Der Kaiser schickt Soldaten aus. Janko Ferk

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Der Kaiser schickt Soldaten aus - Janko Ferk

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und rechtswirksamen Regelung der verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt.

      Dann ging es am Wiener Hof Schlag auf Schlag.

      Der erste Schlag erfolgte am dreiundzwanzigsten Juni neunzehnhundert, als Franz Ferdinand von Franz Joseph empfangen wurde.

      „Euer Majestät. Ich bestätige, dass ich bereit bin, eine morganatische Ehe einzugehen. Ich werde jede Verzichtserklärung, die meine möglichen Kinder von der Thronfolge ausschließt, unterzeichnen und beschwören.“ Mit dieser Erklärung Franz Ferdinands hatte sich der Kaiser als Familienoberhaupt durchgesetzt.

      Die Überlegungen des alternden Herrschers wurden nicht zur Sprache gebracht. Franz Joseph hatte befürchtet, Franz Ferdinand könnte seinen Tod abwarten, den Thron besteigen und als Kaiser die Gräfin heiraten. Kein Mensch hätte ihn dann daran hindern können. In diesem Fall wäre der Erstgeborene der indirekte Nachfolger Franz Josephs geworden. Ein Gedanke, den er gar nicht weiterspinnen wollte, ein Gedankengang aber, der ihn letztlich zur Einwilligung unter seinen Bedingungen bewog. Unter den herzlosesten Bedingungen, wie Franz Ferdinand überzeugt war.

      „Wir werden“, sagte der Imperator Österreich-Ungarns noch, „geruhen, der Gräfin Chotek am Hochzeitstage den Titel einer Fürstin zu verleihen.“ Darauf komplimentierte er den zukünftigen Fürstinnen-Ehemann mit einer fast nachlässigen Handbewegung nebenbei hinaus und strich sich nachdenklich über den schlohweißen Backenbart. Es fiel ihm nicht einmal auf, dass er nicht fähig war, ja, dass er geradezu unfähig war, an Franz Ferdinand ein freundliches Wort zu richten. Schließlich verloren sich seine Gedanken in den Erinnerungen an seinen Sohn Rudolf, den einzig legitimen und gottgewollten Kronprinzen.

      Die Audienz war zu Ende. Franz Ferdinand ging und wusste nicht, ob er jubeln oder traurig sein sollte. Irgendwie fühlte er sich mitsamt seiner Angebeteten beleidigt, erniedrigt, gedemütigt und verletzt. „Das hat sich die Gräfin“, murmelte der Erzherzog, „nicht verdient.“

      Der zweite Schlag folgte am achtundzwanzigsten Juni neunzehnhundert, wobei der Erzherzog nicht wusste, dass gerade dieser Junitag immer wieder sein Schicksal, sein Leben und sein Ende bestimmen sollte.

      Zu Mittag versammelte man sich in der Hofburg. Dem Staatsakt wohnte die kaiserliche Familie bei. Geladen waren noch Würdenträger aus allen Himmelsrichtungen der Monarchie. Es war zwar ein Staatsakt, für Franz Ferdinand aber kein wirklich erfreulicher, obwohl er aus der Kutsche mit den goldenen Speichen in voller Uniform ausstieg, ohne zu wissen, dass er an seinen Schicksalstagen immer im militärischen Dienstanzug beziehungsweise soldatischen Waffenrock auftreten sollte. Eigenartig martialisch beziehungsweise erheiternd kostümiert.

      In der Geheimen Ratsstube warteten sie alle, manche mit einer boshaften Genugtuung, andere mit einer gewissen Häme, all die großjährigen Erzherzöge, die sich wichtig nehmenden Minister, die höchsten Hofbeamten, der Erzbischof von Wien, seines Zeichens Kardinal, und naturgemäß der Kardinalfürstprimas von Ungarn. Und dennoch eine lächerliche Partie, weil sie bereit war, sich am Leid des Verzichtenden zu ergötzen.

      Der Kaiser musste naturgemäß erhöht werden und stand auf einem Podium. Links die Erzherzöge und rechts Franz Ferdinand, selbstredend allein. Sophie hätte sowieso keinen Zutritt zu dieser hehren Runde gehabt.

      Der Kaiser sprach kühl, kurz und nicht allzu laut. „Die Erklärung, die zu hören, Wir Sie herbefohlen haben, erweist sich als notwendig, damit im Hause Habsburg eine geordnete Thronfolge gesichert ist.“

      Dann verlas der Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses ohne Unterbrechung und ohne eine Regung den deutschsprachigen Wortlaut des sogenannten Renunziationsakts. „Wir, Erzherzog Franz Ferdinand Carl Ludwig Joseph Maria von Österreich-Este et cetera, erklären es als Unseren festen und wohlerwogenen Entschluss, Uns mit der hochgeborenen Gräfin Sophie Maria Josephine Albina Chotek von Chotkowa und Wognin ehelich zu verbinden.“ Hier machte der Minister eine kurze Pause.

