Regensburg am Schwarzen Meer. Daniel Weißbrodt
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Das Regencape ist eine leuchtendgelbe Plastikhaut und wenn ich die Ärmel hochkremple, dann sieht es von Weitem ganz bestimmt so aus als ob ich eine Schwimmweste trage, denke ich, als ich zum Schleusentelefon gehe und anrufe. Die Männer sitzen im Turm, wegen des Regens kommen sie nicht heraus und ich werde problemlos geschleust.
Am Abend lege ich am Ruderklub Linz an und trage das Gepäck die Treppe hinauf zum Haus.
Im Garten liegen ein paar Boote im Gras, daneben stehen drei Zelte. Ich gehe ins Haus und sehe einen Mann in dem großen Saal, in dem unzählige Kajaks und schlanke, hölzerne Ruderboote auf langen Gestellen liegen, die bis zur Decke reichen.
»Hallo«, sage ich. »Ich wollte fragen, ob ich hier übernachten kann.«
»Auf der Wiese, neben den anderen Zelten. Die Übernachtung kostet fünf Euro und die Duschen sind da hinten«, sagt er und deutet auf eine Tür. »Jetzt haben wir viel Platz. Es sind nur ein paar Camper hier. Vor drei Wochen war die TID bei uns, da war alles belegt. Das ist immer ein fester Termin, Anfang Juli kommt die TID.« Die TID, die Tour International Danubien, findet seit 1956 statt und ist die längste Kanu- und Ruderregatta der Welt. Jedes Jahr starten Ende Juni mehr als hundert Teilnehmer in Ingolstadt und fahren nach Sfântu Gheorghe am Schwarzen Meer. Dabei legen sie täglich Strecken von dreißig bis sechzig Kilometern zurück und Mitte September erreichen sie ihr Ziel.
»Und du«, fragt er und sieht mich an. »Warum fährst du allein? Warum fährst du nicht mit der TID?«
»Ich glaube«, sage ich, »dass man in einer Gruppe weniger mit den Leuten in Kontakt kommt als allein. Und ich möchte wissen, wie die Menschen entlang der Donau leben. Mich interessiert, was sie von ihren Nachbarn, die zehn, hundert oder tausend Kilometer entfernt leben, wissen. Ob die Donau sie verbindet.«
»Viel Glück«, sagt er und nickt. »Aber pass auf dich auf! Alleine ist es auch viel gefährlicher als in der Gruppe.«
Dann geht er.
DER REGEN HAT DIE DONAU anschwellen lassen. Um etwa zwanzig Zentimeter ist der Pegel über Nacht gestiegen und im Fluss treiben Zweige, Äste und ein ganzer Baumstamm. Das Wasser ist aufgewühlt und schlammigtrüb und scheint schneller zu fließen, aber es regnet nicht mehr und ich hole meine Sachen, steige ins Boot und fahre weiter.
Am rechten Ufer liegt ein Industriegebiet, ich fahre unter den Straßen- und Eisenbahnbrücken von Linz hindurch und das Wasser reflektiert das gelegentlich zwischen den Wolken durchscheinende Sonnenlicht in hellen Flecken an die Unterseite der stählernen Konstruktionen.
Nach zwei Schleusen – das Regencape geht auch heute beide Male problemlos als Schwimmweste durch – und 53 Kilometern erreiche ich am Abend Grein, ein kleines Städtchen in der Bucht einer Flussbiegung. Hinter dem Ort erheben sich bewaldete Berge und am gegenüberliegenden Ufer stehen Felsen.
Im Yachthafen lege ich an und gehe den Hügel hinauf zu einem Haus, vor dem zwei Männer und eine Frau auf der Terrasse sitzen. Sie sind etwa fünfzig Jahre alt, sie tragen teuer aussehende Segelkleidung, wollene Markensweatshirts und helle Hosen, und vor ihnen steht eine Flasche Wein auf dem Tisch.
