Der Kaiser schickt Soldaten aus. Janko Ferk
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Читать онлайн книгу Der Kaiser schickt Soldaten aus - Janko Ferk страница 6
Sophie Maria Josephine Albina Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, die Diplomatentochter aus böhmischem Uradel – ein Adel, der nicht viel jünger war als jener der ursprünglich gräflichen Habsburger – war hochgewachsen und beileibe nicht das, was man in Wien, insbesondere am klatschenden und tratschenden Hof, gewöhnlich eine Schönheit nannte. Wie man weiß, wurde in Wien nicht nur an der Bassena über andere genussvoll hergezogen.
Franz Ferdinand haben wahrscheinlich ihre Augen betört, die groß, dunkel und klug waren. Sie hatte ein freundliches und heiteres Wesen und strahlte unzweifelhaft Charme aus. Nicht unerwähnt sei, dass er sich von Sophie geschlechtlich stark angezogen fühlte und keine Komplexe empfand.
Ein Bischof und zwei Minister wurden entsandt, um den entflammten und heiratswilligen Erzherzog umzustimmen. Erregen konnten sie lediglich Franz Ferdinands Empörung.
Besonders verärgerte ihn der Auftritt des Bischofs Godfried Marschall, der sogar sein ehemaliger Religionslehrer war. Der Geistliche wusste, dass Franz Ferdinand und Sophie nicht nur gläubige, sondern fromme Katholiken waren. Marschall hatte mit Franz Ferdinand drei und mit Sophie, die er aufforderte, sich „zu opfern“ und in ein Kloster zu gehen, eine Unterredung.
Nach den bischöflichen Versuchen, das Paar auseinanderzubringen, war der Erzherzog derartig beleidigt, empört und verärgert, dass er schwor, dafür zu sorgen, dass der geistliche Würdenträger in der Kirche keine Stufe höher steigen werde. Der Erzherzog hat sich an seinen Schwur gehalten.
Der Höhepunkt dieser dreisten und ungenierten Einmischung war wohl, dass der religionsoberlehrerhafte Bischof mit seinen erfolglosen Überredungskünsten gleichsam bei zwei Kaisern in Ungnade fiel, beim regierenden und beim zukünftigen. Ein Kunststück, das nicht jedem Prälaten gelingt, auch wenn er sich noch so redlich anstrengt.
1. JÄNNER 1900
Am Neujahrstag neunzehnhundert wurde ein Familiendiner gegeben, bei dem fühlbar wurde, wie tief das Zerwürfnis zwischen dem regierenden und künftigen Kaiser war.
Franz Joseph ließ, wie es dem damaligen Formenzwang erheblich entsprechender gewesen wäre, nicht seinen Nachfolger hochleben, als er sein Glas erhob, sondern trank wortlos dem zwölfjährigen Erzherzog Karl zu. Die anwesenden Habsburger hatten das Gefühl, der Kaiser wolle etwas andeuten. „Die Zukunft gehört Dir.“
An eine nüchterne Aussprache zwischen den höchsten Habsburgern war nicht mehr zu denken, weshalb sich Franz Ferdinand entschloss, seinem Onkel und Familienoberhaupt einen Brief zu schreiben. Die Nachricht, die an der Ergebenheit des Neffen nicht den geringsten Zweifel ließ, war in einem aufrichtigen Ton gehalten, der in keiner Weise verletzend war und der bewies, wie sehr Franz Ferdinand um sein Glück mit Sophie zu kämpfen bereit war.
