Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

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Der mondhelle Pfad - Petra Wagner

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wobei sie übertrieben ihre Hüften wiegte und den Sitz ihrer aufgetürmten Haare prüfte. Viviane klappte der Mund auf und Noeira winkte ab.

      „Ja, ja! Ich weiß, dass ich noch ein bisschen schlanker werden muss! Etwa so, guck!“

      Sie presste sich die eine Hand auf den Bauch, die andere in den Rücken und posierte vor Viviane. Ihre erwartungsvoll lächelnde Miene wurde nach einem Wimpernschlag eine ungeduldig lächelnde; im nächsten Augenblick war nur noch die ungeduldige übrig.

      „Bei allen Göttern! So schlimm ist es doch nun auch wieder nicht! Conall sagt, mein Bauch ist schon wieder schön fest. Und das nach nicht mal zwei Monden und immerhin beim zweiten Kind! Noch hundert Mal Butter stampfen und circa zwei Dutzend Hühner rupfen, dann bin ich wieder knackig wie ein frisch gepflückter Apfel! Vielleicht noch den Rest des Jahres Korn mahlen?“

      Prüfend schaute sie an sich herunter und runzelte die Stirn.

      „Oder meinst du, gelb passt nicht zu mir?“

      Viviane erwachte aus ihrer Starre und wedelte beschwichtigend mit den Händen.

      „Nein, nein, Noeira, es liegt nicht an deiner Figur! Du bist wirklich schon wieder schön schlank … beneidenswert schlank!“ Viviane tätschelte ihren Bauch und strich das Kleid glatt, worauf sofort die kleine Beule sichtbar wurde. „Hoffentlich geht das bei mir dann auch so schnell … Und dieses leuchtende Gelb passt einfach genial zu deinen rotblonden Haaren, wie … wie ein herrlicher Sonnenaufgang. Nein, Noeira, ich bin einfach nur so perplex! Das ist doch die Seide, die ich euch aus Britannien mitgebracht habe!?“

      Noeira nickte stolz und hielt ihr Kleid hoch, damit Viviane sich überzeugen konnte. Bewundernd strich sie über den weichen Stoff und schüttelte langsam den Kopf.

      „Ich habe schon so viele schöne Kleider gesehen … aber dieses hier ist einfach … fantastisch.“

      Noeira klatschte begeistert in die Hände und jauchzte vergnügt.

      „So sehr gefällt es dir?“

      Viviane hielt beide Daumen hoch und nickte anerkennend.

      „Das hatten wir gehofft! Wir haben alle zusammen überlegt, wie wir dieser göttlichen Seide am besten gerecht werden. Hanibu hat uns aufgemalt, wie sie die reichen Griechinnen in Massalia und Antibes getragen haben. Peblos sagen sie dazu!“ Sie breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. „Und das ist dabei herausgekommen! Man beachte die Raffung an den Schultern und die filigranen Broschen in Form von Rosen!“

      „Du siehst aus wie eine griechische Göttin. Das müssen wir unbedingt Loranthus nachher zeigen.“

      Noeira wackelte verneinend mit dem Zeigefinger und feixte.

      „Wir haben noch mehr griechische Göttinnen!“ Sie lugte zur Treppe, von der aus es erwartungsvoll kicherte, und klatschte schallend in die Hände. „Wir haben noch Thera in Goldbraun … Hera in Lindgrün … Leto in Violett und … Iris in Rosa …“

      Dabei schritten Großmutter Mara, Flora, Taberia und Hanibu nacheinander die Stufen herab auf Viviane zu. Die rieb sich begeistert die Hände.

      „Ich muss zu Lugnasad ein paar Flaschen Massageöl mitnehmen! Alle Weiber werden sich wegen euch die Köpfe verrenken! Ach, was red ich da! Am besten ein ganzes Fass! Ich habe die Männer vergessen!“

      Noeira wedelte wieder verneinend mit ihrem Zeigefinger und streckte ihn Achtung gebietend in die Höhe. So ging sie die Treppe hinauf und kam mit einem dunkelgrünen Kleid zurück, dass sie mit übertriebener Verbeugung Viviane entgegenstreckte.

