Du bist an meiner Seite. Reinhold Ruthe

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Du bist an meiner Seite - Reinhold Ruthe

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schrieb der Agnostiker Sheldon Vanauken, der eines Tages Christ wurde.

      Aber ist es nicht so, dass nur nach leidvollen Erfahrungen, nur nach Katastrophen sich das Volk Israel im Alten Testament Gott wieder zuwandte? Wie formulierte es der englische Professor, Schriftsteller und Christ C. S. Lewis: »Gott flüstert in unseren Freuden, er spricht in unserem Gewissen; in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megafon, eine taube Welt aufzuwecken.«

      Aus der Hölle des Konzentrationslagers schrieb Corrie ten Boom: »Egal, wie tief unsere Finsternis, er ist immer noch tiefer.« Ja, das ist wahr: Christus wurde in Auschwitz vergast. Er wurde in Soweto verhöhnt. Er wurde und wird in Nordirland verspottet und im Sudan versklavt. Jesus steigt zu uns in die Hölle hinab. In den tiefsten Abgründen unseres Lebens steht er neben uns.

      Wenn wir von Menschen verraten werden, dann sollen wir wissen: Er wurde geschmäht und verraten – für uns. Wenn wir im Leid zerbrochen werden, dann sollen wir wissen: Er wurde am Kreuz zerbrochen – für uns.

      Jesus wird uns nicht allein lassen. In den Seligpreisungen schenkt er uns seine Zusage: »Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.« Denn nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die, die leiden, die krank sind und von Schmerzen und Kummer niedergedrückt werden.

       Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von

       neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid ab,

       und der Riss wird ärger.

      MATTHÄUS 9, 16

      Jesus ist kein Flickschuster. Das alte Leben wird nicht einfach überlackiert oder mit einem Flicken heil gemacht. Er schafft Neues und einen neuen Menschen.

      Bei Michael Depuhl habe ich das so formuliert gesehen: »Da lese ich also folgende Werbung: ›You will never become an e-business by piecing together software you already have‹– was ungefähr übersetzt heißt: ›Sie werden nie ein E-Business werden, wenn Sie Teile zusammenstückeln, die Sie schon haben.‹ Mit anderen Worten: Wenn Sie einen wirklichen Neuanfang wollen, können Sie nicht Teile Ihres alten Lebens, das Sie schon haben, verwenden. Entweder wurschteln wir weiter mit Dingen, von denen wir denken, ›die sind noch gut‹– meine Energie, meine Geduld, meine Liebe, mein Leben – oder, nun ja, wir bekommen ein komplett neues Leben.«

      »Das Alte ist vergangen«, heißt es in der Bibel, »ein Neues ist im Werden.« In der alten Lutherübersetzung stand noch: »Alles ist neu geworden.« Luther hatte recht: Nicht aus Alt mach Neu, sondern neu geboren, das ist das Prinzip. Eine neue Schöpfung.

      Vor Jahren habe ich mal ein altes Auto sehr schön überlackieren lassen. Es sah wirklich wie neu aus. Aber schon nach einem Jahr kamen die alten Roststellen überall zum Vorschein. Der neue Lack war überflüssig, die Lackierung hat sich nicht gelohnt.

      Jesus will neue Menschen, keine reparierten und teilüberholten Wesen. Aus einer Raupe wird ein Schmetterling, ein wirklich neues Geschöpf. Das ist auch Gottes Ziel mit uns.

       Und dient einander, ein jeder mit der Gabe,

       die er empfangen hat, als die guten Haushalter

       der mancherlei Gnade Gottes.

