Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
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Читать онлайн книгу Die Forsyte-Saga - John Galsworthy страница 21
Allein die Schweigsamkeit Irenens an diesem Abend war außergewöhnlich. Er hatte noch nie einen solchen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen. Und da Ungewohntes immer beunruhigt, war Soames beunruhigt. Er aß seinen Nachtisch und trieb das Mädchen an, als es die Krumen mit der silbernen Tischbürste abfegte. Als es das Zimmer verlassen hatte, füllte er sein Glas mit Wein und sagte:
»War heute Nachmittag irgend jemand hier?«
»June.«
»Was wollte denn die?« Es war ein Axiom bei den Forsytes, daß man nirgendwohin ging, ohne etwas zu wollen. »Wollte sich wohl über ihren Bräutigam aussprechen?«
Irene erwiderte nichts.
»Es sieht mir so aus,« fuhr Soames fort, »als wäre sie verliebter in ihn als er in sie. Sie läuft ihm überall nach.«
Irenens Blicke gaben ihm ein unbehagliches Gefühl.
»Es kommt dir nicht zu, so etwas zu sagen!« rief sie aus.
»Warum nicht? Jeder kann es sehen.«
»Keiner kann das. Und wenn man es könnte, ist es unerhört, es zu sagen.«
Soames verlor seine Fassung.
»Du bist mir eine nette Frau!« sagte er. Aber im geheimen wunderte er sich über ihre hitzige Antwort, das sah ihr gar nicht ähnlich. »Du bist ganz übertrieben mit June. Eines kann ich dir sagen, jetzt, wo sie den Bukanier am Bändel hat, macht sie sich keinen Pfifferling aus dir, du wirst schon noch dahinter kommen. Aber du wirst sie künftig nicht mehr so häufig sehen, wir ziehen aufs Land.«
Es war ihm lieb, seine Eröffnung unter dem Deckmantel dieser gereizten Auseinandersetzung machen zu können. Er hatte einen Ausruf des Entsetzens erwartet, und das Schweigen, mit dem diese Mitteilung entgegengenommen wurde, beunruhigte ihn.
»Es scheint dich nicht zu interessieren,« sah er sich genötigt hinzuzufügen.
»Ich wußte es bereits.«
Er sah sie scharf an.
»Wer sagte es dir?«
»June.«
»Woher wußte sie es?«
Irene antwortete nicht. Enttäuscht und verstimmt sagte er:
»Es ist eine gute Sache für Bosinney; er wird sein Glück dabei machen. Sie hat dir wohl alles darüber erzählt?«
»Ja.«
Es entstand abermals eine Pause, dann sagte Soames:
»Du tust es wohl nicht gern?«
Irene gab keine Antwort.
»Ja, ich weiß nicht, was du willst. Du scheinst hier nie zufrieden.«
»Kommen meine Wünsche dabei irgendwie in Betracht?«
Sie nahm die Vase mit den Rosen und verließ das Zimmer. Soames blieb sitzen. Hatte er dazu den Kontrakt unterzeichnet? Sollte er dafür an zehntausend Pfund ausgeben? Bosinneys Ausspruch: »Frauen sind des Teufels«, fiel ihm wieder ein.
Aber bald beruhigte er sich. Es hätte schlimmer kommen können. Sie hätte aufbrausen können. Er hatte etwas mehr erwartet als dies. Ein glücklicher Zufall immerhin, daß June das Eis für ihn gebrochen hatte. Sie hatte es wohl aus Bosinney herausgelockt; das hätte er sich doch denken können.
Er zündete sich eine Zigarette an.
Schließlich hatte Irene doch keine Szene gemacht! Sie würde nachgeben – das war das Beste an ihr; sie war zwar kalt, aber nicht trotzig. Er paffte einen Marienkäfer auf dem blanken Tisch an und versank in Nachdenken über sein Haus. Es hatte keinen Zweck sich zu ärgern; er wollte sofort zu ihr und alles wieder gut machen. Sie saß wahrscheinlich im Dunkeln draußen unter dem japanischen Sonnenschirm und strickte. Die Nacht war warm und schön ...
Wirklich war June am Nachmittag mit leuchtenden Augen gekommen und hatte gesagt: »Soames ist ein guter Kerl! Eine famose Sache für Phil – genau, was er braucht!«
Da Irenens Gesicht verständnislos und verblüfft blieb, fuhr sie fort:
»Euer neues Haus in Robin Hill nämlich. Wie? Weißt du nichts davon?«
Irene wußte nichts.
»O, dann hätte ich es dir wohl nicht sagen dürfen!« Und mit einem ungeduldigen Blick auf die Freundin hatte sie ausgerufen: »Du siehst aus, als liege dir nichts daran. Siehst du denn nicht, daß es gerade das ist, was ich immer gewünscht habe – genau die Gelegenheit, die er braucht. Jetzt wirst du sehen, was er kann;« und dann gab sie die ganze Geschichte zum besten.
Seit ihrer eigenen Verlobung schien sie kein großes Interesse an der Lage der Freundin zu nehmen; die Stunden, die sie bei Irene zubrachte, waren ihren eigenen vertraulichen Mitteilungen gewidmet. Und zuweilen war es ihr trotz ihres liebevollen Mitgefühls unmöglich, einen Anflug verächtlichen Mitleids mit der Frau zu unterdrücken, die einen solchen Fehler im Leben begangen hatte – solch einen unbesonnenen, lächerlichen Fehler.
»Er soll auch die Inneneinrichtung machen – er hat völlig freie Hand. Es ist prächtig –« Sie lachte fröhlich auf, ihre kleine Gestalt bebte vor Vergnügen; sie hob die Hand und schlug nach einem Musselinvorhang. »Weißt du, ich bat sogar Onkel James –« Aber in einer plötzlichen Unlust von dem Vorfall zu sprechen, hielt sie inne und ging, da sie ihre Freundin so einsilbig fand, dann plötzlich fort. Auf der Straße blickte sie noch einmal zurück, Irene stand noch in der Haustür. Ihren Abschiedsgruß erwidernd, winkte sie mit der Hand, wandte sich langsam um und schloß die Tür ...
Soames ging ins Wohnzimmer und spähte durchs Fenster nach ihr.
Draußen im Schatten des japanischen Sonnenschirmes saß sie ganz still, die Spitze auf ihren weißen Schultern bewegte sich, wenn der Busen sich leise hob und senkte.
Aber die schweigsame Gestalt, die so regungslos dort im Dunkeln saß, schien eine Wärme, eine heimliche Glut zu durchzittern, als wäre ihr ganzes Wesen aufgewühlt und ein Wandel in ihrem tiefsten Innern eingetreten.
Er stahl sich unbemerkt ins Speisezimmer zurück.
Sechstes Kapitel
James auf eigene Hand
Es währte nicht lange, bis Soames' Entschluß zu bauen in der Familie herumgekommen war und eine Unruhe verursachte, wie jede Entscheidung, die mit Vermögensangelegenheiten in