Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten an der Türkischen Riviera. Jörg Wagner
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Weitere Nachrichten gibt es erst nach dem verheerenden Erdbeben des Jahres 141 n. Chr., als die Stadt dank des Mäzenatentums reicher Lykier wie Opramoas von Rhodiapolis und Licinius Langus von Oinoanda schnell wieder aufgebaut wurde und neue Prunkbauten erhielt. Nach der großen Stiftungsinschrift am Grabbau des Opramoas in Rhodiapolis war Tlos nach Myra die meistgeförderte Stadt. Damit versiegen die historischen Quellen, wenn wir einmal davon absehen, dass Bischöfe von Tlos an den Konzilen von Kalchedon (451 n. Chr.) und Nikaia (787 n. Chr.) teilgenommen haben. Im 19. Jh. schließlich errichtete ein Feudalherr namens Kanlı Ali („Blutiger Ali“) mit antiken Spolien, darunter einige Inschriften, auf der Akropolis eine Festung, von der er die Bauern der Umgebung einer Schreckensherrschaft unterwarf.
Ein Gang durch die Ruinen
Bei der Besichtigung von Tlos empfiehlt es sich, die Felsnekropole im Nordosthang des Akropolisfelsens zunächst rechts liegen zu lassen und direkt die Akropolis zu erklimmen (Abb. 13), von der man sich für den Rundgang durch das Stadtgebiet einen guten Überblick verschaffen kann. Von der Felsspitze über der osmanischen Burg breitet sich wie auf einem Reißbrett die antike Stadt aus. In der Senke zwischen Akropolis und dem kaiserzeitlichen Stadtzentrum liegt das Stadion mit mehreren Sitzreihen am Akropolishang, gegenüber erhebt sich ein langgestreckter Hallenbau, wohl eine Markthalle; dahinter schließen sich weitere Großbauten an: das Theater, zwei Thermen, eine Palästra, der Tempel des Kronos und eine Basilika sowie die Agora. Damit durfte sich Tlos einer großzügigen Ausstattung mit öffentlichen Bauten rühmen, der ein planerisches Konzept zugrunde liegt und die in Lykien nur mit Patara zu vergleichen ist.
Steigt man von der Akropolis hinunter und in den steilen Pfad zur Felsnekropole ein, so ist Vorsicht angeraten. Die Gräber zeigen ausgezeichnete Kampfdarstellungen und über vielen Eingängen kurze Grabinschriften in lykischer und griechischer Schrift. Gleich beim oberen Einstieg befindet sich eine Gruppe von Felsgräbern vom Typ der mit Rundhölzern flachgedeckten lykischen Häuser. Zwischen den kassettierten Grabfassaden erweckt ein seitlich des obersten Grabes angebrachtes Relief mit dramatischen Kampfszenen aus dem 5. Jh. v. Chr. besondere Aufmerksamkeit. Das Bildfeld ist in zwei Frieszonen unterteilt, in denen von rechts unten nach links oben zwei Krieger in fünf Phasen eines Zweikampfes dargestellt sind. Die Bildfolge führt von einem gleichwertig scheinenden Kampf zu einer zweiten Szene, in der sich die Niederlage des linken Kriegers bereits abzeichnet. Im dritten Bild ist dieser in einer Fluchtbewegung auf seine Knie gestürzt, während sein Gegner ihm den schützenden Schild entreißt. In den letzten Bildern halten die überlegenen Krieger den erbeuteten Schild als Zeichen ihres Sieges über die tot zu ihren Füßen liegenden Kontrahenten, aber es gibt einen Unterschied. Während der Sieger im vorletzten Bild den Schild noch hochführt, hat er im letzten bereits die triumphale Siegespose eingenommen. Diese Bildfolge zeigt einen antiken Comic mit tödlichem Ausgang, aber diese fünf Bilder zeigen nicht dasselbe, sondern jeweils ein anderes Kriegerpaar, was man an den unterschiedlichen Helmen deutlich erkennen kann.
Abb. 13 Tlos, lykische Felsnekropole und osmanische Burg.
Abb. 14 Tlos, Blick durch die Exedra der „Großen Thermen“ über das Tal des Xanthos.
