Im Kreuzfeuer. Christian Wehrschütz
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Als Investor liegt Österreich mit 340 Millionen Euro in Mazedonien an vierter Stelle,4) 50 Firmen sind mit Niederlassungen oder Produktionsstättenvertreten oder wie Knauf oder Tondach. Der Dachziegelhersteller aus Kleinstätten in der Steiermark war für mich immer ein Beispiel, wie die Ostöffnung die österreichische Wirtschaft verändert hat. Aus einem kleinen Ziegelwerk mit 250 Mitarbeitern wurde eine Aktiengesellschaft, die in Ost- und Südosteuropa mit 34 Werken vertreten ist und 3.100 Mitarbeiter beschäftigt, davon 300 in Österreich.5) Eine umfassende Geschichte dieser Transformation der österreichischen Wirtschaft ist bisher nicht geschrieben worden, und im Bewusstsein der Bevölkerung ist dieser enorme Wandel der vergangenen 20 Jahre noch viel zu wenig präsent. Trotzdem war und ist die Expansion natürlich mit Risiken und Problemen verbunden, die in besonders gravierenden Fällen auch eine klare politische Rückendeckung durch die österreichische Regierung erforderlich machen. Beispiele dafür finden sich in Mazedonien, Kroatien und anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien, über die ich immer wieder berichtet habe. Dazu zählen Rechtsunsicherheit, weil beispielsweise das Grundbuch noch immer nicht zuverlässig ist, Korruption, Behördenwillkür und Bürokratie. All diese Erscheinungsformen zeigen, wie wichtig einerseits die rasche EU-Annäherung des Westbalkans, aber auch das Beharren auf der konsequenten Erfüllung von Kriterien ist. Denn ist ein Staat erst einmal Mitglied der EU, sind die Möglichkeiten weit geringer, ihn zu schwierigen Reformen zu veranlassen.
Ein Beispiel für jene Reformen, auf deren Umsetzung vor dem EU-Beitritt hätte beharrt werden müssen, bietet das Justizwesen in Slowenien. 2008 waren 500.000 Gerichtsverfahren anhängig, wobei die lange Verfahrensdauer durch extensive Einspruchsmöglichkeiten und die Belastung der Richter auch mit einfachen Verwaltungsaufgaben den Rückstau kontinuierlich erhöht. All das beeinträchtigt die Durchsetzbarkeit der Einhebung von Außenständen, ein Problem das angesichts der Wirtschaftskrise zunehmend an Bedeutung gewinnt. Trotzdem ist gerade Slowenien das Paradebeispiel für die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte der österreichischen Wirtschaft. Die Gesamtsumme der Auslandsinvestitionen beläuft sich auf ca. 9,5 Milliarden Euro; davon stammen aus Österreich 4,3 Milliarden. Damit ist Österreich bei weitem der größte Investor. 700 heimische Firmen sind mit Niederlassungen in Slowenien tätig. Österreich ist der drittwichtigste Warenlieferant und der viertwichtigste Abnehmer slowenischer Waren. 2008 exportierte Österreich Waren im Wert von 2,55 Milliarden Euro, die Importe lagen bei 1,2 Milliarden. Unter den wichtigsten Exportmärkten liegt Slowenien an dreizehnter Stelle. Somit beziehen die zwei Millionen Slowenen etwa gleich viel Waren aus Österreich, wie die 2,4 Milliarden Chinesen und Inder zusammen. Beim Pro-Kopf-Import ist Slowenien mit etwa 1.275 Euro weiter an den Spitze.
Hervorragend ist die österreichische Position auch in Kroatien. Nach Angaben der Nationalbank in Agram betragen die ausländischen Direktinvestitionen seit 1993 mehr als 21 Milliarden Euro, davon entfallen mehr als sechs Milliarden auf Österreich, das auch in Kroatien größter Investor ist. Mehr als 800 Firmen sind vertreten, und die Außenhandelsstelle der Wirtschaftskammer in Agram hatte in den vergangenen zwei Jahren (Stand Juli 2009) mit mehr als 5.600 Firmen aus Österreich Kontakt. Die Zahl der in Kroatien tätigen Firmen aus Österreich schätzt die Außenhandelsstelle auf mehr als 7.000.6) Obwohl in Serbien die Reformen erst mit dem Sturz von Slobodan Milošević im Jahr 2000 einsetzten, haben Firmen aus Österreich in diesem mit etwa acht Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land des ehemaligen Jugoslawien bis Sommer 2009 knapp zwei Milliarden Euro investiert. 270 Firmen sind bei der Außenhandelsstelle in Belgrad registriert, in den 1990er Jahren waren es 40. Bedeutsam ist Österreich auch als Arbeitgeber mit jeweils mehr als 20.000 Beschäftigten in Serbien und Kroatien.
