Streben nach der Erkenntnis. Klaus Eulenberger

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Streben nach der Erkenntnis - Klaus Eulenberger

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du nicht, Klaus. Eigentlich schade, dass du nicht so hübsch geworden bist.“ Ich machte mir aber darüber nie einen Kopf oder wäre gar beleidigt gewesen. Es interessierte mich einfach nicht. Feststellen musste ich aber, dass Mama später, als ich erwachsen war, mehrfach erstaunt sagte: „Du bist ein sehr hübscher junger Mann geworden, Klaus, zum Verlieben. Das hätte ich nie gedacht, wo du doch als Kind gar nichts in dieser Richtung geboten hast.“

      Bis auf Tante Friedel, die sich gut in das bäuerliche Geschehen einfügte, und eventuell noch Oma, war für alle anderen die Arbeit auf dem Hof hier ein Laienspieltheater. Bevor sich unsere für die landwirtschaftliche Arbeit offensichtlich ungeeignete Großfamilie auf dem Bauerngut auflöste, bekam sie sogar noch kurzfristig Zuwachs. Zusätzlich zu meinem Vater kam auch Onkel Herbert, Friedels Ehemann, in unsere Gemeinschaft. Sie schauten sich auf dem Gut um und halfen mit Rat und Tat da, wo es Not tat. Eigenartigerweise hatte mein Vater großes Interesse an den Schweinen gefunden. So schleppte er mit sichtlicher Freude die gedämpften Kartoffeln, mit Kleie und Milch versetzt, in den Schweinestall und rief schon beim Eintreten „Hey, hey, ihr Säue und Leckermäuler. Batsch, batsch, es gibt wunderbares Feinschmeckerfutter.“ Dann schüttete er sein Gourmetessen in die bereitstehenden Tröge und ergötzte sich königlich über das Geschmatze, Gerülpse und Geschnorchel der Säue.

      Bei ihrem Antrittsbesuch besuchten die beiden Neuen auch Tante Erika in ihrem Zimmer. „Welches Kind schreit denn so, Erika?“, erkundigten sie sich. „Macht euch nur keinen Kopf – das ist mein Sohn Helmut. So einen Schreier hatte ich noch nie. Na ja, da wird die Lunge kräftig.“ Die beiden nahmen es zur Kenntnis, sprachen noch über dies und jenes mit Erika und verabschiedeten sich dann. Ihnen ließ aber das erbärmliche Schreien des kleinen Kerlchens keine Ruhe. Spontan gingen beide in das Weinzimmer und sahen, wie sich das Baby mit hochrotem Kopf hin und her wälzte, heulte und winselte. Die beiden waren sich sofort einig. „Komm, Herbert, wir wickeln es aus!“

      „Ist doch klar, Herbert.“ Sie wickelten und wickelten – der Kleine schaute aufgeschreckt, aber interessiert zu. Das Wimmern nahm ab. Das Baby lag in der eigenen Kacke und da das offensichtlich noch nicht genügte, war auch schöne, gelbe Pinke dabei. Von beiden Ausscheidungen war die zarte Babyhaut knallrot und schon richtig zerfressen. „Das kann ja wohl nicht wahr sein, Herbert!“ Wer das zu wem sagte, war absolut unwichtig, denn erstens waren sie sich in der Sache einig und zweitens hießen sie bekanntermaßen beide Herbert. „Wie kann eine Mutter so herzlos sein – es ist nicht zu begreifen!“ Die beiden entfernten die aggressiven Medien inklusive Windel, säuberten, wuschen nach, trockneten und schauten sich fragend an. „Hier muss irgendwie Creme oder etwas anderes zur Heilung darauf!“

      „Ist auch meine Meinung!“ Einer von den beiden Herberts strahlte und rief laut: „Ich habe hier etwas gefunden und zwar Kinderpuder für den zarten Popo – haben wir ein Glück! Ich kenne nämlich die alte Grundregel, Herbert, die da lautet: Auf eine feuchte Wunde kommt trockenes Puder – auf eine trockene Wunde Creme.“ Nun kam die größte Hilfsaktion. Sie puderten und zuckerten mehrfach. Der kleine Bullermann wurde zwischen Daumen und Zeigefinger sanft hochgehoben und das komplette, kleine Nachwuchsgerät wurde, links und rechts, unten und oben, genauso sorgfältig behandelt wie das übrige zarte Hinterviertel des Babys. Während dieser Aktion hatte das Flehen des zarten Helmut längst aufgehört und war regem Interesse gewichen. Es war schon interessant, wie zwei erwachsene Männer, es waren schließlich sogar Väter, sich so um den kleinsten Nachwuchs kümmerten. Als die Puderaktion mitten in ihrer stärksten Phase war und eben die Aktion mit dem sanften Hochheben zwischen Daumen und Zeigefinger ablief, war nicht nur Interesse vom Baby vorhanden. Nein, es zwitscherte, lachte fröhlich und dankbar in die Gesichter der beiden Helfer. Dabei drehte es begeistert das Köpfchen hin und her und schlug mit den kleinen Ärmchen um sich, dass es nur so eine Freude war, zuzuschauen.

