Cork, noch mehr Mord. Ursula Schmid-Spreer

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Cork, noch mehr Mord - Ursula Schmid-Spreer

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jemand ein Guinness?«, fragte Mick.

      »Sag bloß, du hast dich mittlerweile an unser leckeres Bier gewöhnt?«, konterte Ian McCarty.

      Mick verzog das Gesicht, hob eine Augenbraue, grinste und orderte vier Stouts.

      Der vierte Kommissar in der Runde, Kevin Mulligan, strich sich genussvoll über seinen nicht unbeträchtlichen Bauch. Wie sehr er die Neckereien seiner ehemaligen Kollegen genoss! Und dieser Austausch-Kommissar, Mick Tischer aus Deutschland, war ein feiner Kerl.

      Molly, die Kellnerin, stellte die vier Biere auf den Tisch. Jeder nahm sein Glas, sie prosteten sich zu und dann ergriff Ian das Wort.

      »Mick, du weißt sicher, dass Halloween ein altes keltisches Fest ist. Hierzulande heißt es Samhain.«

      Mick nickte. »Ich weiß sogar noch mehr«, sagte er. »Die Iren, die ausgewandert sind, haben das Fest nach Amerika gebracht, wo es einfach nur umbenannt wurde und als Halloween wieder nach Europa zurückschwappte.«

      »Brav, du hast deine Hausaufgaben gemacht«, griente Daniel und schlug Mick auf die Schulter.

      »Dann hört euch mal den folgenden Fall an, den ich euch jetzt erzählen möchte«, sagte Ian. »Samhain spielt eine große Rolle in Mallow.«

      Es war einer dieser hektischen Tage gewesen, an denen man zwar arbeitete wie besessen, aber nichts vorwärtsging. Jeder wollte etwas von Erin Sullivan. Sie konnte es sich nicht erlauben, grantig zu sein oder gar ihren Launen nachzugeben. Im Gastgewerbe war man auf Gäste angewiesen. War man unfreundlich, kamen sie nicht mehr wieder – und das machte sich im Geldbeutel bemerkbar. Besonders schlimm war es an Samhain. Da schienen die Leute alle guten Manieren zu vergessen. Hinter der Maske von diversen Gnomen, schwarz gekleideten Hexen oder anderen Kostümen führten sie sich wild auf. Das hatte nichts mehr mit Abschrecken der Geister in einer Anderswelt zu tun. Das war einfach schlechtes Benehmen. Sie konnte von Glück reden, dass der Pub nicht demoliert worden war. Erin war nicht nur für sich alleine verantwortlich, sie beschäftigte fünf feste Mitarbeiter und einige Aushilfskräfte. Es war ein hartes Erbe, das der Vater ihr vermacht hatte. Mallow war ein kleiner Ort im Südwesten Irlands, rund 35 Kilometer nördlich der Stadt Cork. Wie gerne wäre sie damals in eine größere Stadt gegangen: vielleicht Dublin, oder auch nur nach Cork. Aber nein, sie musste in der Metzgerei helfen.

      Ihre jüngere Schwester Donna nahm das Recht für sich in Anspruch, eine Künstlerin zu sein. Verhätschelt und verzärtelt, das war sie schon immer gewesen. Dads Liebling, während Erin schon früh in der Metzgerei und auch im Wirtshaus helfen musste. Donna durfte ihren Hobbys nachgehen. So kam es, dass sie bereits in der 4. Generation das Gasthaus »Green Flower« führte. Heute wollte Erin nur noch nach oben in ihre Privatwohnung gehen und sich ins Bett legen, ihre Ruhe haben und schlafen. Samhain hatte ihr mehr zu schaffen gemacht, als sie zugeben wollte. Bevor sie wegdämmerte, fielen ihr die Worte ihres ehemaligen Lehrers ein. Samhain markiert den keltischen Jahreskreis, den Beginn der dunklen Jahreszeit. Ende Oktober, Anfang November würde sich das Tor der anderen Welt öffnen. Ein neues Jahr würde beginnen. Da sich die Menschen vor bösen Wesen fürchteten, mussten diese vertrieben werden. Nur der Tod war in der Lage, neues Leben zu erschaffen. Erin drehte sich ächzend um. Warum musste immer so übertrieben werden? Eine als Hexe verkleidete Person war auf einmal in ihrer Küche gestanden und hatte sie erschreckt. Wütend war ihr Kellner John dazwischen getreten. Die verkleidete Person hatte er am Kragen gepackt und vor Erin hingeschubst. Die Hexe entpuppte sich als verkleideter Mann. Er trug eine grüne Plastikfolie und hatte sich Efeu um Haare, Kopf und Hals gewickelt.

