Totgelacht. Manfred Koch
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Aber als Belohnung für seinen guten Willen habe ich den jungen Kollegen dann am Abend zu mir zum Essen eingeladen und für uns einen japanischen Kugelfisch an provenzalischem Wurzelgemüse, Ingwer-Schalotten-Creme und mit einem Hauch von Muskat und Pfeffer veredelten, gedünsteten Apfelspalten zubereitet, eine meiner meisterhaftesten Kreationen, der ich den, zugegebenermaßen etwas ironischen, nicht völlig korrekten und mangels entsprechender Wirkung unzutreffenden Namen Schneewittchens Leidenschaft gegeben habe, inspiriert von einer von mir überführten fünfundachtzigjährigen Giftmörderin, die ihre sieben Ehemänner ins Jenseits gekocht hat, aber das mit einer derart bewundernswerten Fantasie und kompromisslosen Leidenschaft, dass es jedem Spitzenkoch zur Ehre gereicht hätte. Ich schätze mich noch heute glücklich, diese Dame kennengelernt zu haben.
Und für einen ebenso großen Glücksfall habe ich jetzt die Begegnung mit dem Viersternekoch gehalten. Da sitzt dir nun endlich im Verhörraum einer gegenüber, der Sachen gekocht hat, die dir noch nicht einmal im Traum in den Sinn gekommen sind, habe ich gedacht. Einer, der Dinge weiß, die in keinem Kochbuch stehen und auch nicht in Vaters Kriminalromanen, einer der berühmtesten Köche überhaupt, ein Jahrhundertkoch, von Gourmetkritikern bewundert und mit Preisen überhäuft, nahezu omnipräsent auf allen Fernsehkanälen, ein Hohepriester der lukullischen Religion, ein Halbgott, was sage ich, ein Gott am von Sternen übersäten Himmel der Kochgiganten, ja, genau so einer sitzt dir gegenüber, dir, dem kleinen Kriminalkommissar mit der großen Leidenschaft fürs Kochen und Essen, was für eine einmalige Chance für dich, dem Mann Löcher in den Bauch zu fragen und ihm sein intimstes, streng gehütetes Wissen zu entlocken, seine geheimsten Rezepte, von denen kein Mensch jemals etwas erfahren sollte. Doch welch ein Irrtum, was für eine Enttäuschung!
Um hier kein falsches Bild von dem Mann zu vermitteln: Er ist ein wirklich netter Mensch, sympathisch, höflich, mit einer leisen, angenehmen Stimme und einem Lächeln, das einen sofort für sich einnimmt, keine Spur von Arroganz oder Prominentengehabe, ganz im Gegenteil, man könnte fast sagen, die Bescheidenheit in Person, ein Mann, der nicht sich selbst wichtig nimmt, sondern ausschließlich die Leidenschaft, die ihn beseelt. Wir haben uns von Anfang an ausgezeichnet verstanden, ganz spontan, so, wie es wohl nur bei zwei Menschen passiert, die von derselben Sache begeistert sind. Beim ersten Verhör, sozusagen zum Aufwärmen und um eine angenehme Atmosphäre herzustellen, habe ich ihn gleich einmal gefragt, was er davon halte, dass ich geröstete Nieren mit Frühlingskresse, Koriander und – was den Geschmack meiner Ansicht nach besonders veredelt, aber doch äußerst ungewöhnlich ist – einer Messerspitze Kakao zubereite, und es war gewiss nicht nur Höflichkeit von ihm, als er sich das gut eine Minute lang mit geschlossenen Augen in Gedanken auf der Zunge zergehen lassen und dann gemeint hat, er fände es absolut genial und müsse offen und ehrlich gestehen, dass es ihm nur leidtue, dieses Rezept nun wohl in nächster Zeit nicht selber ausprobieren zu können.
Dieses Geständnis aus dem Mund einer alles überragenden Kapazität der Kochkunst hat mich schon sehr, sehr glücklich und stolz gemacht, denn es ist ihm sicher nicht leichtgefallen. Ich muss zugeben, es hat mir mehr bedeutet als das Geständnis seiner Taten. Darüber bin ich natürlich auch froh gewesen, zwar nicht so wie er, der danach derart befreit geseufzt und entspannt gelächelt hat, als hätte er soeben einem viel zu fetten, schweren Essen einen doppelten Magenbitter hinterhergeschickt und dann ausgiebig und herzhaft gerülpst, nein, nicht so froh und beinahe selig, sondern nur ganz einfach froh.