»Ah, an Kanute!«, sagt einer der Männer, »Wuist hia übanachtn? Drinn lieagt a Listn, troag di ein«, und er deutet auf das Haus. Ich gehe hinein, schreibe meinen Namen in das Buch und werfe zwei Euro Liegegebühr in die Kasse. An der Wand hängt eine große Karte des Stromsystems der Donau und ich suche Grein. Ganz oben links finde ich die Stadt. Obwohl ich heute bereits den achten Tag gefahren bin und schon mehr als dreihundert Kilometer zurückgelegt habe, sieht das Stückchen Fluss zwischen Regensburg und Grein auf der Karte ganz klein und unbedeutend aus.
»Setz di«, sagt der Mann, als ich wieder herauskomme, stellt ein viertes Glas auf den Tisch und sieht mich fragend an. »Du trinkst do aan mit?«
»Kumm«, sagt die Frau, als ich zögere, »sei ned fad«, und deutet auf einen Stuhl.
»Seid ihr aus Grein?«, frage ich sie und setze mich.
»Naa, wia san aus Wien. Siagst des Schinackl da untn?«, sagt der Mann und deutet auf eine große Yacht. »Des is meins.« Wir sitzen auf der Terrasse, die Sonne geht langsam unter und die Felsen und Berge des gegenüberliegenden Ufers leuchten im Abendlicht.
»Grein hot den scheenstn Hafn in gonz Österreich«, sagt der Mann. »Deswegen kumman wia a imma wiada da hea und net nur wia. Nach Grein kumman sogoa Australier und Amerikaner, weus da scheenste Uat an da gonzn Donau überhaupt is. Host da den bestn Platz ausgsuacht, denst überhaupt findn konnst«, sagt er.
»Und du bist gonz allaan unterwegs?«, fragt die Frau. »Host denn goa ka Angst?«
»Nein«, sage ich, »nur manchmal.«
Die Männer lachen.
»Was wuist überhaupt weiterfoahrn? Was wuist bei de Tschuschn?«, sagt der eine. »Bleib do, hia is eh am scheenstn«, und der andere nickt.
»Nackert wird er wiedakumma«, sagt er. »Amoi war i in Pressburg, waaßt no, und gleich hams ma den neichn Wagn gstohln.«
»Audi ist eh a Kraxn, BMW hat vui mehr Sicherheit. Den knackns da ned so leicht.«
»Geh weida, Oida, doch ned beim Fünfa, do is da A6 vui bessa!« Der Mann winkt ärgerlich ab und die Frau stellt einen Karton mit Kräuterschnapsfläschchen auf den Tisch. Jeder der drei nimmt sich eins und dann halten sie mir die Kiste entgegen.
»Ich weiß nicht«, sage ich. »Von Schnaps werde ich immer so schnell besoffen.«
»Sei ned fad«, sagt die Frau und die Männer lachen.
»Kumm, los! Du waast da erste Deutsche, den i kennenlern, da kaan Schnaps trinkt!«, sagt der eine und ich nehme ein Fläschchen. Kurz darauf holt der Mann erneut den Karton hervor. Er sieht mich eindringlich an.
»Dass du di desmal a ned ziarst«, sagt er.
Eine Stunde und etliche Schnäpse später bedanke ich mich, gehe zum Zelt und lege mich in den Schlafsack. Mir ist ein bisschen schwindlig. Nein, mir ist nicht schwindlig, ich bin einfach nur ziemlich besoffen.
AM MORGEN HÄNGEN dicke, graue Wolken zwischen den Bergen, ich habe einen Kater und es regnet. Ich ziehe das Regencape über, schließe die Spritzdecke und fahre trotzdem los.
Immer wieder fahre ich ein Stückchen und mache zwischendurch lange Pausen, sitze am Ufer unter einem Baum und warte. Am Abend erreiche ich nach gerade einmal 23 Kilometern Ybbs. Unterhalb der Schiffswerft führt ein Kanal in den geschützt hinter einem Steinwall liegenden Hafen und ich mache an einem Steg fest, nehme meine Sachen und gehe in den Ort. Am Kanuklub, steht im Wasserwanderführer, gäbe es Übernachtungsmöglichkeiten. Es regnet noch immer, ich bin völlig durchnässt und vielleicht kann ich ja sogar im Haus übernachten, denke ich, denn bei diesem Wetter möchte ich nicht unbedingt im Zelt schlafen.
Das Haus sieht aus wie