Tatort Genfer See. Anna Maria Sigmund

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Tatort Genfer See - Anna Maria Sigmund

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wahres Lebenselixier – ganz im Gegensatz zu ihrer meist seekranken Begleitung.

      Aus Elisabeths Leben ist keine einzige schwere Erkrankung bekannt, auch keine einzige Operation. Trotzdem klagte die Monarchin selbst seit früher Jugend über schlechtes Befinden und schwache Gesundheit. Beides diente ihr als Anlass zur Absage offizieller Verpflichtungen und für häufige Kuren, die erste davon bereits im Alter von 23 Jahren. Damals litt sie unter starkem Husten, man befürchtete Lungenschwindsucht. Es folgte ein mehrmonatiger Genesungsaufenthalt in Madeira. Danach wurden Kuren – oft mehrmals im Jahr – zum festen Bestandteil im Jahresablauf der reisefreudigen Kaiserin. Elisabeth war Stammgast in den bekanntesten Heilbädern Europas. Zur Linderung ihrer Beschwerden fuhr sie unter anderem sechs Mal nach Bad Kissingen und vier Mal nach Meran, weiters in das Seebad von Biarritz, zu den Schwefelquellen in Aixles-Baines und an die Riviera. Hof- und Kurärzte wurden konsultiert. Sie diagnostizierten »matte Herztätigkeit«,«ein geschwächtes, vergrößertes Herz, »wässrige« Blutbeschaffenheit, dazu Ischias und erschlaffende Nerven«, verordneten warme Bäder, Massagen und Trinkkuren.

      »Welch schmerzlich der ganze Eindruck ist, den sie macht«, schreibt ihre Tochter Marie Valerie besorgt in ihrem Tagebuch. »Sehr erschrocken über ihr schlechtes Aussehen, die sichtliche Müdigkeit.« Die von Elisabeths Ärzten festgestellte, angebliche Herzschwäche beunruhigte ihre Familie zutiefst. Besonders Franz Joseph und die jüngste Tochter Marie Valerie lebten angesichts des vermeintlich bedrohlichen Gesundheitszustands der Kaiserin, der größte Rücksichtnahme erforderte, in ständiger Sorge.

      Wie stellt sich der Tod Elisabeths aus heutiger medizinischer Sicht dar? Dr. Hildegunde Piza-Katzer, Spezialistin für plastische Chirurgie, hat die Ereignisse um das Attentat analysiert:

      »Die über 60-Jährige befand sich zum Zeitpunkt der Tat in für ihr Alter ungewöhnlich guter Verfassung. Sie muss auch über eine fast übermenschliche Disziplin verfügt haben. Nur so ist es zu erklären, dass sie nach der tödlichen Attacke, die sie als furchtbaren Schlag verspürte, auf dem Quai du Mont-Blanc zu Boden fiel, sich aber aus eigener Kraft erhob, den zu Hilfe eilenden Passanten in verschiedenen Sprachen höflich dankte, ruhig ihre Frisur ordnete und sich mit festem, raschem Schritt auf das zur Abfahrt bereitstehende Schiff begeben konnte.

      Aus dem Bericht der Hofdame wissen wir, dass sie sogar mehr verwundert als empört, auf jeden Fall aber mit normaler Stimme sprach: ›Was glauben Sie, wollte der Mann von mir? Vielleicht meine Uhr?‹

      Dies ist bei unter schwerem Schock stehenden Personen durchaus möglich. Elisabeth verspürte trotz zertrümmerter vierter Rippe – eine Verletzung, die im Allgemeinen bei jedem Atemzug ungeheure Schmerzen verursacht – zu Beginn nicht viel. Sie war der Meinung, nur einen heftigen Stoß erhalten zu haben. Auf die Frage ihrer Hofdame erklärte sie ruhig: ›Ich glaube, die Brust schmerzt ein wenig.‹ Das enganliegende Mieder erwies sich als Stütze. Nur so erklärt sich, dass sie noch 120 Schritte zurücklegen konnte. Dann jedoch wurde sie blass, erbat den Arm ihrer Begleiterin und sank nieder. Man labte sie mit einem Zuckerstück. Bei der Öffnung ihres Mieders noch bei Bewusstsein, versuchte sie sich mit eigener Kraft nochmals aufzurichten. Sie atmete schwer. Mit den letzten Worten: ›Was ist nur mit mir geschehen?‹, sank sie in eine Ohnmacht, aus der sie nicht mehr erwachte. Auf Grund der Art der Verletzung verlief ihr Tod schmerzlos. Sie ist nach ca. 90 Minuten, als die Pumpfunktion des Herzens das allmählich eindringende Blut nicht mehr bewältigen konnte, ohne Todeskampf still verschieden.«

      Die Tatwaffe: eine scharf zugeschliffene Dreikantfeile. Den Holzgriff ließ Lucheni von einem Freund, dem Lausanner Kunsttischler Benito Martinelli, anfertigen.