      »Ich habe ihn beim Klauen erwischt«, hatte John gemeint. »Ich rufe die Garda.«

      Dagegen waren die Samhain-Bräuche ja direkt noch harmlos. Jetzt setzte sich Erin im Bett auf, ließ den Tag Revue passieren. Drei junge Mädchen hatten Apfelschalen über die Schulter geworfen. Aus der Form, wie die Schalen gefallen waren, wollten sie Anfangsbuchstaben erkennen. Das sollte wohl der neue Partner sein.

      Normalerweise schaute sie immer noch bei ihrem Vater ins Zimmer, bevor sie schlafen ging, wenn sie unter dem Türspalt Licht sah. Der alte Herr hatte sich vollkommen ins Privatleben zurückgezogen. Solange er seine Zigarren rauchen konnte, täglich seine Sausages mit extra scharfem Senf bekam, war er friedlich. Heute war alles still. Erin überließ es ihrem Oberkellner John, die Kasse zu machen und abzuschließen. John war schon viele Jahre bei der Familie und zuverlässig.

      »Morgen ist auch noch ein Tag, ich will jetzt einfach an nichts mehr denken müssen.«

      Sie hatte sich ins Bett fallen lassen, die Nachttischlampe ausgeknipst und sich auf ihre Einschlafseite gerollt. »Sausages gehen aus, die muss ich morgen gleich als Erstes ordern, das darf ich nicht vergessen«, waren neben dem Samhain ihre letzten Gedanken, bevor sie sich dem wohligen Gefühl des Einschlafens hingab.

      Es war noch dunkel, als sie aufwachte. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an und sie spürte, dass sie zur Toilette musste. Barfuß tapste sie in Richtung Bad, ohne Licht anzumachen. Schlaftrunken ging sie weiter in den Gastraum, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Nur das schwache Licht einer Laterne leuchtete in das Lokal. Erins Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Es roch seltsam.

      Sie wollte gerade einen großen Schluck aus der Wasserflasche nehmen, machte aber einen Satz auf die Seite. Vor ihr stand jemand, den Rücken gekrümmt, das Gesicht nach unten gebeugt. Mit einem erneuten Satz rückwärts schrie sie vor Schreck auf. Was war hier los? Es kostete sie Überwindung, das Licht anzuknipsen. Ein Mann war da – in gebückter Haltung. Das Gesicht lag auf dem Rost.

      Hellwach war Erin nun. Nicht zum ersten Mal beglückwünschte sie sich, dass sie auf einem stationären Telefon beharrt hatte. Wie oft kam es vor, dass sie ihr Mobiltelefon irgendwo hinlegte und es dann nicht gleich fand. In der Gaststube sollte so etwas nicht vorkommen. Man musste immer wieder mal telefonieren, ein Taxi oder den Krankenwagen rufen oder die Garda – so wie jetzt.

      Der Kommissar wirkte trotz der frühen Stunde – drei Uhr – hellwach. »McCarty« hatte er sich kurz vorgestellt, ohne Titel, ohne Schnörkel, nur »Wo ist die Leiche?«

      Innerhalb kürzester Zeit wimmelte es von Menschen in weißen Overalls, die gewichtig Spuren sammelten.

      Erin war fassungslos. Sie identifizierte den Toten als ihren Oberkellner John Walter. Er war mit aller Gewalt auf den heißen Rost gedrückt worden. Längsrillen hatten sich tief in sein Gesicht eingebrannt. Auch die Hände waren schwarz, gerade so, als hätte sich John am Gitterrost festgekrallt. Zu seinen Füßen lag eine Stahlbürste.

      »Wahrscheinlich wollte er den Grill noch sauber machen. Ich habe das nicht mehr geschafft. Ich fasse es nicht. Wer kann so etwas getan haben? Hat es vielleicht mir gegolten?«

      »Wie kommen Sie darauf, Mrs. Sullivan?«

      »Ich habe heute früher Schluss gemacht, weil ich so kaputt war, Samhain hat mich geschafft. Ich habe John gebeten, den Rost zu reinigen und die Kasse abzurechnen. Er war damit auch für das Zusperren des Ladens verantwortlich. Ich mache das sonst normalerweise. Vielleicht wollte jemand die Kasse klauen oder mich …?« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.

      McCarty winkte einem jungen Mann. Leise sprach er, sodass Erin nichts verstand.

      Er wandte sich wieder Erin zu: »Das können wir ausschließen. Die Tasche mit den Einnahmen ist gefunden worden. Hm, erzählen Sie mir etwas über Ihren Oberkellner.«

      »Er

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