Im Kreuzfeuer. Christian Wehrschütz

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Im Kreuzfeuer - Christian Wehrschütz

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erwiesen hat. Faktum ist, dass wir mit diesen Völkern jahrhundertelang zum Teil sogar in einem gemeinsamen Staat gelebt haben. Daraus resultieren kulturelle Nähe, große wirtschaftliche Chancen aber auch politische und soziale Herausforderungen. Gegen die Geografie lässt sich nicht Politik machen, daher bleibt Ost- und Südosteuropa für Österreich der Schlüsselraum. Mit diesem Raum und seinen Völkern verbindet uns eine gemeinsame Geschichte, die auch viele Wunden geschlagen hat – auf beiden Seiten. Wir dürfen uns nicht zu Geiseln dieser Geschichte machen, eine Lehre, die gerade diese Völker vielfach erst noch ziehen müssen. Doch wir müssen die Geschichte, die Kultur und die Mentalität der Völker verstehen, nicht zuletzt um unsere Chancen zu nutzen und um gemeinsam die Zukunft in einem friedlichen Europa zu meistern. Nach zehn Jahren am Balkan kann ich daher nur sagen, dass uns noch eine große intellektuelle Aufgabe bevorsteht.

       Anmerkungen

       3.

       Der Weg nach Lipovac – Kroatiens serbische Hauptstadt

       Nur Bares bringt Wahres:

       Mein „Lieblingsdorf“ an der kroatisch-serbischen Grenze

      Der 14. Februar 2000 war ein schöner Tag und für mich gleichzeitig der Beginn einer Reise nach Belgrad und durch die „Schluchten des Balkan“, die bis heute andauert. Meinen vorläufigen Entsendevertrag als interimistischer Büroleiter in Belgrad hatte ich bereits im Herbst 1999 unterschrieben, und dann bei der jugoslawischen Botschaft in Wien um das Visum angesucht. Das bange Warten auf das grüne Licht aus Belgrad endete ausgerechnet am 23. Dezember. Die Botschaft rief an und teilte mit, dass mir das Visum erteilt werde. Für mich war diese Nachricht ein wirklich schönes Weihnachtsgeschenk. Auslandskorrespondent zu werden war stets mein Ziel gewesen, und nun stand diesem meinem journalistischen Traumberuf nichts mehr entgegen. Einziger wirklicher Wermutstropfen war, dass ich allein fahren musste. Die politische Lage in Serbien unter Slobodan Milošević war einfach zu unsicher, um die Familie mitnehmen zu können. Außerdem dachte niemand von uns im Traum daran, dass der Balkan zu meiner beruflichen Schicksalsregion werden und der Aufenthalt so lang dauern würde.

      Auf die Herausforderungen für die Familie war ich weniger vorbereitet als auf die beruflichen Herausforderungen. Daher verliefen die privaten und beruflichen Vorbereitungen ohne große Aufregung. Als der Tag der Abreise da war, frühstückten meine Töchter Michaela, Immanuela, meine Frau Elisabeth und ich noch gemeinsam und feierten Michaelas 18. Geburtstag. Dann fuhr ich ins ORF-Zentrum am Küniglberg, holte 40.000 DM und den Transporter mit zwei Extrakanistern und fuhr gegen 11 Uhr los – Belgrad entgegen.

      Das Geld brauchte ich aus demselben Grund wie die Kanister. Serbien war wegen der Politik seines Autokraten Slobodan Milošević nach langen Jahren des Zauderns und Zögerns von der UNO mit spürbaren Sanktionen belegt worden. Sie ließen sich zwar umgehen, wurden auch umgangen – das machte viele Zwischenhändler und Schmuggler enorm reich –, ruinierten aber langsam das Land und erschwerten das Alltagsleben massiv. Wegen der Sanktionen gab es in Serbien nur eine einzige westliche Bank, aber trotzdem keinen direkten, regulären internationalen Zahlungsverkehr mit dem Westen. Also brauchte ich Geld, denn in Serbien galt die Devise: „Nur Bares ist Wahres“ – und das war nicht der Dinar, sondern die Deutsche Mark, mit der ich zu rechnen lernte wie mit dem Schilling. Hätte ich all das Geld, das ich in den ersten zwei Jahren meines Mandats in meinen Hosentaschen nach Belgrad schmuggelte, vom ORF auf einmal bekommen, wer weiß, ob ich nicht schwach geworden wäre und mich abgesetzt hätte, scherzte ich oft mit meinem Drehteam.

      Die Kanister brauchte ich, weil auch ein Öl-Embargo galt, und weil ich nicht sofort auf geschmuggelten und gepanschten Treibstoff angewiesen sein wollte. Wie ich sofort nach meiner Ankunft feststellen sollte, boten Händler diesen minderwertigen Treibstoff auf den Straßen in allen möglichen Ein- und Zwei-Liter-Flaschen an. Diese Tatsache verleitete meine ältere Tochter Michaela bei ihrem ersten Besuch zur verblüfften Frage: „Warum

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