Am Fuß der Felsnekropole liegt das „Bellerophongrab“, ein dynastisches Tempelgrab mit zwei Säulen in antis. Die Grabkammer hat drei Türen: rechts und links je einen Türdurchbruch, in der Mitte eine Blindtür mit der Nachahmung von Bronzebeschlägen. Bemerkenswert ist das Relief in der Vorhalle, das Bellerophon auf dem Flügelpferd Pegasos und mit einem Hund auf der Jagd nach einem Panther (oder Leoparden) zeigt, die Hand zum Stoß mit der wohl nur farbig gezeichneten Lanze erhoben. Wen die Abbildung eines Panthers in Lykien verwundert, der sei daran erinnert, dass M. Tullius Cicero während seiner kilikischen Statthalterschaft für Tierhetzen in Rom einige Panther in den lykischen Wäldern fangen ließ und diese Tiere dort bis in den Beginn des 20. Jhs. heimisch waren (vgl. S. 107).
Dieses Relief ist neben dem Relief von Trysa eine der wenigen Darstellungen des mythischen Helden Bellerophon in der Landschaft, in der er im Auftrag des in Xanthos residierenden Iobates seine Heldentaten vollbracht hat (u. a. die Vernichtung des Ungeheuers Chimaira) und in der sein Mythos gewissermaßen zu Hause ist. So schenkte Bellerophons Tochter Laodamneia dem Zeus einen Sohn, den göttergleichen Sarpedon, der ebenfalls in Xanthos herrschte und als troianischer Verbündeter von der Hand des Patroklos vor den Mauern von Troia den Tod fand. Von daher wird verständlich, dass die Herren von Tlos gleich den Dynasten von Xanthos und Trysa ihre Abstammung auf Bellerophon zurückführten.
Nach diesem etwas anstrengenden Abstecher in die Felsnekropole kommt man auf leichten Wegen in das kaiserzeitliche Stadtzentrum, dessen Straßen und Plätze, ja sogar die Innenräume der größeren Gebäude bis zum Beginn der Ausgrabungen im Jahre 2005 durch Archäologen der Akdeniz Universität in Antalya landwirtschaftlich genutzt wurden. Heute haben sie, von alten Bäumen und dichtem Dickicht befreit, leider etwas von ihrem naturbelassenen Charme verloren. Freigelegt wurden das Stadion, die Markthalle und die Orchestra des Theaters, die man von den verstürzten Blöcken des Bühnenhauses befreit hat. Heute stehen dort sauber aufgereiht große Quader mit Girlanden und Masken, Säulentrommeln und Kapitelle sowie Ehren- und Stiftungsinschriften. Aus einer Inschrift wird deutlich, dass nicht nur vermögende Sponsoren wie Opramoas von Rhodiapolis, der laut seiner Stiftungsinschrift 60.000 Denare „für den Bau des Theaters und die Exedra in den Thermen“ gespendet hat, zum Glanz dieses Bauwerkes beigetragen haben, sondern dass überhaupt die Spendenbereitschaft der Bürger recht groß war. Die genannten Summen reichen von bescheidenen 100 Denaren bis zu 3.000 Denaren, mit denen sich ein Dionysospriester in die Spendenliste eintrug.
Südlich vom Theater erreicht man vorbei an der Kirchenruine und dem Trümmerhaufen des Kronostempels über die erst teilweise ausgegrabene Agora, die nach den herzförmigen Ecksäulen etwa 80 × 80 m maß, die „Großen Thermen“. Dort bietet sich zum Abschluss der kleinen Wanderung durch Tlos noch einmal die Gelegenheit, durch eine großartige Apside mit sieben Arkadenfenstern – wohl die von Opramoas finanzierte Exedra der Thermen – den herrlichen Blick über das fruchtbare Tal des Xanthos zu genießen (Abb. 14).
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Literatur
Marksteiner, Lykien 56 – 61; Bruns-Özgan, Lykische Grabreliefs 158 – 160. 232 – 235; W. W. Wurster, Antike Siedlungen in Lykien, Arch. Anzeiger 91 (1976) 23 – 49.
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Pinara liegt 2 km oberhalb von Minare Köyü, einem wohlhabenden Dorf mit ziegelgedeckten Häusern, in der faszinierenden Berglandschaft des Küstengebirges, die geprägt ist von schroffen Felsen und steilen Klüften. Das hat dazu geführt, dass diese sehenswerte Ruinenstätte, die noch im Einklang mit der Natur steht, nur durch schmale Pfade erschlossen ist und bisher keine Ausgrabung erlebt hat, eine der schönsten antiken Städte Lykiens ist.