      1. PETRUS 4, 10

      In einer Zeitschrift der Willow-Creek-Gemeinde in Amerika las ich folgenden Beitrag zum Thema »der kreative Gottesdienst«: »Ab und zu frage ich bei Gemeindeaufbau-Seminaren die Mitarbeiter, welche Gottesdienste oder Predigten der vergangenen zehn Jahre ihnen im Gedächtnis geblieben sind. Schmunzeln. Was würde Ihnen einfallen? Ich erlebe jedes Mal das Gleiche: In neunzig Prozent der Fälle handelt es sich um Erinnerungen, die von irgendeinem kreativen Impuls ausgelöst wurden: Der Prediger stand auf Stelzen, verschenkte fünfzig Euro, brachte sein Kaninchen mit, machte eine Abstimmung mit der Gemeinde, ließ das Licht ausmachen und zündete eine Kerze an, saß auf einem Hometrainer, setzte sich auf den Kanzelrand, baute einen Videoclip ein, forderte uns auf zu gehen, gab jemandem einen Brief mit nach Hause … «

      Das Außergewöhnliche bleibt hängen. Die Überraschung und das Unerwartete setzen sich fest. Pantomimische oder andere kreative Stücke bereichern den Gottesdienst. Es geht aber nicht um ein »Happening«, sondern darum, Gottes Majestät und seine Botschaft so zu verkündigen, dass der ganze Mensch im Tiefsten angerührt wird. Wir alle sind Haushalter der unterschiedlichen Gaben Gottes.

      Ich kann mich an einen Gottesdienst erinnern, wo der Pfarrer einen schweren Ziegelstein auf den Kanzelrand legte, bevor er mit seiner Predigt begann. Jeder schaute auf den roten Ziegelstein. Was sollte das Ding auf der Kanzel? Und dann predigte er über den Text aus 1. Petrus 2,5: »Lasst euch selbst als lebendige Steine in den Tempel einfügen, den der Geist Gottes baut.« Wir sind keine unscheinbaren Steine, wir sind schwergewichtig und bilden den Leib Christi. Ja, wir sind kreative Haushalter der Gnade Gottes.

       Von allen Seiten umgibst du mich.

       Ich bin ganz in deiner Hand.

       Dass du mich so vollständig kennst,

       das übersteigt meinen Verstand.

      PSALM 139, 5 – 6

      Immer wieder macht uns Christen die Selbstannahme zu schaffen. Wir glauben an den lebendigen Gott, und doch haben wir eine katastrophale Meinung von uns selbst.

      Der Theologe und Psychologe Dr. Maurice Wagner hat ein Buch über den Selbstwert geschrieben. Er geht von drei Empfindungen aus, die notwendig sind, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu haben: Zugehörigkeitsgefühl, Wertschätzung und Kompetenz. Er ist überzeugt, dass diese drei Empfindungen wie die drei Beine eines Stativs zusammenwirken, um einen stabilen Selbstwert zu garantieren. Ist allerdings eine der drei Empfindungen schwach ausgeprägt, steht das Stativ, sprich der Selbstwert, auf wackligen Beinen.

      Zugehörigkeit heißt sich angenommen fühlen und wissen, dass man gemocht und beachtet wird. Wertschätzung heißt, dass man sich selbst ertragen kann: »Ich mache alles im weitesten Sinne richtig.« Der Mensch hat das Gefühl, die anderen vertrauen ihm, die anderen loben und bestätigen ihn. Kompetenz heißt, dass ich etwas kann, dass ich die Gewissheit habe, erfolgreich dem Leben begegnen zu können. Wer Kompetenz besitzt, empfindet Mut, hat Hoffnung und besitzt Stärke.

      Im Psalm drückt David aus, dass unser Zugehörigkeitsgefühl garantiert ist. »Von allen Seiten umgibst du mich.« Eine wunderbare Zusage, die gleichzeitig Wertschätzung enthält. Wer sich so gehalten, getragen und geliebt weíß, der kann kompetent im Leben stehen. Der hat es nicht nötig, zweifelnd, unsicher, mutlos und furchtsam dem neuen Tag entgegenzusehen.

       Nehmt einander an, wie Christus euch

       angenommen hat, zur Ehre Gottes.

      RÖMER 15, 7

      Die Annahme des anderen kann viele zwischenmenschliche Probleme lösen. Zum Beispiel Streit. Ein Streit macht deutlich: »Ich stimme mit dem anderen nicht überein. Ich akzeptiere ihn nicht.«

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