Kleiner Tod im Großen Garten. Bodo Dringenberg

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Kleiner Tod im Großen Garten - Bodo Dringenberg

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Der Verblichene hat, mit Verlaub, tatsächlich eine postmortale Gehirnwäsche bekommen, mal was ganz Neues. Tchaa, und alles Übrige wie üblich ab morgen nach der Obduktion.«

      Die Hauptkommissarin sieht ihren jüngeren Mitarbeiter auffordernd an, der prompt loslegt: »Na ja, der Boden drumherum ist auch regengeputzt, verwertbare Fußspuren hat nur diese Aushilfsgärtnerin hinterlassen, die den Erschlagenen gefunden hat. Die steht übrigens da hinten am Toreingang, diese Rothaarige.«

      Die Kriminalbeamtin geht um sich blickend langsam auf den Tatort zu, aufmerksam den weiteren Ausführungen ihres Kollegen lauschend. Genervt resümiert sie: »Ist ja reizend. Keine Spuren, kein Perso, kein Zettelchen mehr da – gar nix. Und seine Geldbörse fehlt natürlich auch, ist ja klar. Sieht eigentlich nach Raubmord aus, ist aber ein zu komischer Platz dafür.«

      »Der Obduzierte ist ziemlich genau gegen fünf Uhr gestorben. Zum Zeitpunkt der tödlichen Kopfverletzung dürfte er auf dem Bauch gelegen haben. Er wurde kurz nach seinem Ableben auf den Rücken gedreht, dann aber wieder auf den Bauch, so, wie er dann gefunden wurde. Seine tiefe, kraterförmige Kopfwunde haben wir genauer untersucht. Wir haben wenig nichthumanes Material gefunden, weil die Öffnung vom Gewitterregen gestern Morgen gründlich ausgespült worden ist. Aufgefallen sind uns Fäkalienreste in der zerstörten Hirnmasse und an den Schädelknochen. Woher die rühren, darüber wissen wir genauso wenig wie über die Zellulosefetzen, die ebenfalls in kleinsten Mengen im traumatisierten Bereich vorliegen.« Der Pathologe beendet seinen Kurzbericht und sieht die beiden Kriminalbeamten erwartungsvoll an.

      »Wer dem wohl ins Gehirn geschissen hat?«, wirft der junge Ermittler ein. Die Hauptkommissarin zwingt sich zu einem sehr strengen Ton: »Also bitte, ja. Der Tote ist ein hier sehr angesehener Politiker – gewesen. Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf. Fahren Sie bitte fort, Doktor.«

      »Jedenfalls hat das Opfer bis unmittelbar vor seinem Tod noch Geschlechtsverkehr einschließlich Erguss gehabt, und zwar mit einer Frau. Muss ja gesagt werden, passt nämlich wenig zu der brachialen Schädelfraktur. Durch eine genetische Analyse könnte man vielleicht die Person herausbekommen, mit der er noch bis zu seinem Ableben Verkehr gehabt hat.«

      »Aber wer hat ihn umgedreht und ihn wieder zurückgedreht? Seine Sexualpartnerin, ein Raubmörder, ein Totschläger aus Rache, jemand, der Spuren verwischen wollte?«, fragt sich der Kriminalbeamte. Seine Vorgesetzte zuckt bloß mit der Schulter und sagt: »Übrigens haben die Angehörigen und seine Partei bereits heute Morgen zusammen zehntausend Euro Belohnung für die Aufklärung des Todes ausgesetzt, wie ich erfahren habe. Na ja, vielleicht hilft uns so ein Kopfgeld weiter.«

      »Draußen steht eine streng riechende Person mit Zylinder, die Sie unbedingt sprechen will, wegen diesem Toten im sechsten Grün dieser Triangeln.«

      »Na gut, herein mit ihm.«

      Ein vollbärtiger Mann betritt das Büro. Er ist hager, undefinierbaren Alters, etwa zwei Meter groß, trägt einen verbeulten Zylinderhut und wedelt mit dem Titelblatt einer Boulevardzeitung. »Guten Tag, ich habe einiges gesehen vorgestern Nacht. Eine Seejungfrau und einen Brückenkletterer. Und nun komme ich wegen der Belohnung, Frau Kommissarin.«

      »Na, nun nehmen Sie erst einmal Platz und geben mir bitte Ihren Ausweis.«

      Der Bärtige schiebt ein plastikumhülltes Dokument über den Bürotisch zur Hauptkommissarin.

