Leben im Sterben. Romana Wasinger
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Lebensbedrohende Erkrankung. Darunter versteht man im Allgemeinen eine Erkrankung, die das Leben gefährdet oder mit einem signifikanten Risiko zu sterben verbunden ist oder eine Erkrankung, bei der keine Heilung oder Behandlung mehr möglich ist und die zum Tod führt.9
Aus psychologischer Sicht wird ein sterbender Mensch als jemand beschrieben, der objektiv vom Tod bedroht ist und sich dieser Todesbedrohung so weit bewusst ist, dass sie sein Erleben und Verhalten bestimmt. Als Sterbender im medizinischen Sinn wird ein Mensch bezeichnet, dessen Tod als Folge eines Unfalles, einer nicht behandelbaren Krankheit oder infolge hohen Alters in absehbare Nähe gerückt ist. Die unmittelbare Todesursache ist schon abzusehen, der Tod wird nach ärztlicher Einschätzung innerhalb von Tagen bis Monaten eintreten.10
Wenn wir sterben, wird auf der körperlichen Ebene die gesamte Körperenergie, die vorhanden ist, verlangsamt. Zunächst lässt diese Energie in den Sexualorganen und in den Verdauungsorganen nach, was sich darin äußert, dass der Appetit nachlässt und die Verdauung viel länger braucht. Der sterbende Mensch schläft viel mehr und die Hormonausschüttung wird weniger. Die Arbeit des Nervensystems wird herabgesetzt und Atmung und Herz werden langsamer. Die gesammelte Kraft der Seele sammelt sich im Kopf des Sterbenden, was zu einer erhöhten Bewusstheit führt. 11
Wenn sich ein Sterbender angstfrei auf das Außen einstellen kann und anwesende Angehörige wahrnimmt, dann kann er ganz leicht loslassen und in die andere Dimension gleiten. In dem Moment, wo ein Mensch aus seinem Körper heraus ist, tritt das Bewusstsein durch den Kopf aus. Solange das Bewusstsein aber noch im Kopf vorhanden ist, atmet die Lunge und schlägt das Herz. Wenn wir also vollständig den Körper verlassen haben, d. h. inklusive des Bewusstseins, gehen wir sofort in eine andere Dimension, werden abgeholt und gehen ins Licht.12
Die Silberschnur
In der esoterischen Literatur ist häufig von der „Silberschnur“ die Rede, einem silberfarbenen Energieband, das die Seele mit dem Körper verbindet und beim Eintritt des Todes zerreißt.
Im Augenblick des Todes zerreißt die Silberschnur, die Seele und Körper miteinander verbindet. Wenn das geschehen ist, kann die Seele nicht mehr in den Körper zurückkehren. 13
Die Seele tritt aus dem Körper aus, mit dem Geist, der in ihr ist. Dieser Loslösungsprozess der Seele vollzieht sich nicht immer einfach. Je mehr ein Mensch an die Materie gebunden ist, umso dichter ist der Verbindungsstrang der Seele mit dem Körper. Die Einstellung zum Tod kann also mit entscheidend sein, wie leicht oder schwer jemand stirbt.14
Phasenmodelle
Schwerkranke, sterbende Menschen müssen sich mit all ihren Ängsten, Verlusten, Hoffnungen, vielleicht Schmerzen, dem drohenden Verfall ihres Körpers, entsprechenden Beeinträchtigungen und der Gewissheit, dass die verbleibende Lebensspanne begrenzt ist, auseinandersetzen.
Sterbeforscher (Thanatologen) untersuchen, ob und wie sich sterbende Menschen mit dem Tod auseinandersetzen. Sie glauben, bestimmte Muster im Sterbeprozess von Menschen erkannt zu haben und beschreiben diese in Form von Phasenmodellen.
