die anderen sind unüberhörbar.
Die einen verzichten auf alles – die anderen genießen bis zum Schluss.
Die einen sind aggressiv – die anderen depressiv.
Die einen hoffen – die anderen sind verzweifelt.
Die einen werden immer verkrampfter – die anderen immer gelöster.
Die einen weinen – die anderen unterdrücken es.
Die einen hoffen – die anderen resignieren.
Die einen halten fest – die anderen lassen los.
Und die meisten pendeln zwischen dem einen und dem anderen hin und her. Es geht nicht um die Frage, ob das eine gut und das andere schlecht ist. Wichtig ist, in einer individuellen Originalität zur Lebensfülle zu finden. 26
Als ich diesen Text zum ersten Mal las, war ich tief berührt und auch beeindruckt. Diese „wahre Vielfalt“, das kann ich bestätigen, erlebt man tatsächlich als Begleiter sterbender Menschen.
In Lehrbüchern für Palliativmedizin bzw. Palliativpflege finden sich unter anderen folgende Auflistungen von Bedürfnissen in der letzten Lebensphase:
erträglicher körperlicher Zustand: gute Symptomkontrolle
mitfühlende seelisch-emotionale Begleitung: Liebe, Hoffnung, Beistand im Sterben
mentale Bearbeitung der Situation, der Lebensgeschichte: Wahrhaftigkeit
Besprechung metaphysischer Fragen: Spiritualität
Ordnen von Beziehungen, „letzten Dingen“: Familie, Freunde, Soziales27
das Bedürfnis nach Wertschätzung und Respekt
das Bedürfnis nach Autonomie und Entscheidungsfähigkeit
das Bedürfnis nach Sicherheit
das Bedürfnis nach Zugehörigkeit28
Ratschläge eines Sterbenden
Donnerstag, 8. 12. 2005, 20.10 Uhr
Lass mich in den letzten Stunden meines Lebens nicht allein. Bleibe bei mir, wenn mich Zorn, Angst, Traurigkeit und Verzweiflung heimsuchen und hilf mir zum Frieden zu gelangen. Denke nicht, wenn du ratlos an meinem Bette sitzt, dass ich tot sei. Ich höre alles was du sagst, auch wenn meine Augen gebrochen scheinen. Das richtige wäre mir etwas zu sagen, das es mir nicht schwerer, sondern leichter macht mich zu trennen. So vieles, fast alles, ist mir jetzt nicht mehr wichtig. Ich höre, obwohl ich schweigen muss und nun auch schweigen will. Halte meine Hand. Ich will es mit der Hand sagen. Wisch mir den Schweiß von der Stirn. Streiche mir die Decke glatt. Wenn nur noch Zeichen sprechen können so lass sie sprechen. Dann wird auch das Wort zum Zeichen. Und ich wünsche mir, dass du beten kannst. Klage nicht an, es gibt keinen Grund. Sage Dank. Du sollst von mir wissen, dass ich der Auferstehung näher bin als du selbst. Lass mein Sterben deinen Gewinn sein. Lebe dein Leben fortan etwas bewusster. Es wird schöner, reifer und tiefer, inniger und freundlicher sein als es je zuvor war, vor meiner letzten Stunde, die meine erste ist. 29
Die Bedürfnisse älterer Menschen am Lebensende
Im „Lehrbuch Palliative Care“ wird darauf hingewiesen, dass alte Menschen eindeutig besondere Bedürfnisse haben, weil ihre Probleme anders und oft komplexer sind als die jüngerer Menschen. Aus qualitativen Interviews konnten folgende Kernthemen identifiziert werden:
das Bedürfnis nach Schmerz- und Symptomkontrolle
das Bedürfnis, über den Tod zu sprechen
das Bedürfnis nach angemessener Aufklärung
das Bedürfnis, das Ausmaß der medizinischen Interventionen mitzubestimmen
das Bedürfnis nach Begleitung im Sterben
das Bedürfnis, Sterbezeit und Sterberaum zu gestalten oder an der Gestaltung teilzuhaben. 30
Physische und psychische Beschwerden sterbender Menschen
Sterbende Menschen können an verschiedenen, teilweise sehr quälenden Symptomen, leiden. Häufige Beschwerden sind: · Schmerz
Schwäche
Appetitlosigkeit
Obstipation, Übelkeit, Erbrechen
Schluckbeschwerden, schmerzender Mund
Atemnot
Husten
Schlafstörungen
Verwirrtheit31
Schmerz ist nicht gleich Schmerz
Nimmt man von der vorangegangenen Aufzählung das Wort Schmerz heraus, um es näher zu betrachten, ergibt sich beim Nachschlagen in der relevanten Literatur, dass es viele Arten von Schmerz gibt, wobei stets zu bedenken ist, dass jeder Schmerz subjektiv empfunden wird. Es wird unterschieden zwischen akuten und chronischen