      Mit strahlenden Gesichtern gingen die beiden Helfer von dannen. Allerdings schüttelten sie auch die Köpfe und ein Herbert sagte: „Meine Mutter hat immer zu mir gesagt, dass der mütterliche Trieb über die Gene so stark ist, dass es nie im Leben etwas Fürsorglicheres gibt als eine Mama für ihren Nachwuchs. Offensichtlich hat hier die Geneübermittlung versagt. Sie las in einer Illustrierten, während ihr Baby nach ihr schrie.“

      „Herbert, halten wir ihr doch mal Folgendes zugute – daneben lag auch Strickzeug!“

      Alle Familienväter, außer Oma, Opa und Tante Frida, die sich schon zur Ruhe gesetzt hatte, bemühten sich um eine gesicherte Zukunft außerhalb unseres Bauerngutes – zukünftige Arbeit, Wohnung, eben um eine möglichst sinnvolle Bleibe mit ordentlicher Arbeit und Sicherheit für die kommende Zeit. Am schnellsten in diesem Bemühen war wieder einmal Onkel Heinrich. Er hatte eine Anstellung in Zwickau als Verantwortlicher – oder vielleicht auch schon damals so genannter Amtsleiter für Tiefbau – erreicht. So rasch wie ihm das gelungen war, war auch die komplette Familie, inklusive Tante Marie, Nachwuchs Elisabeth und Helmut, von dem sicheren Bauernhof verschwunden. Auf alle Fälle waren diese sechs Jahre auf dem Gut eine Rettung für uns alle in schweren Kriegs- und Nachkriegszeiten. Wenn ich heute an diesen Abschied zurückdenke, macht mich das schon ziemlich traurig. Viele Jahre hatte uns dieses Anwesen unter Leitung von Hilfsbauer Alfred Straßburger, meinem Opa, Zuflucht, Nahrung, Schutz und familiäre Gemeinschaft geboten. Für mich war besonders angenehm, dass ich damit Cousins und andere Freunde um mich hatte, mit denen ich spielen und irgendetwas unternehmen konnte. Nun hatte es ausgedient – es hatte seine Pflicht erfüllt und – wurde weggeworfen. Alle suchten etwas Neues, Besseres, entsprechend ihres Könnens und ihren Wünschen Geeigneteres. Verständlich war das schon. Onkel Heinel war Bauingenieur, mein Vater Kaufmann, Ei Gott, bei Onkel Herbert weiß ich das gar nicht so genau. Auf alle Fälle war keiner der Taugliche für die Bestellung von Feldern, Getreideanbau und die Viehwirtschaft.

      Tante Frida hatte sich schon seit einigen Jahren aufs Altersteil zurückgezogen. Sie hatte ihre Bleibe im ersten Stock des Wohnhauses ganz außen am Giebel der Südseite, da, wo wir immer nach knochenharten Brötchen und nach dem Doktorbuch fahndeten. Ähnlich gestaltete sich der neue Wohnraum für Oma Martha und Opa Alfred. Allerdings zogen sie im ersten Stock genau auf die entgegengesetzt andere Seite und zwar den Giebel Nord. Zwischen beiden Wohnungen war ein Abstand von (Gott sei Dank, wie sich später herausstellte) weit über 25 Metern. Sie hatten beträchtlich mehr Wohnraum als Frida, na ja, sie waren auch zwei Personen. Oma und Opa hatten auf der einen Seite des Ganges zwei Zimmer und auf der anderen Seite die Stube und daneben eine längliche Küche. Die zwei nebeneinanderliegenden Zimmer wurden als Schlafzimmer genutzt, wobei Oma behauptete, sie könne mit Opa niemals in einem Zimmer schlafen. Es würde immer klingen, als wenn eine Rotte Waldarbeiter mehrere Hektar Wald zersägen würden. Opa wurde von ihr immer mehr in die kleine Küche gedrängt, wo er sich aufzuhalten hatte – bis auf den Zeitraum, wo sie dort den Ofen fürs Kochen und die Schränke für das Geschirr benötigte. Da kein fließendes Wasser vorhanden war, musste Opa ran. „Alfred, immer muss ich dich auffordern und dann noch hundertmal erinnern, dass du Wasser holen musst. Und zwar mindestens zwei Eimer und zwar – sofort – auf der Stelle!“ Opa stöhnte meist, zündete sich erst einmal umständlich seine Tabakspfeife an und entgegnete: „Gemaaach, gemaaach, Maaaarrrrtha – du kommst mir immer wie ein Feldwebel oder, besser noch, ein General, vor. Die kommandieren genauso rabiat wie du und lassen einen nicht einmal so ein kleines Bedürfnis erledigen wie die Pfeife mit Tabak zu füllen und anzuzünden. Wir haben ja auch nicht mehr so viel toll Schönes auf dieser Welt zu erwarten – da lass mir doch die kleine Freude. Ich lass dir doch auch deinen Willen, wenn du heimlich vom geräucherten Schinken isst bzw. wenn du, falls ausnahmsweise einmal vorhanden, dein Lieblingsessen saure Heringe in dich hineinschlürfst. Hinzu kommt, dass mir zwei Eimer Wasser auf einmal zu viel sind – das packe ich bei dieser verflucht steilen Treppe vom Erdgeschoss hier hoch nicht mehr. Nur, wenn ich meine letzten Körner mobilisiere. In einer Stunde kommt doch der Herbert, vielleicht kann er das für uns erledigen.“

      „Du

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