      Zur Art und Weise von Luchenis Angriff meint Dr. Piza-Katzer: »Dieser ist nicht nur mit enormer Wucht, sondern auch sehr zielgerichtet erfolgt. Auf jeden Fall hatte der Täter für einen ungebildeten Laien ungewöhnlich große anatomische Kenntnisse. Die, wie sich später herausstellte, von ihm selbst dreikantig messerscharf zugeschliffene Feile war ein ideales Mordinstrument. Die sehr kompakte Kleidung des Opfers aus schwerem Stoff – Jacke, Seidenkleid, Mieder, darunter ein Batisthemd – barg das Risiko des Abgleitens der Waffe. Der Anschlag selbst gelang jedoch beim ersten Versuch, er hätte effizienter nicht durchgeführt werden können.«

      »Nach Mittheilung des eben hier gewesenen Staatsanwalts von Genf ist man einem weitverzweigtem Complott auf der Spur, welches wahrscheinlich in London angezettelt und dann nach Zürich übertragen wurde. Es soll ursprünglich gegen Seine k. und k. Apostolische Majestät geplant gewesen sein, wovon man aber abgegangen sei, da man den Coup in der Schweiz ausführen wollte und gegen die Kaiserin einen ebenso schweren Schlag zu führen meinte. Das Attentat wäre also von langer Hand vorbereitet gewesen, die Action durch den von London hergeschickten Ciancabilla in Fluß gesetzt und die Ausführung dem Lucheni anvertraut worden.« Telegramm von Graf Kuefstein an das Informationsbüro des Außenamtes in Wien, 30. September 1898.

      Dr. Piza-Katzer beantwortet auch die Frage, ob die Kaiserin nach heutigem Stand der Medizin hätte gerettet werden können: »Das ist sehr unwahrscheinlich. Dazu hätte die Tat in einer Spezialklinik stattfinden müssen. Denn ein Hubschrauber braucht Zeit. Die Vorbereitung der Operation braucht Zeit und auch die Öffnung des Sternums. Eine Herzbeuteltamponade führt meistens zum Tod.«

      Die Chirurgin kommt dann zu einem interessanten Schluss: »Wir wissen, dass der Täter, ein 25-jähriger junger Mann, im Straßenbau schwere körperliche Arbeit verrichtete und über die entsprechende Kraft verfügte. Wir wissen aber auch, dass er als fanatischer Anarchist von Hass gegen die herrschende Klasse erfüllt war, in Genf unter Gleichgesinnten um Anerkennung rang und sich zu beweisen suchte. Die Möglichkeit, dass man Luigi Lucheni systematisch auf seine ›Propaganda der Tat‹ hintrainierte, ihn sozusagen einschulte, ist nicht auszuschließen.«

      Diese These erhärtet sich durch erst in jüngster Zeit zugängliche Dokumente des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. Meldete doch Graf Kuefstein, der österreichisch-ungarische Gesandte in Bern, dem Informationsbüro des Ministeriums des Äußeren, der damaligen Geheimpolizei, am 30. September 1898 die Angaben eines Spitzels nach Wien: »… dieses Attentat wäre also von langer Hand vorbereitet gewesen, die Action durch … Ciancabilla (einem führenden Anarchisten) in Fluß gesetzt und die Ausführung Lucheni anvertraut worden.«

      Luigi Lucheni selbst hat dazu eisern geschwiegen. Er wollte seinen Ruhm mit niemandem teilen: »Ich bin stolzer Anarchist. Den Mord habe ich ganz allein geplant. Ich bin froh, dass sie tot ist«, betonte er.

       DIE REISE INS VERDERBEN

      Dichtes Gedränge der Sommergäste am Bahnhof von Caux bei Territet. Bereits zum sechsten Mal bezog Elisabeth am 30. August 1898 in dem beliebten Schweizer Ausflugsort Quartier.

      Ich gehe immer auf die Suche nach meinem Schicksal. Ich weiß, dass mich nichts davon abhalten kann, es an jenem Tag zu treffen, an dem ich es treffen muß. Das Schicksal macht lange die Augen zu, aber einmal erblickt es uns doch.

       Kaiserin Elisabeth, April 1892

      Ein Pionier der Balneologie als Arzt des Vertrauens: Medizinalrat Dr. Alfred Sotier betreute Kaiserin Elisabeth während ihrer Kuraufenthalte in Bad Kissingen.

      Im Jahre 1898 entschloss sich Kaiserin Elisabeth zu einem wahren Kurmarathon, der im Frühjahr

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