Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
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Читать онлайн книгу Die Forsyte-Saga - John Galsworthy страница 36
Schließlich konnte sie es nicht länger ertragen.
»Ich möchte dir etwas sagen, Phil,« sagte sie.
»Ja?«
Der abwehrende Ton in seiner Stimme trieb ihr das Blut in die Wangen und die Worte auf die Lippen: »Du gibst mir gar keine Gelegenheit, lieb zu dir zu sein, schon seit einer Ewigkeit nicht mehr!«
Bosinney starrte auf die Straße hinunter. Er gab keine Antwort.
Leidenschaftlich rief June: »Du weißt, daß ich alles für dich täte – daß ich dir alles sein möchte –«
Ein Summen von der Straße stieg empor und mit durchdringend schrillem Ton kündigte die Glocke das Aufgehen des Vorhangs an. June rührte sich nicht. Ein verzweifelter Kampf tobte in ihr. Sollte sie alles auf eine Probe ankommen lassen? Sollte sie offen Rechenschaft über jenen Einfluß, jene Anziehungskraft fordern, die ihn von ihr forttrieben? Es lag in ihrer Natur zu fordern und so sagte sie: »Nimm mich am Sonntag mit, Phil, und zeige mir das Haus!«
Mit einem bebenden, zuckenden Lächeln und dem – so schweren – Versuch nicht zu verraten, daß sie ihn beobachtete, blickte sie ihn forschend an. Sie sah ein unschlüssiges Zögern in seinem Gesicht, sah, wie eine verlegene Falte sich zwischen den Brauen bildete und das Blut ihm ins Antlitz schoß. Er erwiderte:
»Nicht Sonntag, Liebling, an einem andern Tag!«
»Warum nicht Sonntag? Ich wäre doch Sonntag nicht im Wege!«
Er nahm sich offenbar zusammen und sagte: »Ich habe eine Verabredung.«
»Du willst mit –«
Seine Augen wurden zornig; er zuckte die Achseln und erwiderte: »Eine Verabredung, die mich verhindert, dir das Haus zu zeigen!«
June biß sich auf die Lippen, bis sie bluteten und kehrte ohne ein Wort weiter auf ihren Platz zurück, aber sie konnte den Tränen des Zornes nicht wehren, die ihr über die Wangen rollten. Glücklicherweise war das Haus einer Verwandlung wegen verdunkelt, und niemand konnte ihren Kummer sehen.
Allein in dieser Welt der Forsytes sollte keiner sich vor Beobachtung sicher wähnen.
Drei Reihen hinter ihnen saß Euphemia, Nicholas' zweite Tochter, mit ihrer verheirateten Schwester Mrs. Tweetyman und paßten auf.
Sie erzählten bei Timothy, wie sie June und ihren Bräutigam im Theater gesehen.
»Im Parkett?« »Nein, nicht da –« »Ach, im ersten Rang natürlich. Das war jetzt wohl Mode bei den jungen Leuten?«
Nicht – gerade da. Im – Doch einerlei, diese Verlobung würde jedenfalls nicht lange dauern. Sie hatten nie jemand in einer solchen Donnerwetterlaune gesehen wie diese kleine June! Mit Tränen der Wonne in den Augen erzählten sie, wie sie einem Herrn den Hut heruntergestoßen hatte, als sie mitten im Akt auf ihren Platz zurückkam, und was für ein Gesicht der Mann dabei gemacht. Euphemia war bekannt wegen ihres leisen Lachens, das wider alles Erwarten in hohe Quietschtöne überging; und als Mrs. Small mit emporgehobenen Händen sagte: »Du lieber Himmel, einen H – ut heruntergestoßen?« stieß sie eine solche Menge dieser Töne aus, daß sie mit Riechsalzen beruhigt werden mußte. Beim Fortgehen sagte sie zu ihrer Schwester: »Einen H–ut heruntergestoßen! Ach! ich lache mich noch tot!«
Für ›die kleine June‹ war dieser Abend, der ›ein Fest‹ für sie hatte sein sollen, der elendeste, den sie je erlebt. Sie versuchte, weiß Gott, ihren Stolz, ihren Argwohn und ihre Eifersucht zu verbergen!