      »So, jetzt setzen Sie Ihren Zylinder ab, damit ich Ihr ganzes Gesicht sehen kann.«

      »Dieser Zylinder hier, der gehörte mal dem Chef des Kleinen Festes. Vor kurzem ist mir der zugeflogen, war schon ganz verbeult, der Zylinder.«

      »Ja, o. k., nun legen Sie mal los.«

      »Ich habe erst eine Frau und dann einen Mann gesehen. Beide kamen morgens, kurz vor dem Gewitter, aus dem Großen Garten. Wahrscheinlich haben die beiden ihn umgebracht, denn die sind kurz nacheinander über die Graft gekommen, da bei den Sportplätzen. Er ist ziemlich geschickt über die Brücke am Absperrgitter vorbei geklettert, sie ist durchs Wasser gelaufen oder geschwommen. Ja, was soll ich sagen, die Lange ist weggepest, als ob sie zur Olympiade wollte. Der Mann kam dann ein bisschen später, hat sich ganz gemütlich vom Acker gemacht. Die müssen’s gewesen sein. Lockvogel und Mörder, kennt man ja, oder?«

      »Das werden wir ja sehen. Beschreiben Sie die beiden doch mal genauer.«

      Außer ein paar weiteren sehr vagen Angaben über beide ist nichts aus diesem Zeugen herauszubekommen. Die Hauptkommissarin beendet die Vernehmung. »Bitte warten Sie draußen, mein Kollege wird von Ihnen die Fingerabdrücke nehmen. Eventuell brauchen wir auch noch eine Speichelprobe von Ihnen. Machen Sie sich klar, dass wir auch Sie genauer unter die Lupe nehmen werden.«

      »Jaja, ich kenne das, immer das Gleiche. Denn man los, meinetwegen. Ich bin unschuldig wie ein Engel.«

      Gemeinsam mit einem älteren Kriminalbeamten verlässt der Mann das Büro.

      »Na, wie reizend, da haben wir ja schon mal drei Verdächtige. Eine große schlanke Frau, einen Mann mittleren Alters und diesen Tramp.«

      Das Café ist kurz vor der Mittagszeit schon halb gefüllt. Mit der Hauptkommissarin am Tisch sitzt ein fast bulliger, mittelgroßer Mann mit Bürstenhaarschnitt. Er hat sich telefonisch als »freier Journalist« vorgestellt, der einiges über den Tod im Großen Garten wisse. Noch bevor der Kaffee kommt, hat er sie kurz über sich informiert. Er war einmal beim hiesigen Renommierblatt angestellt gewesen und ist kürzlich wegrationalisiert worden. Ab und zu schreibt er noch für diese Zeitung, ansonsten beliefert er hin und wieder andere Presseorgane mit Recherchen und Informationen. Er schlägt sich finanziell halt so durch.

      »Und jetzt der Grund, warum ich Sie um ein informelles Gespräch gebeten habe: Seit ein paar Tagen bin ich mit einer Recherche über das nächtliche Treiben in hannoverschen Parks beschäftigt, für eine große Illustrierte. Sie können da nachfragen – nicht dass Sie mich für einen Voyeur halten! Ich habe mich bei diesem Job fast verliebt in das durchkultivierte Naturareal, diesen wirklichen Lustgarten. Wissen Sie, mein von mir ungeliebter Vater – das beruhte auf Gegenseitigkeit – war Gärtnermeister gewesen, meine frühe Liebe zu zementierten Flächen war die Folge. Wie schön Parks sind, das habe ich erst in den letzten Jahren entdeckt. So ein Garten ist wie außerhalb der Welt. Ich hocke also neulich nachts im grünen Dreieck Nummer fünf und lasse den Großen Garten auf mich einwirken. Um das Beobachten von nächtlichen Paaren geht es mir dabei übrigens nicht. Nein, der Duft, die Geräusche – die Unwirklichkeit dieses Quasiparadieses macht den besonderen Reiz aus.

      Ja, und an jenem Morgen gab’s nebenan im grünen Dreieck plötzlich ein tiefes Stöhnen, gefolgt von mehreren hellen Schreien. Nach einigen Minuten Stille rannte schließlich eine Frau aus dem Boskett. Beim Dämmerlicht bemerkte ich natürlich bloß ihre Gestalt und die auffallenden langen, hellen Haare. Irgendwie kam mir die Blondine bekannt vor, die hat irgendetwas mit der Organisation von Kunstausstellungen zu tun, ja, ich glaube sogar, die ist Galeristin, irgendwo in der Innenstadt. Dürfte für Sie leicht rauszukriegen sein, wer die ist. Eine weitere Person habe ich am Ort nicht bemerkt. Aber die könnte sich ja leicht durch eine Lücke in der Hecke an- und wieder weggeschlichen haben. Keine Ahnung. Das betreffende Gründreieck nebenan habe ich selbstverständlich nicht betreten. Ich bin damals von einer Trennung quicklebendiger Menschen ausgegangen, von einem ›kleinen Tod‹, nicht von einem Toten. Vielleicht eine Viertelstunde nachdem die Liebhaberin ihren Lover verlassen hatte, bin ich auch verschwunden. Das Gewitter war ja bedrohlich nah herangekommen und ich wollte nicht, dass der Mann in dem Triangel nebenan mich bemerkt. Ja, und das war’s auch schon, was ich dazu sagen kann.«

      »Bevor wir uns weiter unterhalten – Ihnen ist hoffentlich bewusst,

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