Diesen Kampf hatte er zu führen, weil der Gräfin jegliche Mittel der Überwindung des habsburgischen Stolzes und seiner Hausgesetze so oder so fehlten. In den Krieg ziehen konnte allein der Erzherzog. Und dieser war bereit dazu. Eines stärkeren Beweises seiner Liebe hätte es nicht bedurft. Der verbitterte Kaiser war offensichtlich nicht imstand, diese Zeichen zu deuten und zu verstehen. Franz Joseph war über die Worte seines Neffen außer sich. „Wiederholt habe ich mir ein Herz gefasst und bin vor Eure Majestät hingetreten, um Euer Majestät die Gründe darzulegen, die mich, Euer Majestät, bewegen, an Euer Majestät diese Bitte zu stellen. Ich kann abermals nur erwähnen, dass der Wunsch, die Gräfin zu heiraten, nicht die Frucht einer Laune ist, sondern der Ausfluss der tiefsten Neigung, jahrelanger Prüfungen und Leiden … Und dass für Euer Majestät vollkommene Garantie für mein späteres Leben besteht, gibt die Bürgschaft mein bisheriges Verhalten, in dem ich stets bestrebt war, loyal vorzugehen und nie etwas weder offen noch geheim gegen den Willen Euer Majestät zu unternehmen, was vielleicht mancher andere versucht hätte, der sich in der gleichen verzweifelten Lage befunden hätte wie ich … Die Ehe mit der Gräfin ist aber das letzte Mittel, mich für die ganze Zeit meines Lebens zu dem zu stempeln, was ich sein will und soll: zu einem berufstreuen Mann und zu einem glücklichen Menschen. Ohne diese Ehe werde ich ein qualvolles Dasein führen, welches ich ja jetzt schon durchmache und das mich vorzeitig aufzehren muss … Das ewige Alleinsein ist mir unerträglich; das Bedürfnis nach einem Wesen, das für mich sorgt, das treu und unentwegt Freud und Leid mit mir teilt, ist für mich, der ich das Unglück habe, ein so tief angelegter Gemütsmensch zu sein, zu einem ganz unüberwindbaren geworden. Und eine andere Heirat kann und will ich nie mehr eingehen, denn es widerstrebt mir und ich vermag es nicht, mich ohne Liebe mit einer anderen zu verbinden und sie und mich unglücklich zu machen, während mein Herz der Gräfin gehört und für ewig gehören wird.“
Nach seinen fast poetischen Begründungen, warum er Gräfin Sophie heiraten müsse, änderte Franz Ferdinand seinen Ton, wohl im Glauben, dadurch noch überzeugender sein zu können. „Euer Majestät geruhten mir das letzte Mal zu sagen, dass dieselben glauben, dass meine Ehe der Monarchie schaden könne, ich erlaube mir mit Rücksicht hierauf untertänig zu bemerken, dass ich gerade durch Eingehung dieser Ehe meine Pflichten der Monarchie vis-à-vis viel besser erfüllen kann, indem ich wieder ein schaffensfreudiger und glücklicher Mensch werde, der seine gesamten Kräfte angespannt und dem allgemeinen Wohle widmet – als wenn ich zeitlebens ein unglücklicher, einsamer, von Sehnsucht verzehrter Mensch bin.“
Zuletzt drückte er noch einmal etwas aus, das man sein Herzensbittgesuch nennen könnte, untermauert mit Schlussfolgerungen, denen man eigentlich nicht widersprechen kann, außer man ist Kaiser Franz Joseph. „Ich bitte Euer Majestät daran zu glauben, dass ich von dem Streben erfüllt bin, in meiner schwierigen Lage das Beste zu leisten, was ich vermag, aber dazu muss ich mich glücklich fühlen können, und deshalb bitte ich Euer Majestät um mein Lebensglück, und die Bewilligung zu der heißersehnten Ehe.“
Der Kaiser antwortete nicht.
8. APRIL 1900
Erzherzogin Maria Theresa, die Stiefmutter Franz Ferdinands, befürchtete wegen der sturen Haltung Franz Josephs ein endgültiges Zerwürfnis zwischen dem verstimmten Kaiser und seinem verliebten Thronfolger, weshalb sie um eine Audienz ersuchte, die offensichtlich Wirkung gezeigt hat.
Max Wladimir Freiherr von Beck hatte Franz Ferdinand in seinen jüngeren Jahren in Rechts- und Staatswissenschaften unterrichtet und blieb ihm nach den Lernjahren verbunden, obwohl sich der Thronfolger keineswegs als Kronjurist erwiesen hat. Freiherr von Beck arbeitete an der Lösung der verfassungsrechtlichen Probleme nach der morganatischen Ehe mit und vermerkte am achten April neunzehnhundert, als sozusagen der Durchbruch bei den Verhandlungen, bei denen wahrlich keine Waffengleichheit herrschte, erreicht war, die Besonderheiten in seinem Tagebuch. „Wichtige Ereignisse, E. H. hat mit dem Kaiser gesprochen und die Bewilligung so gut wie erhalten, unter der Bedingung, dass in Cis- und Transleithanien alles geordnet werde.“
Und „Ordnung“ hieß, dass der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand wegen der nicht standesgemäßen Heirat vor der Eheschließung auf alle Thronrechte zukünftiger Kinder verzichten musste. Unter diesen Vorzeichen erteilte der Kaiser die Zustimmung mit dem allergrößten oder vielmehr allerhöchsten Widerwillen.
Ernest