Du bist an meiner Seite. Reinhold Ruthe
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Können wir den Augenblick genießen, den Kaffee Schluck für Schluck trinken, die Blüten in ihrer Pracht bewundern, die Vogelstimmen aufnehmen und ein Gedicht in seiner Tiefe bedenken? Wer in seinem Tun und Lassen einen Sinn spürt und wer sein Leben als sinnvoll wahrnimmt, kann zur Gegenwart Ja sagen, kann den Augenblick genießen, kann Stille aushalten, kann verweilen und muss nicht krampfhaft die Zeit ausfüllen.
Wer die Gewissheit hat: »Du zeigst mir den Weg zum Leben«, der schätzt den Augenblick und genießt die Gegenwart.
20. JANUAR
Ihr wisst auch, dass es heißt: »Liebe alle, die dir nahestehen,
und hasse alle, die dir als Feinde gegenüberstehen.«
Ich aber sage euch: »Liebet eure Feinde und betet für die,
die euch verfolgen.«
MATTHÄUS 5, 43 – 44
Ist diese Forderung Jesu nicht eine unmögliche Zumutung?
Als ich einmal nach Süddeutschland unterwegs war, las ich im Zug eine kleine Geschichte. Ein Mann besaß einen Tante-Emma-Laden im Städtchen. Er verdiente nicht schlecht, und er war zufrieden. Aber dann öffnete in der Nähe ein großer Supermarkt, und der Besitzer des Tante-Emma-Ladens geriet in Verzweiflung. Er war Christ, deshalb ging er zu seinem Seelsorger und offenbarte ihm seine Not. Am liebsten hätte er den Supermarkt angezündet, um die übermächtige Konkurrenz loszuwerden. Der Seelsorger riet ihm aber, jeden Tag zuerst für sein Geschäft und dann für den Supermarkt Gottes Segen zu erflehen. Durch diese Gebete änderte der Besitzer des Tante-Emma-Ladens seine destruktive Gesinnung vollkommen, ja er bekam sogar eine gute Beziehung zum Leiter des Supermarktes. Eines Tages musste er dann doch seinen kleinen Laden schließen, aber was passierte? Der Leiter des Supermarktes holte ihn als Filialleiter in sein Unternehmen.
In der Tat: Es ist mein Denken, das eine Sache positiv oder negativ macht. Wer negativ denkt, handelt negativ.
Wer positiv betet, ändert seine Denk- und Lebensweise. Wir können uns eine solche Gesinnung von Gott schenken lassen. Denn niemand kann aus eigener Kraft für seine Feinde beten, niemand kann von sich aus mit einer Handbewegung den Hebel von der Feindschaft zur Freundschaft umlegen.
21. JANUAR
Ihn ließ er sterben zu unserer Rettung. Unsere ganze Schuld
hat er uns vergeben, weil Christus sein Blut vergossen hat.
So zeigte uns Gott den ganzen Reichtum seiner Gnade.
EPHESER 1, 7
Können wir einem Todfeind vergeben?
Der Schriftsteller Dostojewski schrieb über zwei Brüder, die miteinander über Gott sprachen. Einer war ein Zweifler, der andere ein Mönch. Der Zweifler erzählte eine grausame Geschichte: »Ein böser Herr hatte einen Lieblingshund. Ihm hatte der kleine Sohn eines Leibeigenen aus Versehen einen Stein ans Bein geworfen. Aus Zorn ließ der Herr den Knaben vor den Augen seiner Mutter umbringen. Was soll man hier tun?«, fragte der Zweifler den gläubigen Mönch. »Den Herrn erschießen? Aber wem hilft das? Und wenn es Versöhnung geben soll: Wer darf eine solche Tat überhaupt verzeihen? Der Junge? Oder darf die Mutter dem Mörder ihres Jungen vergeben?« Und er forderte: »Hör auf, nach Sühne und Versöhnung zu suchen, die es im Himmel und auf Erden doch nicht gibt, weil es sie gar nicht geben kann!«
»Nein, dabei kann ich mich nicht beruhigen«, antwortete der Mönch. »Du sagtest: Ist denn auf der ganzen Welt auch nur einer, der verzeihen könnte und ein Recht dazu hätte? Aber dieser Eine lebt ja, und er kann alles verzeihen, allen und jedem, weil Er ja selbst sein unschuldiges Blut hingab für alle und alles. Du hast seiner vergessen.«
Mit unserer Kraft gelingt es uns nicht, einem Todfeind zu vergeben. Der Sohn Gottes betete am Kreuz für seine Mörder: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« So etwas übersteigt unsere Kraft. Nur in Jesus können wir glühenden Hass und bittere Feindschaft überwinden. Nur in Jesus können wir die Spirale der Rache und der Gewalt stoppen.
22. JANUAR
Versöhne dich mit deinem Bruder, und als Dank komm
und opfere deine Gaben.
MATTHÄUS 5, 24
Die Versöhnung spielt in Ehen, Familien und unter Völkern eine wesentliche Rolle. Ohne Versöhnung bleiben Hass und Lieblosigkeit lebendig.
Jürgen Werth hat ein schönes Lied über die Versöhnung geschrieben:
»Wie ein Regen in der Wüste,
frischer Tau auf dürrem Land.
Heimatklänge für Vermisste,
alte Feinde, Hand in Hand.
Wie ein Schlüssel im Gefängnis,
wie in Seenot ›Land in Sicht‹,
wie ein Weg aus der Bedrängnis,
wie ein strahlendes Gesicht.
So ist Versöhnung.
So muss der wahre Friede sein.
So ist Versöhnung.
So ist Vergeben und Verzeihen.«
Vergebung und Versöhnung schaffen ein völlig neues Lebensgefühl. Hass und Feindschaft sind vorbei. Isolation, Gefängnis und Einsamkeit haben ein Ende.
Die Holländerin Corrie ten Boom, die selbst Feindschaft und Konzentrationslager erlebt hat, formuliert es so: »Wenn dir der Herr deine Sünden abnimmt, siehst du sie niemals wieder. Er wirft sie ins tiefste Meer, vergeben und vergessen. Ich glaube sogar, dass er ein Schild darüber anbringt: Fischen verboten!«
Jesus macht die Reihenfolge klar: Erst Frieden und Versöhnung mit deinem Bruder, mit deiner Schwester, mit deinem Nächsten, und dann gehe in den Gottesdienst. Der Gottesdienst ohne die Versöhnung im Zwischenmenschlichen wird zur Heuchelei.
23. JANUAR
Und derselbe (Jesus Christus) ist die Versöhnung
für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren,
sondern auch für die der ganzen Welt.
1. JOHANNES 2, 2
Kennen Sie die Geschichte von Claude Eartherly, einem der Piloten, der die Bombe auf Hiroshima abgeworfen hat? Er gab den Befehl. Nach seiner Entlassung aus der Armee unternahm er zwei Selbstmordversuche und landete in einer psychiatrischen Anstalt. Die Schuld raubte ihm den Verstand.
Dreißig Mädchen aus Hiroshima schrieben ihm: »Wir Mädchen sind