Hightech-Kapitalismus in der großen Krise. Wolfgang Fritz Haug

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Hightech-Kapitalismus in der großen Krise - Wolfgang Fritz Haug

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des »Doppelschlags«, der die US-Ökonomie 2000/2001 getroffen hat: »Erst platzt die Internetaktienhausse, dann folgen die Terrorangriffe vom 11. September.« (Fehr 2008) Die Politik antwortete mit Kaufaufrufen, Zinssenkung und Krediterleichterungen, um, wie Peter Gowan (2009) gezeigt hat, das Platzen der Dot.com-Blase frei nach Hyman Minsky strategisch durch den Aufbau der Immobilienblase zu kompensieren.31 »Wir haben daher«, fährt Brenner (2009, 6) fort, »während der letzten etwa zwölf Jahre das außergewöhnliche Schauspiel einer Weltwirtschaft erlebt, in der die Fortdauer der Kapitalakkumulation buchstäblich abhängig geworden ist von historischen Wellen der Spekulation, sorgfältig genährt und rationalisiert durch die staatlichen Entscheidungsträger und Behörden«. Keine Rede mehr von gierigen Bankern.

      Und selbst noch 2009, da laut Weltbank die Große Krise noch immer keinen »Boden«, wie die Börsianer sagen, gefunden hatte, beschrieb der Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der DZ-Bank die Situation folgendermaßen: »Der zweifellos auf der Welt vorhandene Geldüberhang dürfte sein Ventil eher in einer neuen ›asset bubble‹ finden« (Jäckel), einer erneuten »Anlagen-Spekulationsblase« – das ist der Kern von Brenners »Vermögenspreis-Keynesianismus«.

      Doch Vorsicht! Das moralische Schuldverlangen darf sich nicht vorschnell auf die US-Regierung festlegen. Denn die ganze Welt hat davon gezehrt. Ihr Geld vermehrt haben die einen, Lohnarbeit gefunden die anderen. Dass die USA in Folge jener Politiken zunehmend mehr verbrauchten, als sie herstellten, und als »Konsumenten letzter Instanz« wirkten, wurde zum Konjunkturmotor der Welt. Chinas Überproduktion bildete die komplementär-dynamische Gegenmenge zur US-Überkonsumtion. Dafür legte China seine Handelsüberschüsse vornehmlich in US-Staatsanleihen fest, zumal Direktinvestitionen von der US-Politik behindert wurden. Auf die dabei sich entfaltende Herr-Knecht-Dialektik kommen wir im »Chimerika«-Kapitel zurück.

      Sollte man angesichts des kreditbasierten Überkonsums der USA als anscheinend unentbehrlicher Konjunkturlokomotive womöglich statt vom finanzgetriebenen vom Konsumkredit-getriebenen Kapitalismus sprechen? Um solchen Schlagwörtern zu entgehen, wechseln wir die Analyseebene. Das Problem der Probleme, »die Hauptursache«, ist für Robert Brenner das Sinken der Profitrate. Wo er dieses Sinken auf »eine anhaltende Tendenz zur Überkapa­zität in der weltweiten verarbeitenden Industrie« zurückführt (2009, 5), unterscheidet Marx drei krisentheoretisch zu berücksichtigende Wirkungszusammenhänge. Den ersten fasst er als einen dem Verwertungsprozess innewohnenden Mechanismus der Produktivkraftentwicklung; den zweiten als Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate; den dritten als Gesetz der Kapital-Überakkumulation. Es ist kein bloßer Streit um Worte, wenn wir uns mit der zunächst bequemer scheinenden Kategorie der »Überkapazität«, die sich auf einzelne Branchen und damit auf bestimmte Güterklassen (Gebrauchswerte) bezieht, nicht zufrieden geben und stattdessen versuchen, mit Marx ins innere Getriebe des Kapitalverwertungsprozesses im systemischen Ganzen vorzudringen.

      Dank einer dem Standard vorauspreschenden Produktivkraftentwicklung können Einzelkapitale einen Extraprofit erzielen. Die Konkurrenten müssen bei Strafe des Untergangs nachziehen, wodurch das neue Produktivitätsniveau zum Standard und der Extraprofit eingeebnet wird, sofern er nicht aus einer dem nunmehr neuen Standard wiederum vorauspreschenden Produktivkraftentwicklung neu entspringt. Das Kapital kann sich folglich im Ganzen nicht anders vermehren, als indem es zugleich seine Produktionsweise permanent umwälzt. Der letzte Große Sprung vorwärts dieser Art war der zur computergestützten Produktionsweise, der sich mit seiner Myriade kleinerer Sprünge in der Dynamik des transnationalen Hightech-Kapitalismus noch immer als Destabilisierung und Dynamisierung aller Produktions-, Politik- und Lebensverhältnisse auf Erden bemerkbar macht.

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