33 Tage. Marko Rostek

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33 Tage - Marko Rostek

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in der aktuellen Lage durchaus die Gelegenheit für eine Loslösung aus der für Deutschland so beängstigenden Umklammerung sehen. Bethmann Hollweg ergreift in einer Gesprächspause das Wort: „Euer Majestät, meine Herren, um diese Diskussion abzukürzen, schließe ich mich der vorhin geäußerten Meinung Eurer Majestät an, dass, im Hinblick auf deren Verhalten in den vergangenen Balkankonflikten der Jahre 1912 und 1913, die Österreicher einen bewaffneten Konflikt wieder scheuen werden und es ohnehin zu keinem Krieg kommen wird.“ „Da könnten Sie recht haben, Exzellenz.“ Aus Wilhelms Tonfall ist resignierende Enttäuschung herauszuhören.

      Nach einer Weile des Nachdenkens fährt er fort: „Aus den mir heute zur Kenntnisnahme gebrachten Dokumenten geht überdies hervor, dass sie höchstes Augenmerk darauf legen wollen, dass Bulgarien dem Dreibund beitritt. Bevor es so weit ist, würde man nichts unternehmen wollen. Meine Unterstützungszusagen sind daher nicht wirklich als riskant anzusehen.“ Dem Kaiser wird nach dieser Analyse allgemeine Zustimmung zuteil. „Meine Herren“, Wilhelm steht auf und gibt damit das Ende der Unterredung bekannt, „hiermit sind alle Punkte besprochen und ich überlasse Ihnen ab nun Berlin.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedet er sich von seinen Gästen und verlässt das Konferenzzimmer.

      Unmittelbar danach wird der Kaiser abgeholt und im Automobil zum Bahnhof gebracht, wo bereits sein Sonderzug nach Kiel bereitsteht. Wie jedes Jahr steht auch diesen Sommer wieder der alljährliche Kreuzfahrturlaub auf dem Programm. Bethmann Hollweg ist mit dem Ergebnis der Sitzung ausgesprochen zufrieden. Er hat nicht nur im Kriegsminister einen profunden Mitstreiter gefunden, sondern dieser hat ganz in seiner Argumentationslinie bereits seine bevorstehende außenpolitische Ausrichtung vorgegeben: In Wien ist Druck zu machen, damit die Österreicher schnell und kräftig in Serbien Klarheit schaffen, und gegenüber den Mächten ist mit Bestimmtheit der Standpunkt zu vertreten, dass die Angelegenheit nur Österreich-Ungarn und Serbien betreffe. Da mit einer Einmischung von Russland unbedingt zu rechnen sei, wäre es ein Leichtes, das Odium des Verschuldens einer europäischen Auseinandersetzung diesem umzuhängen. Damit wären die Weichen für eine Lösung der Umklammerung gestellt.

      Bethmann Hollweg sitzt noch in seinem Stuhl, als die anderen bereits den Raum verlassen haben. Sein Kopf ruht während dieser Gedanken auf seinen Händen, die er beidseitig auf den Armlehnen des riesigen Lehnstuhls abgestützt hat. Langsam greift er nach seinem Glas, trinkt den letzten Schluck und steht auf. Bedeutend leichteren Schrittes geht er zur Tür und folgt den anderen, die sicherlich schon auf ihn warten. Selbst wenn die Österreicher aktiv reagieren sollten – und wann haben sie das schon jemals getan? –, erscheint das Risiko eines großen Krieges nur minimal.

      „Was, meine Herren, machen Sie mit Serbien nach dem Sieg?“ Theobald von Bethmann Hollweg formuliert diese Frage in einem bewusst provozierenden Tonfall. Er blickt dabei abwechselnd von Staatssekretär Hoyos zum österreichischen Botschafter Szögyény-Marich und wieder zurück. Neben Bethmann Hollweg sitzt Unterstaatssekretär Zimmermann, ein enger Mitarbeiter im Ministerium. Dieser kann bei der Frage ein zynisches Lächeln nicht ganz unterdrücken. Gespannte Blicke sind auf die beiden Österreicher gerichtet.

      Bethmann Hollweg und Zimmermann sind schon geraume Zeit vor der Unterredung mit den Österreichern zusammengekommen und haben die gestrige Konferenz beim Kaiser Revue passieren lassen und auch die kaiserlichen Randbemerkungen am Bericht Tschirschkys ins Kalkül gezogen. Sie sind zum Schluss gekommen, ganz die Linie Wilhelms fortführen zu wollen, wenn die Österreicher willens sind, diesmal Konsequenz, Initiative und Durchhaltevermögen unter Beweis zu stellen. Sollten sie im bevorstehenden Gespräch eine derartige Haltung aus dem Auftreten der österreichischen Delegierten ablesen können, dann könne man sich eine Unterstützungserklärung für Wien auch für eine militärische Aktion gegen Serbien vorstellen. Man will von Österreich Sicherheiten haben, dass es diesmal wisse, was zu tun ist. Aus den beiden vergangenen Balkankriegen hat sich das Deutsche Reich mit dem Hinweis herausgehalten, dass es keine klare Linie in der Wiener Politik zu erkennen in der Lage sei. Auf eine typisch österreichische „Schlamperei“ werde man sich nicht einlassen.

