Streifzüge durch meine Heimat. Horst Bosetzky

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Streifzüge durch meine Heimat - Horst Bosetzky

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zu sitzen, wenn wir nach Perleberg fuhren, um Onkel Fritz zu besuchen! Rund 19 Kilometer hatten wir auf einer echten brandenburgischen Chaussee zurückzulegen, und Autos, denen auszuweichen gewesen wäre, gab es damals kaum bis gar nicht.

      Perleberg an der Stepenitz war und ist eine Perle, denkt man an Marktplatz, Jacobikirche, Rathaus, Gottfried- Arnold-Gymnasium und Gänsebrunnen. Mich, der ich jahrelang in Bremen gelebt habe, entzückt natürlich ganz besonders der Perleberger Roland, der seinem Pendant an der Weser in nichts nachzustehen scheint. Ob er von Angela Merkel und Eva-Maria Hagen, die in ihrer Kindheit für einige Jahre in Perleberg gelebt haben, auch so bewundert worden ist? Oder von der weltberühmten Opernsängerin Lotte Lehmann, die hier 1888 zur Welt gekommen ist?

      Da Groß Pankow nun einmal im Reiche der Edlen Herren zu Putlitz lag, möchte ich dieses Kapitel auch mit ihnen schließen. Höre ich den Namen, erinnere ich mich zuerst an Kaspar Gans zu Putlitz (1360–1429), der, als Raubritter verteufelt, mit den Quitzows, den Bredows und den Rochows zusammen verhindern wollte, dass die Mark Brandenburg unter die Herrschaft der Schwaben, also der Hohenzollern fiel. 1411 hatte König Sigismund den Nürnberger Burggrafen Friedrich VI., einen Hohenzollern-Spross, zunächst als Verweser, dann als Kurfürsten und Markgrafen in Brandenburg eingesetzt. Der Burggraf nahm den Titel Friedrich I. an und setzte sich bis 1414 erfolgreich gegen den aufsässigen brandenburgischen Adel durch, weil er über die besseren Waffen verfügte, beispielsweise über eine neumodische Kanone, die »Faule Grete«, die die Festungen der Aufständischen in Schutt und Asche legte.

      Johann Gans zu Putlitz (1430–1518) hat es auf der Berliner Siegesallee zum »Seitendenkmal« des Markgrafen Otto II. gebracht. Und selbstverständlich haben wir in Berlin eine Putlitzstraße, bis 1999 trug sogar der S-Bahnhof Westhafen diesen Namen.

      Von der Burganlage in Putliz ist nur der Turm erhalten geblieben, und nachdem wir den bei unserem letzten Besuch in Augenschein genommen hatten, stiegen wir wieder ins Auto und fuhren zurück nach Berlin.

       Ferch und der Schwielowsee

      Ferch ist ein hügeliges Dorf am Schwielowsee. Hier auf einer Endmoräne, den Fercher Bergen, hatten nahe Verwandte meiner ersten Ehefrau, Onkel Bertie und Tante Biene aus Leipzig, ihre Datsche, und da waren wir einige Male zu Besuch. Onkel Bertie war »Verdienter Erfinder« – beispielsweise hat er eine Notbremse für Rolltreppen erfunden – und als ehemaliger Mittelstreckenläufer Gegner des Meisterläufers Otto Peltzer, der sogar den großen Paavo Nurmi besiegt hatte. Darüber haben wir beim Spaziergehen immer viel geplaudert. Anschließend haben wir meist mit unseren Kindern im Strandbad Ferch gebadet und in einem Restaurant am Seeufer gespeist.

      Ferch hat zusammen mit Lienewitz einen eigenen Bahnhof, der vom Bahnhof Potsdam aus mit der RB23 in rund einer Viertelstunde zu erreichen ist. Man muss nicht lange durch den prächtigen Wald gehen, um zu den beiden Lienewitzer Seen zu gelangen. Dort kann man trefflich schwimmen und baden. Einmal haben wir bei unseren Ausflügen einen Frosch gerettet, der sich im Schlund einer Schlange verklemmt hatte. Ein andermal bin ich mit meinem Freund Peter Heinrich in dieser Gegend gewandert, und als wir wieder in Ferch waren, haben wir uns vor lauter Jucken die Arme blutig gekratzt – beim Betreten des Forsts hatten wir die Warnung vor dem Eichenprozessionsspinner übersehen. Deshalb konnten wir die Fercher Obstkistenbühne, ein bekanntes Theater, auch nicht mehr besuchen.

