Singapur – oder tödliche Tropen. Volker Schult

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Singapur – oder tödliche Tropen - Volker Schult

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für Europäer im fernen Asien, von komfortableren Übernachtungsmöglichkeiten ganz zu schweigen, gebe. Als Gast musste man zufrieden sein, einen überteuerten Raum fernab von Schmutz und Staub der Straße, von Ratten und streunenden Hunden sowie Dieben und Bettlern zu bekommen. Moskitonetze galten als Gipfel des Luxus. Darüber hinaus erzählte man sich, dass die Zimmertüren der Hotels selten verschließbar seien und plötzlich stehe ein Diener unangemeldet im Zimmer. Manches Mal in einem unpassenden Moment. Das war’s dann auch, was die Qualität der Unterkünfte anbelangt. Das exotische Asien hatte nicht viel mehr zu bieten.

      Hier ist es anders. Schon kommt der hochgewachsene livrierte Inder Singh dienstbeflissen auf Wilhelm Kurz zu und fragt ihn in einem komischen indischen Sing-Sang Englisch:

      „Kann ich dem Herrn Offizier zu Diensten sein, Sir?“

      Wilhelm Kurz in seiner weißen Marineuniform mustert den indischen Concierge für einen kurzen Augenblick. Dann siegt seine Neugierde.

      „Ich bin sehr beeindruckt von diesem Hotel.“

      Mehr braucht Wilhelm gar nicht zu sagen, da sprudelt es auch schon aus dem Inder mit stolzgeschwellter Brust hervor, wobei sich sein Kopf hin und her bewegt, wie es bei den Indern üblich ist, wenn sie etwas Wichtiges betonen wollen.

      „Sir, wie in den Luxushotels Londons so ist auch hier das Monogramm unseres ehrwürdigen Hotels in die Bettbezüge, Kissen und Handtücher eingestickt, Sir. Dazu verzieren zierliche Porzellanfiguren die Kaminsimse. Sir, Sie werden es nicht für möglich halten, Sir, aber vierzig Zimmer verfügen über ein Badezimmer mit Badewannen und fließend heißem und kaltem Wasser, Sir. Sir, wir wissen, dass die europäischen Reisenden eine Hotellage direkt am Wasser bevorzugen, Sir. Das Hotel verfügt über dreihundert Meter Strand. Damit hat es die längste Wasserfront aller Hotels auf der Welt, Sir. Ist das nicht unglaublich, Sir?“

      Allmählich geht Wilhelm Kurz dieses stolze und selbstgefällige Gerede auf die Nerven, trotz der interessanten Informationen. Und dann dieses ewig „Sir“. „Sir“ hier „Sir“ da. Und dann das Wackeln des Kopfes von der einen zu der anderen Seite. Wir sind doch nicht an Bord eines Schiffs, denkt er sich verwundert. Der Inder nimmt keine Notiz von Kurz zunehmender Ungeduld.

      „Sir“, fährt der Inder unbeirrt fort und schiebt dabei seinen Kopf schon fast verschwörerisch nahe an Wilhelms heran, „unser ehrwürdiges Hotel wird unter Kennern nur kurz E & O genannt. Das reicht und jeder weiß Bescheid, Sir. Sir, ich darf Ihnen ehrerbietigst versichern, das E & O ist das beste Hotel östlich von Suez, Sir.“

      Heftig mit dem Kopf hin und her wackelnd bestätigt der Inder noch einmal seine Worte.

      In der Tat ist Wilhelm Kurz beeindruckt von den Neuigkeiten, bedankt sich militärisch knapp für die Ausführungen und lässt sich zu dem wartenden Heinrich Adler führen.

      Auf dem Weg dorthin verharrt der livrierte Inder und verbeugt sich tief vor einem vorbeischreitenden Chinesen. Nachdem dieser den Inder und Wilhelm Kurz passiert hat, ohne sie eines Blickes zu würdigen, wendet sich Singh wieder dem deutschen Marineoffizier zu. Jedoch spricht der Inder dieses Mal leise, ja ehrfürchtig und mit veränderter Stimmlage.

      „Sir, der Gentleman ist Cheong Fatt Tze, ein Chinese von unfassbarem Reichtum. Er ist der Prominenteste der reichen Chinesen unserer Insel. Nebenbei ist er auch noch chinesischer Konsul in Penang. Es heißt, er hat sich diesen ehrwürdigen Titel schlicht und einfach vom kaiserlichen Hof in China gekauft. Normalerweise muss man erst die vorgeschriebenen äußerst schwierigen Prüfungen bestehen. Sir, ich könnte Ihnen noch mehr erzählen, wenn Sie wollen, Sir!“

      Nun ist Wilhelm Kurz doch gefangen von den Erzählungen des Inders. Seine Augenbrauen heben sich minimal und mit einem kaum erkennbaren Nicken bedeutet er dem Inder Singh fortzufahren.

