Das Erbe der Burgherrin. Sabine Müller
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Читать онлайн книгу Das Erbe der Burgherrin - Sabine Müller страница 3
„Aber Eure Schwiegermutter wird das nicht gutheißen, Herrin!“
„Sie muss es ja nicht erfahren.“
Mechthild schnappte sich den Beutel mit Essen, den Emma zusammengeschnürt hatte, und beeilte sich zum Burgtor zu gelangen. Emma sah ihr nach und schüttelte den Kopf. Hoffentlich passierte nicht doch noch etwas.
„Mama, Mama, wo bleibst du denn?“, empfing Arnold seine Mutter ungeduldig.
„Emma hat ein bisschen länger gebraucht. Aber jetzt können wir los!“
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg am Ritterübungsplatz vorbei, der kurz nach Mittag immer verlassen da lag. Mechthild hatte keine Lust von einem Ritter begleitet zu werden, der möglicherweise die ganze Zeit den Kopf darüber schüttelte, dass sie als Gräfin mit ihrem Sohn im Wald spielte und sang. Die Frühlingssonne wärmte die Luft angenehm und die ersten Vögel zwitscherten. Bald würden die Büsche und Bäume ergrünen. Mechthild sog begeistert die Luft ein. Überall roch es nach Frühling.
„Sieh, dort vorne sitzt ein Hase!“, flüsterte Arnold und schlich leise in die Richtung des Nagetiers. Der Hase richtete sich auf, schnupperte kurz und ergriff hakenschlagend die Flucht, als er die Witterung der beiden aufnahm.
„Schade! Der sah so putzig aus, als er Männchen gemacht hat.“
„Jetzt, wo das Wetter wärmer wird, werden wir noch oft Gelegenheit haben, einen Hasen zu beobachten.“
Sie wanderten über die Bergnase und der Wald wurde dichter.
„Hätte ich doch nur ein Messer mitgenommen, dann könnte ich mir einen Stock schnitzen!“
„Da hast du aber Glück, dass deine Mutter an alles gedacht hat!“
Mechthild löste den kleinen Dolch, den sie immer bei sich trug, von ihrem Gürtel und reichte ihn dem Jungen.
„Danke!“, rief dieser erfreut und suchte sich gleich einen geeigneten Zweig, den er mit dem Messer bearbeiten konnte. Mit angestrengtem Gesicht schabte er mit dem Dolch über das Holz, bis das Ende des Steckens ganz spitz geworden war. Dann ritzte er vorsichtig ein Zickzackmuster in die Längsseite.
„Siehst du, wie spitz er geworden ist? Man kann ihn nicht nur zum Abstützen, sondern auch als Speer für die Jagd benutzen! Den muss ich unbedingt Vater zeigen!“
Mechthild fuhr andächtig über die Spitze.
„Ja, der ist richtig gut geworden, aber bis du mal zur Jagd gehst, dauert es noch ein Weilchen.“
„Vater hat gesagt, ich dürfte nächstes Jahr schon mit und mit meiner Armbrust schießen!“
Graf Konrad hatte seinem Sohn eine kleine, kindgerechte Armbrust anfertigen lassen und der Junge übte voller Stolz damit. Er stellte sich genauso geschickt an wie sein Vater und Großvater vor ihm.
„Jetzt lass uns erst einmal weiter zur Merburg gehen.“
Es dauerte nicht lange, bis sie zu den Felsen oberhalb des Fischweihers vor der Ruine gelangten.
„Mit dem vielen Moos sehen diese Felsen ganz weich aus!“
Arnold setzte sich auf den größten der Felsen und ruhte sich kurz aus. Auch Mechthild nahm Platz.
„Wusstest du, dass hier, vor langer Zeit, dein Onkel Simon bei einer Jagd ums Leben gekommen ist?“
„Hier auf diesen Felsen?“
„Nein, dort unten. Aber auf diesen Felsen hat der Knecht von Simons Vetter gelegen und ihn mit einer Armbrust erschossen.“
„Aber das ist ja entsetzlich! Warum hat er das getan?“
„Simons Vetter Walther wollte Graf von Homburg werden und wurde es später auch, bis man hinter sein falsches Spiel gekommen ist und erkannt hat, dass dein Vater der wahre Graf ist.“
„Das hört sich spannend an. Erzählst du mir genau, wie das war?“
„Vielleicht später einmal. Komm, wir gehen weiter.“
Arnold sprang auf und rannte zum Weiher. Bevor Mechthild etwas sagen konnte, hatte er sich seiner Lederschuhe entledigt, die Beinlinge hochgezogen und watete durch das seichte Wasser.
„Aber Arnold! Es ist doch noch viel zu frisch!“
„Vielleicht kann ich mit meinem Speer einen Fisch fangen!“
Der Junge watete durch das Schilf am Ufer und spähte angestrengt ins Wasser. Als er einen kleinen Fisch entdeckte, blieb er ganz ruhig stehen, kniff die Augen zusammen und hielt die Luft an. Blitzschnell stach er mit dem Speer zu, doch der Fisch war noch schneller und verschwand.
„Schade, beinahe hätte ich ihn erwischt! Dann hätte Emma uns Fisch braten können!“
„Das hätte bestimmt für die ganze Burg gereicht“, scherzte Mechthild.
Auch seine nächsten Versuche scheiterten. Arnold stieg aus dem Wasser und rannte durch die Wiese, bis seine Füße wieder trocken waren. Als er endlich genug davon hatte, gingen sie hinüber zur Burgruine. Dort band Arnold sein Holzschwert ab und begann wild gegen unsichtbare Feinde zu kämpfen. Mechthild setzte sich auf die Mauerreste und sah ihm zu. Wie würde es sein, wenn das neue Kind erst da wäre? Hätte sie dann überhaupt noch Zeit für Arnold? Ihre Spaziergänge im Wald würden seltener werden. Auch ließe sie Margareta hochschwanger überhaupt nicht mehr alleine ziehen. Aber bis dahin war noch Zeit. Vielleicht sollte sie noch warten, bevor sie von ihrer Schwangerschaft berichtete. Dann könnte sie noch ein wenig ihre Freiheit genießen.
Mechthild packte das Brot und den Speck aus. Sie schnitt beides in Stücke und rief dann:
„Ist da vielleicht ein hungriger Ritter?“
„Ja, gewiss!“
Arnold kam angerannt und ließ sein Schwert auf den Boden fallen. Er setzte sich zu Mechthild auf die Mauer und ließ es sich schmecken.
„Hm! Draußen an der frischen Luft schmeckt es immer am besten!“
Arnold langte reichlich zu. Er biss immer abwechselnd von Brot und Speck ab und musste fest kauen.
„Aua! Oh, sieh mal - mein Zahn!“
Arnold hielt Mechthild überrascht den kleinen weißen Milchzahn entgegen.
„Tatsächlich! Der erste Wackelzahn ist draußen! Mein kleiner Junge wird groß!“, Mechthild lächelte und betrachtete anerkennend den Zahn.
„Das müssen wir unbedingt Vater erzählen! Jetzt muss er mich auf die nächste Jagd mitnehmen! Komm wir gehen gleich zurück!“
Arnold war zu aufgeregt, um noch weiter zu essen. Mechthild packte alles zusammen und dann traten sie den Rückweg an. Arnold hatte den Zahn behutsam in seinen Beutel verstaut und begann begeistert Jagdlieder zu singen. Auch Mechthild stimmte mit ein. Als sie den Ritterübungsplatz erreichten, wo die Grafen gerade mit den Rittern übten, schaute Konrad erstaunt auf und kam ihnen