Das Rennen um Mobi 63
Serbien war für mich persönlich auch der Ort, an dem ich bisher meinen spannendsten Wirtschaftsbericht verfasst habe. Es war dies das Rennen um Mobi 63, den zweitgrößten Mobilfunkanbieter Serbiens, zwischen der Mobilkom Austria und der norwegischen Telenor.
Der Mindestpreis bei der Auktion Ende Juli 2006 für die Mobi 63 lag bei 800 Millionen Euro. Diesen Preis waren drei Bieter bereit zu zahlen: die Mobilkom Austria, die norwegische Telenor und die ägyptische Gesellschaft Orascom. Alle drei hatten versiegelte Angebote abgegeben, wobei das höchste dieser drei Angebote als Ausrufungspreis galt. Als dieser mit einer Milliarde 373 Millionen Euro bekannt gegeben wurde, ging ein Raunen durch den Auktionssaal in einem Belgrader Hotel. Die Ägypter stiegen sofort aus, während Telenor und Mobilkom Austria mitgingen. Gesteigert wurde in Schritten von je 20 Millionen Euro. Schließlich wurde ein Wert von einer Milliarde 513 Millionen Euro erreicht und keine der beiden Interessenten ging noch einen Schritt weiter. Durch diesen Gleichstand entschied das höhere Erstgebot, das die Norweger mit einer Milliarde 373 Millionen Euro gelegt hatten. Das Erstgebot der Mobilkom Austria lag dagegen bei 805 Millionen Euro.
Beim monatelangen Ringen um die Mobi 63 spielte auch der österreichische Unternehmer Martin Schlaff eine entscheidende Rolle. Je höher der Kaufpreis ausfallen würde, desto größer wurde auch sein Verdienst. Schlaff saß während der Auktion im Saal des Belgrader Hotels, in dem die Entscheidung zwischen Norwegen und Österreich fiel. Jedes Mal wenn einer der beiden Firmenvertreter sein Taferl hob und damit den Kaufpreis um 20 Millionen Euro erhöhte, stieg auch Schlaffs Anteil, um einen Betrag, der klar über der Summe lag, die ich bei meinem Arbeitgeber ORF bis zu meiner Pension noch an Gehalt beziehen werden. Das erfüllte mich keineswegs mit Neid, ich war einfach vom gesamten Ablauf fasziniert. Schließlich konnte Martin Schlaff jedenfalls zufrieden sein. Von den 1,5 Milliarden Euro gingen etwa 300 Millionen direkt an den serbischen Staat. Von den restlichen 1,2 Milliarden erhielten Schlaff & Co 30 Prozent, das sind 360 Millionen. Abzüglich der Aufwendungen von etwa 150 Millionen verdienten Schlaff und die anderen österreichischen Investoren somit etwa 200 Millionen Euro – kein schlechtes Geschäft, auch wenn ihr langjähriger Partner, die Mobilkom Austria an diesem Tag in Serbien leer ausging. Im November kaufte die Mobilkom für 320 Millionen und einen Euro die dritte Mobilfunklizenz und stieg auf diese Weise in den serbischen Markt ein.
Die Präsenz österreichischer Firmen im ehemaligen Jugoslawien ist jedoch nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern hat auch eine geistige und politische Dimension. So exportieren heimische Unternehmen natürlich auch ihre Form der Unternehmenskultur, und sind – gemeinsam mit anderen hochentwickelten Firmen – der entscheidende Faktor in der Modernisierung dieser Länder. Was das konkret heißt, erlebte ich vor allem beim Einstieg österreichischer Banken, die die ersten in Serbien und Albanien waren. Allein die Schulung hunderter lokaler Mitarbeiter kann in seiner Bedeutung als Wissenstransfer nicht hoch genug eingeschätzt werden, eine Leistung, die natürlich auch alle anderen Investoren erbringen.
Ausbau der österreichischen Wirtschaftspräsenz
Die Modernisierung und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind ein ganz entscheidender Beitrag zur politischen Stabilisierung einer Region, die durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise nun ebenso massiv getroffen ist. 2009 werden möglicherweise mit Ausnahme von Albanien alle anderen Staaten einen klaren Rückgang ihrer Wirtschaftsleistung aufweisen. Ausländische Direktinvestitionen sind stark gesunken, noch nicht abschätzen lassen sich die Folgen für die Fremdenverkehrsstatistik und der Umstand, dass wohl auch die Gastarbeiter weit weniger Geld werden überweisen können. Die soziale Lage ist in der gesamten Region sehr schwierig, trotzdem liegt das langfristige Engagement weiter auch im Interesse der österreichischen Wirtschaft selbst. Ein gutes Beispiel dafür bieten die Präsenz von Verbund und EVN in Albanien, wo beide Unternehmen gemeinsamen ein Laufkraftwerk errichten werden und die EVN binnen zehn Jahren eine Kette aus drei Speicherkraftwerken bauen wird. Derartige Großprojekte sind heute in Europa eher rar, und ihre Umsetzung