      Noch immer wartet der Reichskanzler auf eine Reaktion und seine Blicke verfinstern sich zusehends. Hoyos erkennt, dass dieser Moment der entscheidende Augenblick seiner Berliner Mission ist, und setzt alles auf eine Karte. Abgebrüht und eiskalt erwidert er: „Wir teilen Serbien zwischen Bulgarien, Rumänien und uns auf. Diese Ziele sind selbstverständlich festgeschrieben.“ Bethmann Hollweg weicht verblüfft zurück und durchbohrt Hoyos mit prüfenden Blicken. Nichts, er kann keine Unsicherheiten ausmachen. Hoyos setzt noch eins drauf: „Damit sind wir das Problem dann endgültig los!“ Er lehnt sich zufrieden zurück und setzt ein ähnlich zynisches und überlegenes Lächeln auf, wie er es zuvor im Gesicht Zimmermanns wahrgenommen hat. Als Taktikexperte in diplomatischen Kreisen hat Alexander Hoyos die Intention der Frage von Bethmann Hollweg richtig gedeutet, denn er kann an der Reaktion der beiden Deutschen erkennen, dass sie zufriedengestellt sind.

      Der angespannten Mienen hellen sich nun zusehends auf, und nachdem Bethmann Hollweg und Zimmermann einen kurzen Blick ausgetauscht haben, richtet der deutsche Reichskanzler wieder das Wort an die beiden Gäste: „Natürlich wird die Entscheidung darüber, wie die Ordnung des Verhältnisses zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und Serbien geregelt wird, Wien überlassen, aber wir sind“, er nimmt seine Brille ab, um den folgenden Worten Nachdruck zu verleihen, „wie auch Seine Majestät Kaiser Wilhelm gestern ausführte, der Ansicht, dass nur ein sofortiges und radikales Einschreiten gegen Serbien als Lösung für Österreichs Schwierigkeiten in Betracht kommt. Kaiser Franz Joseph kann sicher damit rechnen, dass Deutschland als Bundesgenosse und Freund der Monarchie hinter ihm steht, wenn Österreich in diesem Sinne zu handeln bereit ist.“ Zimmermann ergreift das Wort und fügt bedeutungsvoll an: „Im Übrigen sind wir der Meinung, dass die aktuelle internationale Situation günstig dafür erscheint.“ Beide fixieren die Österreicher, um sich zu vergewissern, dass die kryptische Aussage auch tatsächlich richtig verstanden wird. Bethmann Hollweg hebt erwartungsvoll die Augenbrauen und blickt auf sein Gegenüber an der anderen Seite des Tisches. „Da ist sie, die uneingeschränkte Zusicherung aus Berlin, die Minister Berchtold haben wollte“, jubelt Hoyos still in sich hinein. Einem siegessicheren Impuls folgend, flackern bei dem Gedanken seine Augen auf: „Exzellenz, morgen findet in Wien ein Ministerrat statt, der sich mit dem Ergebnis dieser, meiner Mission hier in Berlin befasst und ihre ausgesprochen großzügige Unterstützungszusage in eine entsprechende Beschlussfassung einfließen lassen wird.“

      Bethmann Hollweg und Zimmerman nicken zufrieden. Der österreichische Gesandte hat sie offensichtlich verstanden. In Hoyos’ Kopf arbeitet es wie wild: „Nicht nur, dass man uns im Falle eines Feldzugs jedwede Unterstützung zusagt, man empfiehlt uns auch mehr oder weniger unverhohlen, sofort loszuschlagen. Mit einem Entgegenkommen in dieser Dimension ist nicht zu rechnen gewesen!“ Er muss alle Anstrengungen aufbieten, um nicht in unangebrachte Jubelstimmung zu verfallen. Die Beine übereinanderschlagend erwidert er, dass in den hohen Führungskreisen in Wien, dabei meine er insbesondere den Generalstab und das Kriegsministerium, die gegenwärtige Lage ebenso eingeschätzt werde und man sich durch die soeben angebotene Haltung des Deutschen Reiches ausgesprochen bestärkt in den kommenden Vorhaben sehen werde. Der österreichische Botschafter, der bis dahin abwartend das Gespräch beobachtet hat, wirft ein, dass man im Falle eines militärischen Vorgehens gegen Serbien mit einer Kompensationsforderung Italiens zu rechnen habe. Eine Ablehnung dieses den vertraglichen Regelungen durchaus entsprechenden Begehrens könnte den Dreibund entzweien. Hoyos reißt die Augen auf und denkt: „Was um Himmels willen ist in ihn gefahren …?“ Noch bevor der Botschafter weitersprechen kann, legt Hoyos seine Hand auf dessen Arm und drückt ihn sanft nach unten. Gleichzeitig reißt er das Wort an sich: „Was der Botschafter damit meint, ist, dass wir nicht gewillt sind, diesbezüglich mit den Italienern zu verhandeln, und an das Deutsche Reich die Bitte herantragen, uns in dieser diplomatisch heiklen Sache zu unterstützen.“ Hoyos’ Druck auf den Arm des Botschafters wird stärker, sodass sich dieser in Schweigen hüllt und klein beigibt.

      Tisza hat ihm, Szögény-Marich,

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