Unbrauchbar?. Steven Furtick
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Diese drei Begriffe – Identität, Schwäche und Veränderung – werden im Laufe des Buches immer wieder vorkommen, weil sie unmittelbar damit zu tun haben, fähig und qualifiziert zu sein.
Die drei haben eine Art zyklische Beziehung zueinander, die so funktioniert: Ich kenne mein „wahres Ich“ – meine Identität – nur zu gut. Ich weiß, dass ich viele Schwächen habe, was bei mir das Gefühl hervorruft, nicht qualifiziert zu sein. Ich versuche also, mich zu ändern und meine Schwächen zu beheben, aber schon bald macht sich die Realität bemerkbar. Ich merke, dass ich mich nicht selbst in Ordnung bringen kann, mit der Folge, dass meine Identität noch mehr leidet und ich mich noch weniger qualifiziert bzw. noch unfähiger fühle. Solange ich auf meine mangelnde Qualifikation nur mit noch mehr Anstrengung reagiere, sitze ich in einem Teufelskreis fest.
Macht bei Ihnen Ihr Versagen manchmal einen dermaßen heftigen Lärm, dass Sie Ihre Möglichkeiten und Chancen gar nicht mehr wahrnehmen? Sabotieren Ihre Selbstzweifel manchmal einen möglichen Erfolg schon, bevor Sie überhaupt zur Tür hinaus sind?
Die Kluft zwischen dem Menschen, der wir sind, und der Aufgabe, die wir gern bewältigen möchten, kann sich unendlich groß anfühlen, und am Ende stellt sich die Frage: Bin ich dafür eigentlich qualifiziert?
Um es gleich vorwegzunehmen – die Frage an sich ist nicht das Problem. Natürlich sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie für eine Aufgabe qualifiziert sind. Besonders dann, wenn Sie ein Flugzeug lenken oder Menschen am offenen Herzen operieren. In dem Fall überprüfen Sie bitte auf jeden Fall ganz genau Ihre Ausbildung, Ihr Wissen und Ihre Erfahrung. Man wird es Ihnen danken. Und es gibt ganz sicher auch ethische und moralische Standards, die nicht nur im geistlichen Dienst, sondern auf allen Gebieten gelten und aufrechterhalten werden sollten.
Wenn es aber um eher subjektive Fragen geht, dann vergessen Sie nicht, dass Ihre eigene Einschätzung nicht unfehlbar ist.
Und vielleicht – nur vielleicht – überschätzen Sie ja auch Ihre Unzulänglichkeiten und unterschätzen Ihre Gaben. Vielleicht ist ja die Tatsache, dass Sie die Erwartungen anderer oder ihre eigenen nicht erfüllen, gar kein K.o.-Kriterium. Vielleicht möchte Gott ja gerade etwas tun, das außerhalb Ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten liegt, und lässt sich durch Ihre Grenzen und Ihr Versagen viel weniger einschüchtern als Sie selbst.
Je mehr ich mich damit beschäftige, was die Bibel zu diesem Thema sagt, desto überzeugter bin ich, dass wir ein umfassenderes Verständnis von uns selbst und von Gott brauchen und dass wir unserer eigenen Meinung über unsere Schwächen und Probleme nicht zu viel Gewicht beimessen sollen.
Das Gefühl, nicht qualifiziert zu sein, führt nämlich oft zu einem sonderbaren Verhalten. Wir tun so, als bekämen wir alles bestens geregelt, obwohl gerade alles zusammenbricht. Oder wir glauben, dass alles zusammenbricht, obwohl gerade alles wieder zurechtkommt. Ständig vergleichen wir, und wir manipulieren und intrigieren, weil wir glauben, dass Tricksen die einzige Möglichkeit ist, das zu bekommen, was wir haben wollen.
Unsicherheit, Vergleichen, Manipulieren, Vortäuschen – das alles sind Folgen eines falschen Verständnisses davon, was es bedeutet, von Gott bejaht und qualifiziert zu sein.
Doch Gottes Lösung für unsere Defizite besteht gar nicht unbedingt darin, sie zu beheben. Wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, hat er eine viel bessere Idee.
Paradoxer Glaubensvater
Einer der dramatisch unqualifiziertesten biblischen Helden, den ich mir vorstellen kann, ist Jakob. Ich habe mich vor einer Weile bei der Vorbereitung einer Predigtreihe sehr intensiv mit seinem Leben beschäftigt, und dann kam mir wie aus dem Nichts ein ebenso erschütternder wie ernüchternder Gedanke:
Gott kann die Person nicht segnen, die man nur vorgibt zu sein.