      „Bevor Wir aber zur Schließung des ehelichen Bundes schreiten, fühlen Wir Uns veranlasst, unter Berufung auf die Hausgesetze des durchlauchtigsten Erzhauses, deren Bestimmung Wir“, und hier stockte der Minister wieder, „vollinhaltlich anerkennen und als bindend erklären, festzustellen, dass Unsere Ehe mit Gräfin Sophie Chotek nicht eine ebenbürtige, sondern eine morganatische Ehe und als solche für jetzt und alle Zeiten anzusehen ist, demzufolge weder Unserer Frau Gemahlin noch den mit Gottes Segen aus dieser Unserer Ehe zu erhoffenden Kindern und deren Nachkommen jene Rechte, Ehren, Titel, Wappen, Vorzüge et cetera zustehen und von denselben beansprucht werden können und sollen, die den ebenbürtigen Gemahlinnen“, und hier blickte der Minister so streng er nur konnte zur Linken des Kaisers, „der Herren Erzherzoge zukommen. Insbesondere“, und das war dann tatsächlich das Besondere, „erklären Wir aber noch ausdrücklich, dass Unseren aus oben erwähnter Ehe stammenden Kindern und deren Nachkommen ein Recht auf die Thronfolge in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern und somit auch in den Ländern der ungarischen Krone nicht zusteht und Selbe von der Thronfolge ausgeschlossen sind.“

      Schließlich kam der Minister zum Ende der erzwungenen Renunziation. „Wir verpflichten Uns mit Unserem Wort, dass Wir die gegenwärtige Erklärung, deren Bedeutung und Tragweite Wir Uns wohl bewusst sind, als für alle Zeiten, sowohl für Uns, wie für Unsere Frau Gemahlin und Unsere aus dieser Ehe stammenden Kinder und deren Nachkommen bindend anerkennen.“

      Danach sprach der Wiener Kardinal die Eidesformel. Franz Ferdinand wiederholte sie. Nach dem Schwur unterzeichnete er die deutsch- und ungarischsprachige Urkunde. Das Haus Habsburg verschwendete auch in diesem Fall nicht einen Gedanken an andere Sprachen oder Völker der Monarchie.

      Alles dauerte ungefähr eine halbe Stunde und hatte ausschließlich einen Zweck, nämlich die Verdeutlichung und Verdeutschung der Meinung der Habsburger, die in Sophie nichts anderes als eine zweitklassige Braut sahen. Oder nicht einmal das.

      Der Kaiser verließ den Geheimen Ratssaal wortlos.

      Franz Ferdinand und Sophie wurden am ersten Juli neunzehnhundert in der Kapelle des Schlosses Reichstadt in Böhmen getraut.

      An der Trauung im Schloss, das der Kaiser vor Zeiten Franz Ferdinands Stiefmutter Maria Theresa geschenkt hatte, nahmen nur sie, die auch die Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande getroffen hatte, und ihre beiden Töchter teil. Nicht einmal die Brüder des Bräutigams waren bereit, mit ihm zu feiern, was ihn besonders schmerzte.

      Franz Ferdinand trug bei der Zeremonie die volle Paradeuniform eines Kavalleriegenerals. Die Brust schmückten der Orden des Goldenen Vlieses und das Großkreuz des Sankt Stephans-Ordens, wodurch Österreich und Ungarn – zumindest sinnbildlich – vertreten waren. Beziehungsweise von ihm repräsentiert wurden.

      Sophie erschien im weißen Kleid einer Jungfrau mit Schleppe. Ein Brillanthalsband und Ohrringe waren der einzige Schmuck der bescheidenen Gräfin. Der Brautstrauß war aus Myrten und Maiglöckchen gebunden.

      Die Trauung selbst, bei der auf Wunsch des Bräutigams keine Ansprache gehalten wurde, nahm der Dorfpfarrer vor, dem zwei Kapuziner assistierten. Nach der Heiligen Messe lud Maria Theresa zum Frühstück. Mehr war nicht vorgesehen.

      Gleichsam als Hochzeitsgeschenk, und zwar als bereits angekündigtes, erreichte die Familie ein Telegramm des Kaisers. „Seine Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät hat sich bewogen gefunden, die morganatische Gemahlin Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Durchlauchtigsten Herrn Erzherzog von Österreich-Este, Sophie,

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