Was GOTT ADAM und EVA nicht sagte. Daniel Allemann
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Die Moderatorin, die beim Zuhören kritisch den Mund verzogen hatte, warf ein: „Finden Sie nicht, Sie übertreiben da jetzt etwas?“
Aber die junge Frau ließ sich nicht von ihrer Meinung abbringen: „Übertreiben? Auf keinen Fall! Fragen Sie mal die Frauen in Ihrem Umfeld, die allermeisten werden mir recht geben: Dauerhaft glückliche Paare gibt es nicht! Man muss schon wirklich dumm sein, um daran zu glauben!“
Und sie fügte hinzu: „Bravo, Sandrine! Kämpfen Sie weiter, um den Frauen endlich mal die Augen zu öffnen. Dann bewahren Sie sie vielleicht davor, die Ammenmärchen zu glauben, die ihnen schon viel zu lange aufgetischt werden!“
Mein Interviewer schien sich selbst für sehr witzig zu halten, als er bemerkte: „Jetzt kommt man sich hier schon fast wie auf einer Feministinnentagung vor ...“
Da ich keinen Mucks von mir gab, beeilte er sich, einen weiteren Anruf entgegenzunehmen.
Diesmal behielt er seinen Unmut für sich. Was die Hörerin zu sagen hatte, war nicht dazu geeignet.
„Ich habe mir die komplette Sendung bis jetzt angehört. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihnen nicht zustimme; ich bin empört, was Sie hier sagen. Ich glaube an die Liebe! Ich bin 48. Als ich meinen Partner kennenlernte, war ich 26. Wir waren immer glücklich und haben uns sehr geliebt, das garantiere ich Ihnen! Leider starb er vor sechs Jahren bei einem Verkehrsunfall. Er fehlt mir unendlich. Seit seinem Tod komme ich fast um vor Einsamkeit, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke.“
Der Moderator antwortete prompt mit der übertrieben traurigen Stimme eines schlechten Schauspielers: „Seien Sie überzeugt, dass wir alle aus tiefstem Herzen bei Ihnen sind.“
Die Hörerin fuhr fort: „Vielen Dank, das berührt mich. Aber ich möchte gerne wissen, was die ‚Liebes-Spezialistin‘ Sandrine Rochas von meiner Meinung hält.“
Mit einem spöttischen Lächeln wandte sich die Moderatorin an mich: „Sandrine, was antworten Sie dieser Hörerin, deren bewegender Fall Ihre systematische Abwertung der Liebe widerlegt?“
Sie glaubte, mich endlich in die Enge getrieben zu haben. Ihr Lächeln war triumphierend.
„Zuerst einmal möchte auch ich ihr mein aufrichtiges Mitgefühl versichern. Aber dann möchte ich ihr auch sagen, dass man aus vergangenem Glück nicht schließen kann, dass es die Liebe gibt ...“
„Warum?“, fragte der Starmoderator, ausnahmsweise mal ernst und aufmerksam.
„Weil ihre Aussage meiner Meinung nach nur eines beweist ...“
„Und das wäre?“, fragten meine beiden Interviewer im Chor.
„Das, was wir Liebe nennen, ist lediglich ein Ausdruck der Angst vor Einsamkeit, die in jedem Menschen vorhanden ist. Oder zumindest bei der großen Mehrheit. Ich werde nur eine einzige Tatsache anführen, obwohl ich Ihnen noch viele weitere nennen könnte: Die Hörerin sagt selbst, dass sie seit dem Tod ihres Partners vor Einsamkeit fast umkommt. Es ist genau diese Einsamkeit, wegen der sie leidet, nicht der Verlust einer Liebe, die einfach nur das Produkt ihrer Einbildung war ...“
Sofort unterbrach mich die Hörerin empört: „Ich habe meinen Partner wirklich geliebt, und er mich auch, und ich verbiete Ihnen, das Gegenteil zu behaupten!“
Ich hatte Mitleid mit ihr, aber nicht derart, dass ich jetzt gegen meine eigene Überzeugung sprach: „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Ich sage weder, dass Sie und Ihr Partner keine tiefen Gefühle füreinander hatten, noch, dass Sie nicht zutiefst glücklich zusammen waren. Ich sage nur, dass diese Gefühle nur der unbewusste Ausdruck der Angst vor Einsamkeit waren, die in jedem von uns existiert. Denn ich sage es gerne noch mal: Die Liebe gibt es nicht! Sie ist nur eine Illusion mit dem einzigen Ziel, uns diese Angst zu ersparen.“
Die Hörerin ersparte sich jeden Kommentar und legte wütend auf.