Bevor mir dieser Gedanke kam, hatte ich mich gefragt, wieso um Himmels willen ich beschlossen hatte, fünf Wochen lang ausgerechnet über diesen paradoxen Glaubensvater zu predigen. Es stellte sich nämlich heraus, dass er der komplizierteste biblische Antiheld war, mit dem ich mich je befasst hatte. Die meisten Geschichten, in denen Jakob eine Rolle spielt, sind wie eine Folge aus der Serie Die Sopranos – man weiß nicht, zu wem man halten soll, weil einer so verkorkst ist wie der andere. Wie in der Situation, als Jakobs Onkel ihn betrunken macht und Jakob daraufhin in seiner Hochzeitsnacht aus Versehen mit der falschen Frau schläft.
Jakob war ein Lügner, ein Betrüger, ein Trickser, ein Gauner und ein Hochstapler. Einen Großteil seines Lebens wurde er von den Konsequenzen eigener schlechter Entscheidungen verfolgt und musste in dem Chaos leben, das er dadurch selbst verursacht hatte. Wenn also jemand die Bezeichnung „ungeeignet“ bzw. „unqualifiziert“ verdient hätte, dann Jakob. Er war nicht unbedingt der Typ, aus dem ordentliche Predigtgliederungen und Sonntagsschullektionen gemacht sind.
Und trotzdem wurde er von Gott erwählt, berufen und reich gesegnet. Und am Ende spielte Jakob sogar eine wichtige Rolle in Gottes Heilsplan für diese Welt. Er taucht in der Bibel als eine der wichtigsten und zugleich als eine der verkorkstesten Gestalten auf.
Als ich an jenem Donnerstagnachmittag über meiner Bibel und meinen Notizen saß, traf mich wie aus heiterem Himmel die Erkenntnis, dass ich in vielerlei Hinsicht ganz genauso bin wie Jakob. Wenn auch natürlich nicht annähernd so wichtig für den Lauf der Menschheitsgeschichte. Aus rein menschlicher Sicht bin ich ganz genau so unqualifiziert wie er, aber in Gottes Augen auch ganz genau so wertvoll und geliebt.
Ich merke oft selbst, dass ich mich – genau wie Jakob – verstelle und tue, als wäre ich jemand anders, weil mir so peinlich ist, wie ich wirklich bin. Das liegt daran, dass ich dann meine Schwächen für das Problem halte und glaube, die Lösung könnte darin bestehen, dass ich einfach so lange so tue, als wäre ich schon so, wie ich gern sein möchte, bis ich es schaffe, wirklich so zu sein.
Aber Gott kann ja niemanden segnen, der ich gar nicht bin. Er möchte mich so gern segnen, aber nur mein wahres Ich, mit all seinen Stärken und Schwächen und Widersprüchen.
Je intensiver ich mich mit der Geschichte von Jakob auseinandersetzte, desto klarer wurde mir, dass es Gott selbst ist, der dafür sorgt, dass wir qualifiziert sind für das, wozu er uns beruft. Jakob ist ein Paradebeispiel dafür, was für ein Durcheinander und heftige Verwicklungen durch persönliche Schwächen entstehen können, aber er ist auch ein spektakuläres Beispiel dafür, wie jemand es schafft – wenn auch erst gegen Ende seines Lebens –, seine Unzulänglichkeiten zu akzeptieren, über sie hinauszublicken und Gott zu vertrauen.
Erst als er das endlich tat, übernahm Gott. Er setzte Jakobs Grenzen außer Kraft und übertrumpfte selbst dessen Unfähigkeit.
Jakob war absolut und auf schmerzliche und spektakuläre Weise menschlich. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sein Leben mich so klar und deutlich anspricht. Ich kann mich besser in sein Versagen und in seine Fehlschläge hineinversetzen als in seine Heldentaten, und ich nehme an, dass es Ihnen nicht anders geht.
Was ich durch die intensive Beschäftigung mit Jakob gelernt habe, hat mein Denken radikal verändert, und deshalb werde ich in den letzten paar Kapiteln dieses Buches auch noch ausführlicher und detaillierter auf Jakobs Leben eingehen. Seine Geschichte ist nämlich ein faszinierendes Beispiel dafür, wie die Kraft Gottes in unserer Schwäche wirkt.
Letztlich hat Gott Jakob nicht trotz seiner Schwächen, sondern durch seine Schwächen befreit, gerettet, weiterentwickelt und neu ausgerichtet, und das Gleiche kann er auch