Totensteige. Christine Lehmann

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Totensteige - Christine Lehmann

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und Nylonstrümpfen auf Pumps wie der Glöckner von Notre-Dame. Sie machte mich zu einer Gespenstin in einer Parallelwelt.

      Und sie flüchtete, wie ich das von Richard kannte, ins Belehren. »Finley McPierson leitet die KPU, die Koestler Parapsychology Unit an der Universität Edinburgh. Eins von vier Instituten für Parapsychologie in Großbritannien. In Deutschland gibt es nur zwei, unser Institut und das Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene mit der Parapsychologischen Beratungsstelle von Professor Dr. Dr. Walter von Lucadou in Freiburg, das der berühmte Geisterjäger Hans Bender aufgebaut hat.«

      »Das Problem ist ja wohl«, bemerkte ich, »dass die Parapsychologie erst einmal beweisen muss, dass es den Gegenstand ihrer Forschung überhaupt gibt.«

      »Spukphänomene«, antwortete Derya Barzani, »werden seit Jahrhunderten dokumentiert.«

      »Na, wenn das so läuft wie im Schloss Ludwigsburg bei den Haunt Hunters, dann …«

      »Es ist manchmal schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber wenn Sie auf einem Video einen Spuk sehen, können Sie davon ausgehen, dass Sie einem Betrug aufsitzen. Paranormale Erscheinungen entziehen sich der objektiven Beobachtung. Ein Spukerlebnis verflüchtigt sich, je gründlicher wir darüber nachdenken, was wir genau erlebt haben. Am Ende erscheint es uns als Einbildung.«

      Das deckte sich mit dem, was wir auf Schloss Monrepos erlebt hatten.

      »Es ist eine Grundeigenschaft des Spuks, unklar zu sein. Er verschwindet auch, sobald man beginnt, ihn wissenschaftlich zu untersuchen. Wir sagen dazu: Der Spuk ist elusiv.«

      »Elusiv?« Das Wort war mir unlängst schon begegnet. Nur wo? Vermutlich schaute ich wie drei Reihen Feldsalat.

      »Elusivität«, die Frau Doktor spitzte die vollen Lippen, »die Flüchtigkeit, der ausweichende Charakter, die schwere Fassbarkeit der Erscheinung. Wenn also dies, die Flüchtigkeit, eine fundamentale Eigenschaft von Psi-Phänomenen sei, so wäre bereits bewiesen, dass es unseren Forschungsgegenstand gibt.«

      Ich lachte grobkörnig. »Das klingt wie Religion. Der Beweis, dass Gott existiert, ist dadurch erbracht, dass wir außerstande sind, ihn in Begriffe zu fassen, geschweige denn zu fotografieren.«

      »Ich will damit nur verdeutlichen, dass man zu 99,9 Prozent davon ausgehen muss, dass es sich um Betrug oder Selbstbetrug handelt, wenn man auf einem Foto einen Spuk sieht.«

      »Dann kommt es Ihnen hier vor allem darauf an zu zeigen, dass es all das Sensenmanngeraffel nicht gibt. Keine Wiederkehr der Toten, keine Hellseherei, keine Telekinese …«

      Barzani gab sich einen Ruck. »Letzteres, die Telekinese, gibt es gewiss, Frau Nerz. Wenn Sie wollen, mache ich einen Test mit Ihnen.«

      Damit hatte sie schon mal gedroht. »Was für einen Test?«

      Sie lächelte siegessicher. »Kommen Sie.«

      Sie hielt mir sogar die Tür auf. Wir traten zurück in die Eingangshalle. Gegenüber befand sich ein Sackgassengang mit dem Toilettenschild. Hier hatte Juri Katzenjacob gepinselt.

      »Übrigens hat heute schon einer angerufen«, sagte sie, mich mit einem Hauch von Rosenwasser streifend, als sie sich zur Treppe wandte. »Einer von der Zeitung.«

      »Von welcher denn?«

      »Frau Motzer hat den Anruf entgegengenommen. Auch er hat nach den Kalteneck-Experimenten gefragt. Frau Motzer hat ihm mitgeteilt …«

      Wir betraten bei diesen Worten den Raum, wo das Sonnenscheinchen an seinem Tisch am Computer glühte. Schwanger! Das fiel mir sofort auf, wenn ich es auch nach dem zweiten Blick nicht mehr hätte beschwören wollen.