Kurzes Schweigen in der Leitung, dann reagierte der Moderator und nahm einen weiteren Anruf entgegen.
Eine halbe Stunde später war die Sendung zu Ende. Zwei Drittel der Anrufer, Frauen und Männer gleichermaßen, waren auf meiner Seite. Einmal mehr zeigte mir die Erfahrung, dass ich nicht die Einzige war, die sich weigerte, an dieses inhaltsleere Wort Liebe zu glauben. Spaß machte mir das alles nicht. Es gefällt mir nicht besonders, Träume zu zerstören. Außer, wenn sie gefährlich sind, weil sie zu schmerzhaften Enttäuschungen führen.
Das übrige Drittel der Anrufer bestand aus Liebes-Groupies. Männer und Frauen, die felsenfest an die Liebe glaubten. Ich konnte es ihnen nicht verübeln: Auch ich hatte einmal daran geglaubt ...
Ich sprach kurz mit dem Regisseur, dann vermeldete der Moderator, dass die Anrufe sämtliche Rekorde gebrochen hatten. Sofort schlug er mir ein weiteres Interview in den kommenden Wochen vor. In den Augen der Moderatorin sah ich Wut. Nur um sie zu ärgern, stimmte ich zu!
2
DÜSTERE LIEBESORAKEL
Nach der Radiosendung wollte das Studioteam noch gemeinsam etwas trinken gehen, aber ich lehnte dankend ab. Ich zog es vor, alleine in einer Brasserie in der Nähe der Champs-Elysées „wieder runterzukommen“.
Es war noch nicht besonders viel los, der große Ansturm würde erst gegen Mittag kommen. Ich ließ mich in einer ruhigen Ecke nieder und bestellte mir einen Irish Coffee, mein Lieblingsgetränk zu jeder Tages- und Nachtzeit. Draußen verdüsterte sich der Himmel zusehends, dann begann eisiger Regen zu fallen. Wie schaurig! Bei dem Wort fiel mir mein Gefühlsleben ein. Auch das war einfach nur schaurig! Eine lange Reihe von Fehlschlägen ...
Obwohl ich anfangs „alles hatte, um glücklich zu sein“, wie die Leute immer sagen, die reden, ohne nachzudenken. Wenn sie wüssten ... Wenn sie sich nur mal für einen kurzen Augenblick in die Lage derjenigen versetzen würden, über die sie urteilen ...
Während meines Studiums hatte ich einige Beziehungen. Flüchtige Affären, nichts Ernstes. Wir machten uns keinen Kopf darüber, ob wir unser Leben zusammen verbringen wollten. Wir wussten ganz genau, dass es nicht so weit kommen würde. Man gefiel sich, man verstand sich. Das Leben genießen, mit Freunden Spaß haben und Sex haben, wenn wir Lust darauf hatten, das war alles, was zählte. Irgendwann war dann ganz entspannt Schluss, und wir blieben gute Freunde. Bei alldem war nicht ein Funken Liebe im Spiel! Nur Spaß.
Ein paar Jahre später glaubte dann auch ich, die große Liebe gefunden zu haben, von der alle Teenager schwärmen. Ich war 26. Gerade war ich von der Redaktion einer Klatschzeitschrift als Praktikantin eingestellt worden. Eines Tages bat mich mein Redaktionsleiter, Bertrand S. zu interviewen, einen berühmten Rechtsanwalt, der fast mehr Zeit in TV- und Radiostudios verbrachte als im Gerichtssaal! Von sich reden zu machen, war das Einzige, was ihm wirklich wichtig war. Selbstverständlich, um danach die Kohle einzufahren!
Damals war er noch nicht ganz so bekannt. Er war in den Dreißigern, sah gut aus, hatte unglaublichen Charme und eine tiefe, samtweiche Stimme, bei der einem köstliche Schauer den Rücken hinunterliefen. Zumindest ging es mir so bei unserem Interview. Als angehende Journalistin kam ich mir vor wie eine verpickelte Studentin vor Brad Pitt höchstpersönlich. Worüber sprachen wir? Ich weiß es nicht mehr. Um ehrlich zu sein, war es mir völlig egal, sogar schon während des Gesprächs. Ich hatte nur noch Augen für ihn.
Nach dem Interview lud er mich in ein Restaurant