Es war nämlich der sauberste Tatort, der mir jemals untergekommen ist, die Kollegen von der Spurensicherung waren regelrecht verzweifelt. Nichts als Nirosta und Keramik, alles blitzblank gescheuert und poliert, hygienisch sauber, steril wie ein Operationssaal. Aber eigentlich war das ja zu erwarten gewesen, alles andere hätte mich erstaunt. Der Mann ist ein Vollprofi, für den ist eine bis in den verstecktesten Winkel und die feinste Ritze hundertprozentig gereinigte Küche eine Selbstverständlichkeit, ist ja schließlich nicht unsere versiffte Kantinenküche, in der es nur deshalb keine Mäuse und Ratten gibt, weil die sich ununterbrochen vor Ekel übergeben müssten. Nein, an diesem Tatort, diesem Vorbild an Küchenhygiene, wäre ich bei der Suche nach Indizien glatt verhungert, und da bin ich dann eben doch froh gewesen über das Geständnis, oder besser gesagt, zufrieden und beruhigt.
Und wie ich den Mann bewundert habe, bis zuletzt, bis zu dem Zeitpunkt, ab dem auf einmal nichts mehr aus ihm herauszuholen war, habe ich ihn bewundert, ja, beinahe verehrt. Vierzehn Morde, ohne auch nur die kleinste Spur zu hinterlassen, also ich finde, das ist schon einzigartig, das muss dem Mann erst einmal einer nachmachen! Vor einer derart unglaublichen Verbindung von Leidenschaft und Perfektion kannst du doch einfach nur niederknien, bitte schön! Vierzehn Mal schlachten, tranchieren, ausnehmen, und dann nicht das allerminimalste eingetrocknete Blutspritzerchen oder Hautfitzelchen, Fleischfaserchen, Knochensplitterchen, nein, nichts, absolut null, da gehört schon was dazu, das schafft nur einer, der zu Recht zu den Größten und Besten in seinem Beruf gezählt wird, das muss hier einfach auch einmal gesagt werden, finde ich.
Um über diese, im wahrsten Sinne des Wortes glänzende Leistung grenzenlos begeistert zu sein, muss ich ja nur an die Schweinerei denken, die ich jedes Mal in meiner Küche anrichte, wenn ich ein Coq au Vin zubereite. Ich nehme dafür nämlich kein tiefgefrorenes Huhn, wie es heutzutage fast alle machen, was jedoch in meinen Augen ein ungeheurer Frevel an diesem herrlichen Gericht ist und ein Verbrechen wider den guten Geschmack, nein, ich nehme, wie es sich gehört und wie der Name Coq schon sagt, einen Hahn, und wenn ich keinen richtigen Hahn kriege, dann wenigstens einen Kapaun, den ich ganz traditionell auf einem Bauernhof kaufe, und zwar so frisch, wie es nur möglich ist, also als lebendes Tier, dem ich dann erst bei mir in der Küche eigenhändig den Kopf abhacke. Das ist nicht schön, aber so macht man es nun einmal. Unvermeidlich, dass dabei ziemlich viel Blut spritzt, und bis ich den Kapaun endlich zur Spüle gebracht und dort verkehrt herum zum Ausbluten aufgehängt habe, hat das Blut natürlich schon eine Spur über den halben Küchenboden gezogen, und es kostet mich hinterher viel Zeit und Mühe, alles wieder sauber zu bekommen. Und es geht ja nicht bloß darum, die Spuren des Blutbades zu entfernen, dazu kommen auch noch die versprengten Überbleibsel vom Ausrupfen der Federn und Ausnehmen der Innereien. Nun, ich bin da äußerst penibel und kriege das immer wirklich gut hin, aber die Kollegen von der Spurensicherung würden mit ihren Spezialgeräten sicher fündig werden, davon bin ich überzeugt.
Ich weiß, beim Schlachten stelle ich mich nicht sehr geschickt an, und es wäre vielleicht klug, mir wenigstens einmal eine Plastikfolie als Unterlage zuzulegen, obwohl auch dann sicher ein paar Blutspritzer auf dem Boden oder den Küchenmöbeln landen würden, aber darum geht es hier gar nicht. Was ich eigentlich sagen will: Verglichen mit meiner harmlosen kleinen Kapaun-Abmurkserei müssen die vierzehn Morde doch jedes Mal eine regelrechte Blutorgie gewesen sein. Und so ein Schlachtfeld wieder in einen Zustand zu bringen, als ob nichts gewesen wäre, das ist eine Leistung, die einem einfach Respekt und höchste Bewunderung abnötigt. Und das sage ich jetzt als Kriminalkommissar und nicht als leidenschaftlicher Vertreter der Kochkunst, denn auf diesem Gebiet hat mich der große Kollege, ja, ich wiederhole mich, zuletzt bitter enttäuscht.
Gut,