Der Psychiater A. Weisman beispielsweise beschreibt drei Phasen, die ein unheilbar Kranker vor dem nahenden Lebensende durchschreitet, der Psychiater, Verhaltens- und Sozialwissenschaftler E. Pattison beschreibt drei „große Abschnitte“ im Sterbeprozess, der Krankenhausseelsorger H. Zielinski bestätigt die Phasen von Kübler-Ross, bezeichnet allerdings nach seinen Erkenntnissen die letzte Phase als religiöse oder metaphysische Phase. Der Arzt A. Kruse vertritt die Ansicht, dass es ganz unterschiedliche Verlaufsformen in der Auseinandersetzung mit dem Sterben gibt, die von der Biografie des Sterbenden mit beeinflusst werden.15
Elisabeth Kübler-Ross
Die internationale Hospizarbeit wurde nachhaltig durch die Arbeit der in der Schweiz geborenen und später in den USA lebenden Psychiaterin Dr. Elisabeth Kübler-Ross beeinflusst. Sie gilt als Begründerin der Sterbeforschung, da ihre Beobachtungen den Grundstein der heutigen Erkenntnisse über die Situation Sterbender darstellen. Ihr Ziel war es, von Sterbenden zu lernen, welche Hilfe sich Sterbende erhoffen und wie man mit ihnen umgehen soll. Zu diesem Zweck führte sie Interviews mit unheilbar kranken Menschen. In diesen Gesprächen wurden die Betroffenen direkt auf ihre Gefühle und Gedanken zu Sterben und Tod angesprochen. Von 200 Patienten nahmen 198 diese Möglichkeit zur Aussprache an. Aus dieser Arbeit entstand 1969 ihr erstes Buch – „Interviews mit Sterbenden“. Sie formulierte darin die „Stadien des Sterbens“ (Verleugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Zustimmung). Die Kernbotschaft von Kübler-Ross an „Begleiter“ in ihren unzähligen Vorträgen und Workshops rund um den Globus war, dass die Helfenden zuerst ihre eigenen Ängste und Lebensprobleme so weit wie möglich klären müssen, ehe sie sich Menschen am Lebensende hilfreich zuwenden können. Für ihre Leistungen zwischen 1974 und 1996 wurden Kübler-Ross 23 Ehrendoktorate an verschiedenen Universitäten und Colleges verliehen, sie erhielt über 70 nationale und internationale Auszeichnungen und wurde 1999 vom Nachrichtenmagazin TIME zu den „100 größten Wissenschaftlern und Denkern“ des 20. Jahrhunderts gezählt. Dr. Kübler – Ross verstarb 78-jährig im August 2004 in Scottsale im US-Staat Arizona.
Kübler-Ross vertrat die Ansicht, dass der sterbende Mensch verschiedene Phasen durchleben muss, um seine Krankheit und endlich seinen Tod zu begreifen. Sie entwickelte aufgrund ihrer Beobachtungen bestimmter Verhaltensmuster Sterbender ihr berühmtes Fünf-Phasen-Modell, das wohl jedem professionell Pflegenden ein Begriff ist. Demnach durchlaufen sterbende Menschen folgende Phasen im Wechsel:
Die Phase der Verweigerung: „Nein, ich nicht“. Kübler-Ross sagt, Verweigerung ist wichtig und notwendig, denn sie trägt dazu bei, für das Bewusstsein des Patienten die Erkenntnis zu lindern, dass der Tod unvermeidlich ist.
Die Phase von Zorn und Ärger: „Warum ich?“ Zorn ist nach Kübler-Ross nicht nur erlaubt, sondern unvermeidlich. Die Tatsache, dass andere gesund und am Leben bleiben, während er oder sie sterben muss, stößt den Patienten ab. Gott ist ein besonderes Ziel für diesen Zorn. Er wird als derjenige angesehen, der das Todesurteil nach Gutdünken verhängt.
Die Phase des Verhandelns: „Ja, ich, aber … “ Patienten akzeptieren die Tatsache des Todes, versuchen aber, über mehr Zeit zu verhandeln. Meist verhandeln sie mit Gott – sogar jene Menschen, die zuvor nie mit Gott gesprochen haben.
Die Phase der Depression: „Ja, ich“. Zuerst trauert der Sterbende um Vergangenes, dann tritt er in ein Stadium der „vorbereitenden Trauer“ ein und bereitet sich auf die Ankunft des Todes vor.
Die Phase der Hinnahme: „Meine Zeit ist nun sehr kurz, aber das ist in Ordnung so“. Kübler-Ross beschreibt dieses endgültige Stadium als „nicht ein glückliches Stadium, aber auch kein unglückliches. Es ist ohne Gefühle, aber es ist keine Resignation, es ist vielmehr ein Sieg“.16