Die Kleinen sind die Feinen. Otfried Schröck

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Die Kleinen sind die Feinen - Otfried Schröck

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Torfstich hinein und nach wenigen Metern wird der Schweißriemen schlapp und ich stehe vor der schon am Abend verendeten Sau. Was bin ich froh, dass ich mich durch die mahnenden Worte von „Fassmann“ trotz meines schweren Kopfes doch aufgerafft und die Nachsuche durchgeführt habe. Und wieder einmal muss ich erkennen: Der Hund hat immer recht!

      Es ist einer dieser heißen Spätsommertage, an denen sich das Wild gern in schattige, kühle Refugien zurückzieht. Aber gegen Abend zieht ein Gewitter herauf und ich bin beizeiten im schönsten und erfolgversprechendsten Teil meines Revieres, den beiden Torfstichen. Ungezählte Jagdfreuden habe ich hier allein, oft auch gemeinsam mit meiner Frau, vor allem aber mit meinen Rauhaarteckeln erleben dürfen. Die beiden Torfstiche liegen nebeneinander in der Wiese und enden etwa 80 Meter von der Waldkante entfernt. Zwischen ihnen blieb bei der Austorfung ein 20 bis 30 Meter breiter Streifen stehen, so dass nach der „Renaturierung“ zwei Einstände entstanden sind. Das Wild muss, wenn es von einem Einstand in den anderen ziehen will, den Wiesenstreifen dazwischen überqueren. Eine hohe Leiter, die ich auf Höhe dieses Streifens an der Waldkante errichtet habe, gibt mir die Möglichkeit, das Wild meist vor dem Austreten zu „verhören“. Aus Erfahrung ahne ich, wohin die Reise der Rotte oder des Rudels gehen könnte. So kann ich rechtzeitig abbaumen und dem Wild im Schutze eines Pirschweges, den ich parallel zur Waldkante im Bestand angelegt habe, den Weg abschneiden. Als wir noch mit Doppelflinte und Flintenlaufgeschoss jagten, war das eine ausgezeichnete Möglichkeit, durch welche sich die Aussichten auf einen jagdlichen Erfolg sehr verbesserten. So geschieht es auch an diesem Abend. Nach dem Gewitter am Nachmittag bin ich beizeiten vor Ort, weil ich aus Erfahrung weiß, dass das Wild dann meist früher als gewöhnlich auswechselt. Der Einstand im Schilf ist sicher pitschnass und ich hoffe auf einen guten Anblick und die Chance auf einen sicheren Schuss. Kaum bin ich angekommen und habe es mir auf meiner Leiter bequem gemacht, steckt ein Alttier Äser und Lauscher6 aus dem Schilf. Wo ein Alttier ist, da ist auch entweder ein Kalb oder ein Hirsch, denke ich. Im nächsten Moment stehen Alttier und Kalb in der Wiese, überqueren den Wiesenstreifen und ziehen in den anderen Torfstich. Ich ahne den Wechsel, den die beiden nehmen wollen und bin im Nu von meiner Leiter herunter, um das Wild auf dem Pirschsteig zu erwarten. Kurz vor dem Wald werde ich gerade noch auf das Kalb fertig, jedoch beide Stücke flüchten weiter.

      Ich kann aber noch erkennen, dass das Kalb den rechten Vorderlauf schont. Was tun? Ein auf Schweiß geprüfter und firmer hochläufiger Jagdhund, der auch eine Hetze meistern würde, steht im näheren Umkreis nicht zur Verfügung. Also entscheide ich mich, das Stück ausreichend krank werden zu lassen und am nächsten Morgen mit meinem schweißgeprüften Utz, der sich schon bei mehreren Nachsuchen bewährt hat, die Suche durchzuführen. Vorher muss ich aber noch den Jagdnachbarn informieren und um die Wildfolge bitten, weil die Jagdgrenze keine 100 Meter vom Anschuss entfernt ist.

      Am nächsten Morgen sind wir bei ausreichendem Büchsenlicht wieder vor Ort. Wir, das bin ich, mein Hund und ein befreundeter Jäger, den ich für den Fall mitgenommen habe, dass wir den Hauptwechsel in der Bergschäferei abstellen müssen. Die Fährte führt in den angrenzenden Waldbestand und wir überqueren bald die Jagdgrenze. Utz führt durchs Altholz einen Hang hinauf und dann in eine dichte Buchenverjüngung hinein. Unmittelbar vor uns springt plötzlich das Kalb ab; es hat uns bis zum letzten Moment ausgehalten, ist also wahrscheinlich schwer krank. Das Wundbett zeigt viel Schweiß und ich schnalle den Rüden umgehend, der sofort mit Hetzlaut abgeht. „Was soll ich tun, wenn das Kalb sich vor dem kleinen Hund nicht bald stellt“ geht es mir durch den Kopf. Aber wieder hilft mir die Geländebeschaffenheit. Das Kalb flüchtet immer parallel zum Hang, der sich zwischen dem Niedermoorgebiet und den angrenzenden Feldern auf der Hochfläche hinzieht. Wir laufen zu meinem auf dem Grenzweg abgestellten Trabbi zurück, fahren rund hundert Meter vor, steigen aus und hoffen, so den Verlauf der Hetze verfolgen zu können. Beim ersten Halt hören wir noch nichts, zweihundert Meter weiter ist jedoch Hetzlaut zu vernehmen und nach weiteren zwei bis dreihundert Metern hören wir anhaltenden Standlaut. Mein Freund fährt mit dem Trabbi bis zum nächsten Gestell vor, um den Hauptwechsel abzustellen und ich laufe eine Schneise entlang, die den Hang hinauf führt. Sie gibt mir die Gelegenheit, mich schnell dem Bail7 zu nähern. Vor mir sehe ich bald das sich stellende Kalb und den Standlaut gebenden Hund. Ich komme bis auf Flintenschussentfernung heran, bringe den Fangschuss an und das Kalb bricht zusammen. Mit dem Schuss zögere ich keine Sekunde, wenn auch die Versuchung groß ist, dem Hund noch eine Weile die Gelegenheit zu geben, Erfahrungen zu sammeln. Wehe, wenn sich das Stück aufgrund des Zögerns in eine ungünstigere Schussposition stellt, unbeschossen weiter flüchten kann und deshalb vielleicht verlorengeht.