      „Sir, Cheong war früher nur ein einfacher Wasserträger“, raunt er Wilhelm Kurz hinter vorgehaltener Hand zu. „Durch harte Arbeit und familiäre Unterstützung ist er Millionär geworden. Cheong lebt mit seiner Großfamilie, mit mehreren Frauen und einer großer Dienerschaft in herrlichen Herrenhäusern in Saus und Braus. Wenn Cheong hier bei uns in Georgetown ist, wohnt er in seinem berühmtem „Blauen Herrenhaus“ in der Leith Street. Das, Sir, müssen Sie sich mit eigenen Augen einmal ansehen. Aber ich kann Ihnen auch darüber etwas erzählen, Sir.“

      „In Gottes Namen, so tun Sie das“, entfährt es Wilhelm Kurz etwas unwirsch, was der Inder Singh indes gar nicht bemerkt.

      „Sir, Cheongs indigoblaues Herrenhaus hat achtunddreißig Räume, fünf mit Granit gepflasterte Innenhöfe, sieben Treppenaufgänge und zweihundertzwanzig traditionelle hölzerne Fensterläden, Siiiir.“

      Beim Erwähnen dieser Dimensionen zieht der Inder nicht nur das „Sir“ in die Länge und rollt mit dem Kopf noch intensiver als sonst hin und her, sondern auch seine Augen weiten sich sichtlich.

      „Nun kommt es, Sir. Die hervorstechende blaue Farbe des Herrenhauses ist das Ergebnis des Zusammenmischens von Kalk mit der natürlichen blauen Farbe, die aus der Indigopflanze gewonnen wird. Die Farbe wurde extra aus Indien importiert. Die so gekalkten Mauern weisen die übliche Feuchtigkeit unseres tropischen Wetters sehr schön ab und lassen zugleich die Mauersubstanz unbeschadet. Eigentlich ist Weiß die am einfachsten erhältliche Farbe, aber da sie auch die Farbe des Todes für die Chinesen ist, hat Cheong sich für die weitaus teurere blaue Farbe entschieden.

      Sir, Sie können es sich nicht vorstellen, Sir. Bei öffentlichen Anlässen treten seine Frauen und seine Töchter in ihren üppigen und verschwenderischen Kleidern mit glitzernden Juwelen behangen auf. Sir, Cheong hat bestimmt in unserem Hotel Geschäfte gemacht. Er ist Stammgast bei uns und ...“, will der Inder fortfahren. Aber Wilhelm hat genug und macht mit einer Handbewegung deutlich, dass er aufhören soll, denn mittlerweile haben sie Heinrich Adler erreicht.

      „Geschäfte, Geschäfte“. Das sind auch die ersten Worte, die Wilhelm Kurz von Heinrich Adler zu hören bekommt, als er sich zu ihm an den Ecktisch im Restaurant des Hotels setzt. Selbstgefällig grinst Adler und zeigt mit seinem fetten Zeigefinger auf den aus dem Hotel schreitenden Cheong.

      „So macht Behn, Meyer & Co. Geschäfte. Nur mit den reichsten und einflussreichsten Leuten vor Ort“, tönt es Wilhelm Kurz entgegen. Von Anfang an ist ihm sein Gegenüber unsympathisch. Dieses feiste, von Schweiß glänzende runde Gesicht mit den kleinen Schweinsäuglein und dem selbstgefälligen Blick. Der Bierbauch des höchstens Enddreißigers Adler ist auch nicht zu übersehen.

      Kurz runzelt die Stirn, zieht heftig die Augenbrauen zusammen und zögert einen Augenblick. Dann atmet er bewusst aus. Sein Gesichtsausdruck ist wieder normal, sein Tonfall ebenso. Aber was soll er machen? Adler ist nicht nur ein Landsmann, sondern auch der Kontaktmann für seinen Geheimauftrag.

      Heinrich Adler lässt sich nicht lange bitten und legt Kurz die Lage dar, wobei der Kapitänleutnant nicht umhin kommt anzunehmen, dass Adler seine Rolle, die er dabei spielt, doch etwas ausschmückt.

      „Vor kurzem weilte ich im Sultanat Kedah auf der gegenüberliegenden malaiischen Halbinsel zu Besuch. Da deutete der Wesir Wan Mohamed Saman an, dass das Königreich Siam, zu welchem Kedah gehört, es gerne sehen würde, wenn Deutschland an der Westküste der malaiischen Halbinsel eine Kolonie anlegen würde. In diesem Zusammenhang sei die Insel Langkawi, nördlich von Penang an der Einfahrt zur Straße von Malakka gelegen, sehr geeignet.“

      „Von Kolonie oder ähnlichem ist überhaupt keine Rede“, unterbricht ihn Wilhelm Kurz im schneidenden Ton. „Streichen Sie solche Begriffe aus Ihrem Kopf. Ist das klar, Adler?“

      Adler nickt eifrig und fährt gewichtig mit

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