      »… dass die Daten noch wissenschaftlich ausgewertet werden müssen, aber nichts Spektakuläres herausgekommen sei, nicht wahr, Frau Motzer? Von welcher Zeitung war der Anrufer vorhin?«

      Desirée guckte hoch. »Vom Guten Tag.«

      »Wir haben die Unterlagen der Kalteneck-Experimente sowieso nicht hier«, fuhr Dr. Barzani fort. »Was wir haben, sind ein paar statistische Reihen. Aber die Daten der Probanden, einschließlich der Zielvereinbarung … der Wette, wie Gabriel das immer genannt hat«, sie schluckte, »befinden sich verschlüsselt auf einem passwortgeschützten Server, zu dem ich keinen Zugang habe.«

      »Hat dieser Spanier Zugang?«

      »Das nehme ich an. Und Gabriel hatte natürlich das Passwort.«

      »Was macht Sie eigentlich so sicher, dass es ein Zeitungsreporter war, der vorhin angerufen hat?«

      Desirée senkte den Blick. Barzani zog die Brauen zusammen und fixierte mich, als könne sie aus meinem Hirn herausbohren, woran man Reporter am Telefon erkannte. »Wer denn sonst?« Sie schüttelte den Kopf. »Was glauben Sie eigentlich, was wir hier machen?«

      »Sie haben hier zwei Sommer lang nach einem Channeler gesucht, einem Parapsychotiker, Übersinnigen, Psi-Agenten, Medium …«

      Barzani lächelte unwillkürlich amüsiert.

      »Mich wundert allerdings, dass der Gute Tag erst heute nachfragt. Eigentlich hätte er gleich nach Rosenfelds Tod nachhaken müssen. Geisterjäger von Geist erstochen und ausgeno–« Ich unterbrach mich. Derya blickte ungefähr so entsetzt drein wie Richard, wenn ich munteres Leichenfleddern machte. »So was liebt die Presse.«

      Was war heute anders als vor drei Monaten oder letzte Woche?, fragte ich mich. Ich hatte angefangen zu kratzen. Das war anders. Ich hatte in Hamburg mit einem Journalisten und in Berlin mit einem Pressesprecher geredet. Ich hatte in Edinburgh einen Professor kontaktiert und meiner Facebook-AnhängerInnenschaft die Frage gestellt, wie das mit der Leiche im geschlossenen Raum geht.

      »Ihr Journalisten immer!«, rief Barzani. Wobei ich schon zufrieden war, dass sie mich für eine Journalistin hielt. »Ihr verwechselt Akte X mit Wissenschaft. Mein Vater begreift das auch nie. Dabei ist es gar nicht so schwierig. Bei uns geht es um … Aber das sollen Sie jetzt selber sehen. Und …« Sie wandte sich noch mal um. »Frau Motzer, seien Sie so gut und suchen Sie bitte die Kontaktdaten von unserm Héctor in Spanien heraus.«

      Desirée zog die linke Braue hoch. »Wieso … er …«

      »Bitte, Frau Motzer! Und geben Sie die Adresse nachher Frau Nerz.«

      Eine Wolke fiel in die Sommerhimmelaugen. Etwas kippte. Aber ich hatte keine Zeit zu verweilen. Ich musste Derya Barzani und ihrem Rosenduft folgen. Die Reste des Polizeisiegels klebten an der Tür von Rosenfelds Büro. Alle anderen Türen standen offen. Während Cipión alles anschauen dackelte, bog Barzani ins »Labor 2« ab.

      Im Winter hatte um diese Tageszeit die Sonne knallig in den straßenseitigen Räumen gestanden, jetzt fiel das Licht steiler und benetzte nur ein schmales Rechteck unter den Fenstern. Der Raum sah ansonsten aus wie ein aus spärlichen Spenden zusammengemöbeltes Wohnzimmer, aber mit einem Strauß Blumen in einer Vase.

      »Früher«, erklärte mir Barzani, »hat man in den Instituten für Parapsychologie Faraday’sche Käfige gehabt, Räume, die gegen elektromagnetische Wellen abgeschirmt sind. Größere Institute arbeiten immer noch damit, aber wir haben darauf verzichtet, denn es ist hinlänglich bewiesen, dass Radiowellen bei diesen Leistungen keine Rolle spielen.«

      »Was für Leistungen?«

      Sie

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