      „Am meisten wegen dir, Viviane, oh du Ursache aller verzerrten Gliedmaßen und Behebung der Wirkung! Ach, apropos Ursache – Wirkung! Keine Angst, Viviane! Ob mit oder ohne Gürtel, das Kleid ist so konzipiert, dass es jeder Figur angepasst ist, weil die Griechinnen die Gürtel genau unter dem Busen schnüren. Das zeigen wir dir gleich. Wir können sogar untereinander tauschen und variieren wie wir lustig sind, weil wir die Gürtel und Taschen von den Resten gemacht haben. Es passt alles gut zusammen und je nachdem, wie du die Taschen trägst, wirkt es jedes Mal anders.“

      Viviane hielt sich das Kleid an, strich sachte über den Stoff und sah strahlend an sich herab.

      „Ich ahne Schreckliches, Noeira.“

      Noeira zog die Augenbrauen hoch und wollte schon fragen, doch Viviane grinste sie an.

      „Eine schreckliche Dürre wird über alle Weiber kommen, wenn wir zu Lugnasad damit herumlaufen.“

      „Verrenkte Hälse verstehe ich ja, aber wieso auch noch eine Dürre?“

      „Na, was meinst du, was die für einen Durst bekommen, wenn sie immer mit offenem Mund gucken, jedes Mal, wenn wir vorbeigehen.“

      Taberia klatschte begeistert in die Hände, rannte schnell die Treppe hoch und kam mit kleinen Seidentäschchen und den passenden Gürteln wieder. Viviane raffte alles an sich und hielt es sich der Reihe nach gegen ihr grünes Kleid. Taberia assistierte ihr und schmunzelte zufrieden.

      „Ich sehe schon: Du wirst zu Lugnasad ganz schön was zu tun bekommen, Viviane!“ Sie zählte an ihren Fingern ab: „Verrenkte Hälse, trockene Rachen, vielleicht noch ein paar gebrochene oder verstauchte Glieder, weil manche nicht dahin gucken, wohin sie laufen …“

      Alle Frauen ahmten sogleich mögliche Varianten nach und stachelten sich gegenseitig an, als es um die korrekte Darstellung des Unfallhergangs ging. Viviane warf ihnen mehrmals einen strafenden, aber nachsichtigen Blick zu und drehte sich tänzelnd mit ihrem Kleid hin und her. Bewundernd verfolgte sie die geschmeidigen Bewegungen der Seide und ihr Blick fiel auf Robin, der sie immer noch mit einem abwesenden Blick bedachte. Sie hielt inne, schlug das Kleid zurück und kramte in ihrer Gürteltasche.

      „Robin! Hast du das schon mal gesehen?“

      Sie streckt ihm die Hand entgegen. Robin erwachte aus seiner Starre und betrachtete den seltsamen Gegenstand auf ihrer Hand genau.

      „Hm, das kommt mir irgendwie bekannt vor. Was ist das, Viviane?“

      „Ein Schmetterling. Habe ich vorhin an einem Blatt hängen sehen. Seine Brüder und Schwestern sind wahrscheinlich alle schon ausgeflogen.“

      Robin schüttelte den Kopf.

      „Viviane. Ich weiß doch, wie ein Schmetterling aussieht und das ist garantiert keiner.“

      „Noch ist es kein richtiger Schmetterling, aber bald. Wenn du ihn jeden Tag beobachtest, dann wirst du sehen, wie er sich verändert. Und wenn du den Tag nicht verpasst, dann wirst du ein Wunder erleben, das nur unsere große Mutter vollbringen kann.“

      Robin klatschte sich die Hand gegen die Stirn und nickte begeistert.

      „Jetzt weiß ich’s, Viviane! Das war mal eine Raupe! Ihr Lebensfaden ist abgelaufen, Mutter Erde schickt sie in die Anderswelt und die Götter geben ihr ein neues Leben. Es ist wie bei den Fliegeneiern aus Naschus Bein! Erst waren es Eier, dann sind daraus Maden geschlüpft und die haben das faule Fleisch gefressen, bis sie ganz dick waren. Nach einem halben Mond war Naschus Wunde sauber und die Maden wurden plötzlich ganz starr und haben sich verpuppt. Lavinia meinte, sie hätten es sich redlich verdient, als Fliegen wiedergeboren zu werden,

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