Wege aus der Burnout-Spirale. Reinhold Ruthe
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wege aus der Burnout-Spirale - Reinhold Ruthe страница 6
Die dritte Gruppe zeigte auch das größte gehemmte Verhalten. Diese Kinder mussten ihre Gefühle zügeln. Je gehemmter die Kinder, desto größer ihr Anstieg des Stresshormons Kortisol. In dem Bericht heißt es wörtlich:
„Die Kinder (die Gehemmten, die Unsicher-Vermeidenden) sind nicht in der Lage, ihre emotionale Belastung mit Hilfe ihres Verhaltens zu regulieren. Wenn Kinder ihre Gefühle zurückhalten, setzt das ihren Organismus unter Stress. Diese Kinder haben keinen sicheren Hafen. Diese Kinder hängen in der Luft. Sie sind schon als Kleinkinder seelisch belastet.“
Auch Eltern, besonders Mütter, die sich überfordert fühlen, bieten ihren Kindern zu wenig Schutz und Beistand. Die Kleinen fühlen sich nicht angenommen. Ihnen fehlt der Halt. Die Mütter selbst strahlen zu wenig Ruhe und Gelassenheit aus.
Kinder und Kopfweh
Eine steigende Zahl von Kindern leidet unter Kopfweh, etwa an Migräne oder Spannungskopfschmerz. Betroffen ist inzwischen jedes fünfte Kind.
Fachleute gehen davon aus, dass Kopfschmerzen durch das Zusammenspiel von Erbfaktoren und äußeren Einflüssen entstehen. Immer häufiger hören Eltern die Klagen ihres Nachwuchses und fragen sich:
Will das Kind nicht in den Kindergarten oder in die Schule gehen?
Will es sich nur drücken?
Wenn das Kind tatsächlich Beschwerden hat, was steckt dahinter?
Bedeutsam sind die äußeren Einflüsse.
Die Kinder leiden unter Bewegungsarmut.
Sie sitzen stundenlang vor dem Computer oder dem Fernseher.
Sie leiden unter Schlafmangel.
Sie leiden unter Ärger in der Familie oder unter Leistungsdruck in der Schule.
Nicht wenige Kinder haben heute schon einen Terminkalender, der für Stress und Druck sorgt.
Was können Eltern und Erzieher tun?
Betroffene Kinder müssen ernst genommen werden.
Halten Sie Kopfschmerz-Kinder davon ab, unkritisch Arzneimittel zu schlucken. Sie können womöglich das Suchtverhalten fördern.
Reduzieren Sie mögliche Stressfaktoren. Hat Ihr Kind genügend freie Zeit zum Spielen?
Sorgen Sie für viel Bewegung, genügend Schlaf und gesunde Ernährung.
Wenn Sie können, verschaffen Sie Ihrem Kind den Blick ins Grüne. Nachweisbar sind Kinder, die ins Grüne schauen, weniger gestresst und aufmerksamer als Kinder, die aus der Großstadt kommen.
Überfordern wir unsere Kinder?
Wenn es um die Erwartungen der Eltern und Erzieher geht, ja. Im Allgemeinen haben Eltern riesige Vorstellungen, was ihre Kinder leisten sollen. Ihre Wünsche an die Zeugnisleistungen und die Berufspläne liegen weit über dem Niveau, das Kinder selbst vorweisen.
Das Wiesbadener Markt- und Sozialforschungsinstitut ENIGMA beschäftigte sich mit den Erziehungszielen von Eltern. Mehr als tausend Familien wurden befragt. Es ging um Freizeitverhalten, Schule, Finanzen und Werte. Bei Familien mit geringem Haushaltseinkommen sind Werte wie
Pünktlichkeit,
Gehorsam,
Fleiß und Sauberkeit „sehr wichtig“.
In wohlhabenden Familien werden andere Werte mehr geschätzt, nämlich:
Aufgeschlossenheit,
Toleranz,
eine eigene Meinung haben und
Großzügigkeit.3
Insgesamt stellten die Forscher fest, dass Ordnungsliebe und Gehorsam heute auf den letzten Plätzen rangieren. In vielen deutschen Elternhäusern ist verpönt, was einst als Voraussetzung für Entwicklung und Leistung selbstverständlich war. Die Verfasser schreiben wörtlich: „Die deutschen Tugenden, wir haben sie überwunden. Disziplin, Fleiß, Zuverlässigkeit, Rücksichtnahme, alles Werte von vorgestern. Sekundartugenden. Die Achtundsechziger haben ganze Arbeit geleistet. Und dabei das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. (…) Das vorläufige Fazit also: Viele Kinder werden überfordert. Selbstständig sollen sie sein, vielseitig interessiert, begabt und erfolgreich – wichtige Wunderknaben. Unterfordert sind sie in ihren Aufgaben und Pflichten. Da passt etwas nicht zusammen. Hohe Ansprüche an Motivation und Moral, aber Ratlosigkeit im Alltag.“4
Die Autoren haben es auf den Punkt gebracht. Kinder werden unterfordert in Aufgaben und Pflichten. Strenge ist verpönt. Eltern sind großzügig und verstehen sich eher als Kumpel ihrer Kinder. Und Kinder erleben zu wenig, dass sie beharrlich arbeiten lernen müssen. Viele geben auf, wenn Forderungen gestellt werden, oder sie rebellieren mit Erfolg. Darum fehlen Konzentration und Kontinuität. Lust und Selbstverwirklichung geben den Ton an. Kinder, die Ordnung, Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit nicht gelernt haben, reagieren später gestresster.
Wie sagte schon Alfred Adler: „Unterforderte Kinder sind gestresste Kinder.“
Stress und Störungen bei Scheidungskindern
Wie sich Stress auf Kinder aus geschiedenen Ehen auswirkt, zeigt eine Untersuchung der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie. Innerhalb einer Langzeitstudie von 14 Jahren wurden die Auffälligkeiten von Kindern aus geschiedenen Ehen mit Kindern aus nicht geschiedenen Ehen verglichen. Die Ergebnisse sind signifikant.
Aggressionen sind etwa viermal so häufig bei Kindern aus geschiedenen Ehen wie bei Kindern aus nicht geschiedenen Ehen.
Depressionen sind etwa doppelt so häufig. Amerikanische Studien gehen davon aus, dass Kinder und Jugendliche zu 25 - 30 % während und nach der Scheidung mit Depressionen reagieren.
Diebstahl ist etwa zehnmal so häufig. Kinder stehlen sich „Liebe“ oder was sie dafür halten. Diese enorm hohen Zahlen zeigen, wie enttäuscht Kinder den Zerbruch der Familie erleben.
Bettnässen ist etwa doppelt so häufig.
Suizidversuche liegen um das Dreifache höher. Kinder und Jugendliche sind extrem orientierungslos, fühlen sich verraten und allein gelassen.
Vor, während und nach einer Scheidung werden Kinder und Jugendliche einer schweren Stressbelastung ausgesetzt. Der ganze Mensch vom Scheitel bis zur Sohle kann belastet werden und Schäden fürs Leben davontragen.
Hyperaktive Kinder und Stress
Heute geht man davon aus, dass etwa 400 000 Kinder in Deutschland an ADHS leiden, also an dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Nicht wenige sind der Meinung, die Störung sei ein Symptom des modernen Lebens und