Alle, alle will ich. Johannes Sachslehner

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und speziell über sein seltsames sadistisches Spiel mit Marie Glümer ein ganzes Stück geschrieben, Das Märchen, das ursprünglich den wesentlich aussagekräftigeren Titel Das Märchen von den Gefallenen trug. Fedor Denner, der selbstquälerische Held des Stücks und Schnitzlers literarisches Alter Ego, missfiel schon den Zeitgenossen – das war nicht die Art von Liebhaber, die man auf der Bühne sehen wollte. Ein Mann, der seine fixe Idee mit quälender Zwanghaftigkeit bis in jedes kleine Detail zelebriert, der eifersüchtig ist auf alles, was nur irgendwie sich in eine Beziehung zum Ex-Freund seiner Geliebten bringen lässt, und von der Unmöglichkeit des Vergessens spricht: Es „gibt keinen Kuß, keusch genug – und keine Umarmung glühend genug, und keine Liebe ewig genug, um die alten Küsse und die alte Liebe auszulöschen. Was war, ist! – Das ist der tiefe Sinn des Geschehenen.“ Indem er seine Maxime zitiert – „Was war, ist!“ –, versucht Schnitzler eine letzte Rechtfertigung für seine Wahnvorstellungen zu finden, sie einzuordnen in seine vielfältigen Bestrebungen, die Ereignisse seines Lebens immer gegenwärtig zu halten, in jene stete Arbeit der Selbsthistorisierung, der wir nicht zuletzt auch sein Tagebuch verdanken. Auch wenn sich seine idée fixe in dieses Persönlichkeitsbild fügen mag – am Charakter einer Krankheit ändert das nichts.

      Das Märchen, 1891 fertiggestellt, ist heute als Bühnenstück nicht zu Unrecht weitgehend vergessen, seine Lektüre als Schlüssel zur Persönlichkeit Schnitzlers lohnt sich jedoch noch immer – stellt doch darin der knapp 30-Jährige seine Obsession mit großer Offenheit zur Schau, so etwa, wenn er Fedor Denner zu Fanny Theren, hinter der sich Mizi verbirgt, sagen lässt: „Überall das Vergangene – in deinen Augen, auf deinen Lippen, aus allen Ecken grinst es mich an – unser ganzes Leben ist durchströmt davon. Ich bin nicht stark genug, es zu ertragen.“ Ja, selbst die glühende, leidenschaftliche Liebe Fannys, die glaubt, dadurch gleichsam wieder „jungfräulich“ und „rein“ zu werden, ist zu schwach, um gegen diesen Wahn zu bestehen. Fedor kann die „unabänderliche Schmach, die an eurer Vergangenheit klebt“, nicht vergessen und nicht verzeihen, von Ekel geschüttelt geht er ab, Fanny bricht verzweifelt zusammen. Ein radikaler, ehrlicher Schluss, der Schnitzlers von ihm selbst diagnostizierte „psych. Krankheit“ (TB, 27. August 1897) unmittelbar widerspiegelt. Schnitzler wollte sich mit diesem Stück in einer Art Selbsttherapie „befreien“ (TB, 30. November 1890) – es gelang ihm nicht, der literarische Text scheiterte an der Wirklichkeit …

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