      Kommt man auf den Schwielowsee zu sprechen, müssen Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg (Band 3, Havelland) zumindest mit folgenden Sätzen zitiert werden:

       Der Schwielow ist gutmütig, so sagten wir; aber wie alle gutmütigen Naturen kann er heftig werden, plötzlich, beinahe unmotiviert, und dann ist er unberechenbar. Eben noch lachend, beginnt ein Kräuseln und Drehen, nun ein Wirbel, ein Aufstäuben, ein Gewölk – es ist, als führe eine Hand aus dem Trichter, und was über ihm ist, muß hinab in die Tiefe … Es gibt ganze Linien, wo die gescheiterten Schiffe liegen.

      Fontane wurde auf seinen Wanderungen von einem Fährmann aus Caputh begleitet und hat auch den gleichnamigen Ort besucht, der am Templiner See gelegen ist, aber mit dem Schwielowsee durch einen an die fünf Kilometer langen Kanal verbunden ist, den Caputher Gemünd.

      Der Name Caputh wird meist mit Albert Einstein und dem »Fährhaus« assoziiert, da dieser in seinem Caputher Sommerhaus von 1929 bis 1932 einen großen Teil jedes Jahres verbracht hat. 1931 hat er seinen Sohn Eduard dorthin mit folgendem Vierzeiler eingeladen:

       Sei ein gutes faules Tier,

       Streck alle Viere weit von Dir.

       Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt,

       Und auf Papa, wenn Dirs gefällt.

      Im »Fährhaus« kann man wunderbar speisen und dabei beobachten, wie die Wagenfähre zwischen dem Caputher und dem Geltower Ufer hin- und herpendelt.

      Auch der Ort Petzow liegt am Schwielowsee. Dort gibt es nicht nur ein bewundernswertes Schloss und eine guterhaltene Schinkelkirche, sondern ebenso die Villa Berglas. Zur DDR-Zeit firmierte sie von 1955 an und bis zur Wiedervereinigung als Schriftstellererholungsheim »Friedrich Wolf«, in dem in- und ausländische Schriftsteller arbeiten und sich erholen konnten. 1985 weilte hier mein Leipziger Freund und Kollege Steffen Mohr, und ich besuchte ihn dort, um mit ihm unser gemeinsames Werk zu besprechen, den ersten und letzten deutsch-deutschen Kriminalroman: Schau nicht hin, schau nicht her. Der Titel ist einem Schlager von Marika Rökk entlehnt, die wir als pubertierende Knaben sehr geschätzt haben: »Hoch die Rökk!« Damals glaubten wir noch an die Legende, dass die Schauspielerin einst Besitzerin der Villa gewesen sei. Diese Mär ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der erste Eigentümer nach dem Ersten Weltkrieg der Filmbranche angehört und den Namen Siegmund Jacob getragen hatte und bei den Rökk-Filmen meist Georg Jacoby Regie führte, der spätere Ehemann der Sängerin.

      Wie auch immer, Steffen und ich siedelten unsere Geschichte an der vermeidlichen Rökk-Villa an, und wir stellten unsere Romanhandlung dort auch nach. Steffen musste die Leiche spielen. Er tat das bühnenreif, und ich fotografierte ihn dabei mit meiner Polaroidkamera – zweimal, denn jeder von uns beiden sollte ein Foto mit nach Hause nehmen, um alles authentisch beschreiben zu können. Da unser Projekt von der Stasi aufmerksam verfolgt wurde, erschien uns das als der sicherste Weg. Doch argwöhnische Nachbarn haben uns aus lichter Höh beobachtet und die Leiche für echt gehalten. Und schon war die Volkspolizei alarmiert … Da blieb uns nur die Flucht – und das Marika-Rökk-Lied zu Ende zu singen:

       Schau nicht hin, schau nicht her,

       Schau nur grade aus,

       Und was dann auch kommt,

       Mach dir nichts daraus.

       Wildenbruch und der Große Seddiner See

      Die Wildenbruchstraße in Neukölln bin ich als Junge unzählige Male entlanggegangen, ohne zu wissen, wem sie ihren Namen zu verdanken hatte, denn die kleinen Hinweise auf den Straßenschildern gab es damals noch nicht. Irgendwann stieß ich beim Blättern in dem Buch 1000 Wege um Berlin jedoch auf Wildenbruch und nahm sofort an, dass die Straße nach dieser Ortschaft benannt worden war. Irrtum, denn in einem alten Schulbuch meiner Mutter fand sich der Hinweis auf den Diplomaten und Schriftsteller Ernst von Wildenbruch (1845–1909), dem die Hochkultur immerhin das Drama Die Haubenlerche zu verdanken hat. Von Wildenbruch ist in Berlin verstorben, und Berlin hat ihn mit der Neuköllner Straße geehrt.

      Durch

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