Chris Owen - Die Wiedergeburt. Matthias Kluger

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Chris Owen - Die Wiedergeburt - Matthias Kluger

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Kapitel 4: Vorbereitung auf das Familienfest

       Washington, D.C., Dezember 2015

      Marc Haskins besuchte mit seiner Frau Janette und Tochter Lea seine Schwägerin Sandra. Diese bewohnte mit ihrer einjährigen Tochter Meira, ihrem Bruder Elias und ihrer Mutter Rachel eine imposante Villa in Washington, D.C. Gemeinsam hatten sie beschlossen, das Weihnachtsfest im Kreise der Familie zu verbringen. Das erste Weihnachten nach Stephens Tod.

      Eine große, bunt geschmückte Tanne stand bereits inmitten des Wohnzimmers. Ebenso waren die Auffahrt wie auch sämtliche Fenster der Villa mit farbigen Lichterketten verziert. Im Dunkeln erinnerte das Anwesen an Disneyland.

      »Wann wollen Mom und Dad kommen?«, fragte Marc.

      »Morgen, gegen Mittag«, antwortete Sandra, die soeben eine Flasche selbst angerührten Eierlikörs öffnete.

      »Wie geht es dir?«, fragte Marcs Frau Janette zaghaft.

      »Ich vermisse Stephen, aber Meira und er hier«, Sandra deutete auf ihren Bauch, dem man allerdings kaum etwas ansah, »bringen mich immer wieder auf andere Gedanken.«

      »In welchem Monat bist du jetzt?«, wollte Janette wissen.

      »Ende des zweiten«, antwortete Sandra voller Stolz mit einem strahlenden Lächeln. Dabei blitzten die schneeweißen Zähne der Afroamerikanerin.

      »Na, dann werden wir im Sommer mächtig was zu feiern haben«, freute sich Marc, während Janette verwundert die Stirn runzelte.

      Lea kam laut lachend hereingestürmt und hätte beinahe ihren Onkel Elias in dessen Rollstuhl umgerannt. Hinter Lea schnaufte Oma Rachel, der bei dem Tempo, in dem sie das kleine Mädchen verfolgte, die Luft ausging.

      »Erste«, rief Lea überglücklich und ließ sich auf die Couch fallen.

      »Was machst du, wenn das Kind da ist?«, fragte Janette ihre Schwägerin.

      »Es lieben, Janette, wie Meira, abgöttisch lieben. Mache ich jetzt schon. Stephen wäre so stolz darauf gewesen. Und dann sind ja noch Rachel und Elias da, die mir helfen können. Und ihr, hoffe ich.« Sandra grinste.

      »Da kannst du Gift drauf nehmen. Sobald der Nachwuchs laufen kann, nehmen wir ihn mit ins Fitnessstudio, oder, Elias?« Marc lachte seinen dunkelhäutigen Schwager und Geschäftspartner des eigenen Sportstudios an.

      »Klar«, prustete dieser, »wird sicher die oder der jüngste Bodybuilder unseres Landes. Sandra, stell dir nur vor, mit drei Jahren ebenso durchtrainiert und muskulös wie Schwarzenegger.« Elias hob den Arm und deutete auf seinen Bizeps.

      »Untersteht euch, ihr Irren. Nichts dergleichen. Ihr könnt babysitten, Talkshows schauen und dabei Chips essen.«

      »Das ist doch eher was für euch Frauen«, lachte Marc.

      Als es dämmerte, wurde Lea zu Bett gebracht, Meira schlief bereits in ihrem Zimmer. Der Rest der Familie verbrachte den Abend im Wohnzimmer; man saß auf dem Sofa, knabberte Plätzchen, trank Weißwein und unterhielt sich.

      »Ich habe das Gefühl, Lea hat sich gut von den Geschehnissen erholt«, mutmaßte Rachel an Janette gewandt. »Sie macht einen so fröhlichen und ungezwungenen Eindruck.«

      »Ja, zum Glück. Ihr Psychologe, Professor Collins, meint auch, sie habe den Anschlag in der Kirche extrem gut verkraftet. Dem natürlichen Verdrängungsmechanismus ihres Alters geschuldet, folgert er. Das Problem ist nur, dass man schwer einschätzen kann, ob in späteren Jahren ein Rückfall kommt.« Janettes Worte klangen besorgt.