      Während ich den Hund abliebele, die Waffe ist ausreichend außer Griffweite sicher abgestellt, kommt mir auf kurze Entfernung noch eine Sau entgegen, die der Standlaut und mein Schuss wohl unsanft geweckt haben. Aber – die Flinte steht am Baum und Diana hat mich ja bereits sehr ausgiebig beschenkt!

      Mit dem Hornsignal „Hirsch tot“ rufe ich meinen Weidgenossen herbei und er überreicht mir erleichtert über den guten Ausgang dieser Nachsuche den Bruch.

      Daraufhin beantrage ich bei der Zuchtleitung „Teckel“ das Leistungszeichen „Schweiß Natur“ für Utz, das mir auch bestätigt wird. Der verantwortliche Bearbeiter teilt mir aber in einem Begleitbrief mit, dass man eine Nachsuche auf ein laufkrankes Stück Rotwild nicht unbedingt mit einem Teckel durchführen sollte. Recht hat er, aber es ist noch einmal gut gegangen und ich bin stolz auf meinen Hund. Was aber nicht heißen soll, dass der Teckel für die Nachsuche auf ein laufkrankes Stück der richtige Hund ist.

      Die Länge der Nachsuche betrug insgesamt 1500 Meter, davon 500 Meter Riemenarbeit und 1000 Meter Hetze.

      Der Leser erinnert sich an den baumbestandenen Hang, der sich zwischen den Wiesen und der Barnim-Hochfläche entlang des Roten Luchs hinzieht. Er wird allgemein als die Bergschäferei bezeichnet, obwohl dieser Name eigentlich nur dem nahegelegenen ehemaligen Vorwerk zusteht. Im Tal die Wiesen und auf der Höhe die Felder machen diesen Hang zu einem vom Wild bevorzugten Einstand, da der Weg zur lockenden Äsung zu allen Jahreszeiten nach beiden Seiten nur kurz ist. Inmitten des Bestandes habe ich mir in einer alten knorrigen Kiefer einen bequemen Ansitz gebaut, wo ich auch eine kleine Kirre8 unterhalte. Kirren bedeutet für mich nicht, diese täglich zu beschicken, sondern nur hin und wieder etwas Freßbares zu hinterlassen. So bin ich mir sicher, dass die Sauen den Platz nicht vergessen. Der Sitz ist von einem Waldweg aus leicht zu erreichen und ich habe hier schon einige Male Weidmannsheil gehabt. Auch einen jagdbaren Keiler habe ich bei einem dreistündigen Mondscheinansitz bei zehn Grad minus hier schon erlegt.

      Auch heute sitze ich weit vor dem Hellwerden auf dem Sitz und passe auf Sauen, die aus dem angrenzenden alten Eichenbestand, einem früheren Hutewald, gern auf dem Rückweg in ihren Tageseinstand hier vorbeiwechseln. Das Thermometer hat bei meinem Aufbruch in der Frühe Temperaturen um den Gefrierpunkt angezeigt und der wenige Schnee beginnt bereits zu schmelzen. Schon mit Beginn der Dämmerung sehe ich, dass ein schwächeres Stück Schwarzwild in der Nacht die Kirre besucht hat. Ich warte noch eine geraume Zeit, baume bei gutem Büchsenlicht ab und gehe die Fährte aus. Aus dem Eichenwald, dem sogenannten Tiergarten kommend, ist ein Überläufer9 über die Kirre hinweg in den sich anschließenden etwa 15 Hektar großen Dickungskomplex eingewechselt. Ich umschlage diesen, um festzustellen, ob die Sau die Dickung wieder verlassen oder sich eingeschoben hat. Da keine Fährte aus der Schonung hinausführt, will ich einmal versuchen, ob ich das Stück vor dem stellenden Teckel angehen kann. Bisher hatte ich keine Gelegenheit dazu, aber das geht auch nur mit einem Hund, der die Sau findet und dann auch stellt. Diese stille Jagd geht eigentlich so richtig gut nur mit dem Teckel, denn wenn sich eine gesunde Sau überhaupt stellen soll, tut sie das ganz sicher nur vor einem kleinen Hund, den sie nicht ernst nimmt. Und so kommt es dann auch, aber erst fahre ich nach Hause, um meine beiden Hündinnen nachzuholen. Einmal scheint mir der Erfolg der Sache dadurch sicherer zu sein und zweitens möchte ich diese nicht alltägliche Gelegenheit nutzen, um die

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