An der Haustür trennte sie sich von Bosinney, ohne zusammenzubrechen; das Gefühl, ihren Bräutigam wieder erobern zu müssen war stark genug, sie aufrechtzuerhalten, bis seine verhallenden Schritte ihr den ganzen Umfang ihres Elends zum Bewußtsein brachten.
Der geräuschlose ›Scheinheilige‹ ließ sie ein. Sie wäre gern nach oben in ihr eignes Zimmer geschlüpft, aber der alte Jolyon, der sie kommen gehört, stand in der Tür des Eßzimmers.
»Komm herein und trinke deine Milch,« sagte er. »Sie ist für dich warm gestellt. Du kommst sehr spät. Wo warst du denn?«
June stand am Kamin, einen Fuß auf dem Gitter und den Arm auf das Sims gestützt, wie ihr Großvater getan, als er neulich aus der Oper nach Haus gekommen war. Sie war zu nahe am Zusammenbrechen, um zu überlegen was sie ihm sagen sollte.
»Wir waren bei Soames zu Tisch.«
»Aha, bei dem reichen Mann! War seine Frau da – und Bosinney?«
»Ja.«
Der alte Jolyon heftete seine Augen mit dem durchdringenden Blick auf sie, vor dem so schwer etwas zu verbergen war; aber sie sah ihn nicht an, und als sie ihm das Gesicht zukehrte, gab er sogleich sein Forschen auf. Er hatte genug gesehen, nur zu viel. Er bückte sich, um ihr die Tasse Milch vom Kamin zu reichen und brummte, indem er sich abwand: »Du solltest nicht so spät nach Haus kommen, es taugt dir nicht.«
Er war jetzt nicht zu sehen hinter seiner Zeitung, die er mit zornigem Knistern umblätterte; aber als June zu ihm kam und ihn küßte, sagte er: »Gute Nacht, mein Liebling!« in einem so unvermutet zitternden Ton, daß sie nur noch eben das Zimmer verlassen konnte, ehe sie in einen Weinkrampf verfiel, der noch bis tief in die Nacht hinein andauerte.
Als die Tür sich geschlossen hatte, legte der alte Jolyon die Zeitung fort und starrte lange besorgt vor sich hin.
»Der Lump!« dachte er. »Ich habe immer gewußt, daß sie ihre Not mit ihm haben würde!«
Es stürmten unruhige Zweifel und argwöhnische Vermutungen auf ihn ein, die um so quälender waren, als er sich machtlos fühlte, den Gang der Ereignisse aufzuhalten oder zu bewachen.
Wollte der Bursche sie etwa hintergehen? Er hatte Lust zu ihm zu gehen und ihn danach zu fragen. Aber wie konnte er? Er wußte wenig oder gar nichts, war aber bei seinem untrüglichen Scharfsinn sicher, daß irgend etwas vorging. Er befürchtete, daß Bosinney zu oft in Soames' Haus am Montpellier Square kam.
»Dieser Mensch,« dachte er, »ist vielleicht kein Taugenichts; er sieht nicht schlecht aus, aber er ist ein seltsamer Kauz. Ich werde nicht recht klug aus ihm, werde es sicher nie! Er soll arbeiten wie ein Nigger, aber es kommt nichts Gutes dabei heraus. Er ist unpraktisch und hat keine Methode. Wenn er hier ist, sitzt er stumpfsinnig da und hält Maulaffen feil. Wenn ich ihn frage, was für Wein er will, sagt er: »Danke, es ist mir ganz einerlei.« Biete ich ihm eine Zigarre an, so rauchte er sie, als wäre sie ein deutsches Zweipfennigkraut. Ich sehe nie, daß er June anschaut, wie er sie anschauen sollte, und doch ist er nicht hinter ihrem Gelde her. Wenn sie ihm nur einen Wink gäbe, machte er die ganze Sache morgen rückgängig. Aber das tut sie nicht – niemals! Sie hält fest an ihm! Sie ist unbeugsam wie das Schicksal – sie gibt ihn niemals auf!«
Mit einem tiefen Seufzer nahm er die Zeitung wieder auf; vielleicht fand er in ihren Spalten Trost.
Und oben in ihrem Zimmer saß June am offenen Fenster, wo der Frühlingswind vom Park herüberwehte ihr die heißen Wangen zu kühlen und das Herz verbrannte.
Drittes Kapitel
Spazierfahrt mit Swithin