      »Sei froh, Schatz, dass es so ist, wie es ist. Hätte viel schlimmer kommen können«, beruhigte Marc sie beiläufig, während er aufstand. Unterdessen platzierte Elias seinen Rollstuhl etwas abseits und sah fern. »Und, ziehst du dir Weihnachtsfilme rein?« Marc ließ sich in den Sessel neben Elias’ Rollstuhl plumpsen.

      »Nein, eben liefen noch die Nachrichten. Es ist wirklich deprimierend. Wir feiern Weihnachten, während überall um uns herum Terror und Kriege toben.«

      Marc zuckte merklich, da ihn Elias’ Worte an das Attentat in der Kirche von Charleston erinnerten, jenes grauenvolle Ereignis, bei dem sein Bruder Stephen ums Leben gekommen war. Sofort verwarf er den Gedanken wieder. Selbstschutz!

      »Hey, jetzt lass dich nicht so runterziehen! Alter, es ist Weihnachten.«

      »Mach ich schon nicht, aber es kotzt mich echt an, das alles zu sehen. Kinder, Frauen, Schwangere, Männer jeden Alters auf der Flucht. Millionen, die ihr Land verlassen, und unsere Truppen sind mittendrin.«

      »Doch lieber ein Weihnachtsfilm?«, schlug Marc vor, als seine Hand auf die Schulter des Schwagers sank.

      »Hast ja recht, auf Kanal 19 kommt Das Wunder von Manhattan

      Genau, die Dialoge kann ich schon mitsprechen, sann Marc.

       Kapitel 5: Der Schwarze Reiter

       Changchun, Nordosten Chinas, 1875

      Tian rannte neben seiner kleinen Schwester Lien zwischen den Buden des Marktplatzes, während sie einen Heidenspaß hatten, mit ihren Köpfen gegen die an Schnüren befestigten bunten Seidenschals zu springen. Aufgeregte Beschimpfungen der Budenbesitzer brachten sie noch lauter zum Lachen. Der große Markt war überdacht durch endlos gespannte Decken und Tücher, die angenehmen Schatten spendeten.

      »Komm rüber, Lien. Dort hinten ist der Stand.«

      Sie bogen in eine kleine Gasse und von Weitem roch man – neben den süßlichen Aromen der Gewürze, der Teesorten, des Obstes und Gemüses – den ekligen Gestank von ungekühlt liegendem Fisch und Fleisch.

      »Ihhh, Tian, das stinkt! Müssen wir da wirklich hin?«

      »Mutter hat uns Geld dafür gegeben und wenn wir ohne das Huhn heimkommen, reißt sie mir den Kopf ab.« Tian legte beide Hände seitlich an seinen Kopf und zog daran. Dabei verdrehte er die Augen und streckte die Zunge heraus.

      Lien prustete vor Lachen. »Aber du trägst das Huhn. Ich fass es nicht an!«

      Direkt vor dem Verkaufsstand angekommen, lief zwischen ihren nackten Füßen ein Rinnsal aus Wasser, vermischt mit dem Blut ausgenommener Tiere.

      »Sieh mal, Tian, die Fliegen.«

      Etwas nach hinten gerückt, befand sich eine offene Tonne, gefüllt mit Innereien und abgetrennten Fischköpfen, um die Tausende von Insekten wild herumschwirrten. Ein kleiner weißhaariger Chinese schnitt gerade mit flinker Messerführung einem Fisch den Bauch auf und zerrte Herz, Lunge und Darm heraus. Dabei betrachtete er lächelnd die beiden Kinder, die, halb staunend, halb sich ekelnd, vor ihm standen. »Na, Tian, was soll’s denn sein? Wieder Fischköpfe für die Suppe?« Die langen, wie Flusen herabhängenden weißen Barthaare zu beiden Seiten seiner Lippen tanzten, während er sprach.

      »Ja, und ein Huhn. Schön fett, hat Mutter gesagt.«

      Lien stieß ihren Bruder in die Seite, denn von den Fischköpfen hatte er nichts verraten. Sie hasste Fischsuppe. Zwar schmeckte diese, doch es würgte sie bei der Vorstellung,

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