Streifzüge durch meine Heimat. Horst Bosetzky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Streifzüge durch meine Heimat - Horst Bosetzky страница 11

Streifzüge durch meine Heimat - Horst Bosetzky

Скачать книгу

zieht es mich in die Ortschaft Wildenbruch und damit an den Rand des Naturparks Nuthe-Nieplitz. Die wuchtige Feldsteinkirche ist ein wahres Highlight, und im Restaurant »Zur Linde« kann man ausgezeichnet speisen. Beim Lesen der Ortschronik stößt man auf die für die brandenburgische Geschichte wichtigen Adelsnamen Quitzow und Rochow. Auch mit einem Golfklub wird geworben, aber ich bin nur Minigolfer. Und eine schöne Badestelle gibt es auch.

      Ist vom Großen Seddiner See die Rede, bin ich zunächst immer etwas irritiert, weil es auch den Schmöckwitzer Seddinsee gibt. Sein Bruder bei Wildenbruch hat aber mit Sicherheit das größere Anrecht auf den Namen, denn an seinem einen Ende liegt die Ortschaft Seddin. Und am Westufer des Großen Seddiner Sees kann man wunderschön von Seddin nach Wildenbruch wandern.

      Wildenbruch und der Große Seddiner See sind mir so ans Herz gewachsen, dass ich in meinem Roman Kartoffelsuppe oder Das Karussell des Lebens einen an Selbstüberhöhung leidenden Hochschullehrer und naiven Amateurmaler namens Blücher in dieser Region einen Bauernhof kaufen lasse. Die alte Scheune verwandelt er in eine Gemäldegalerie und stellt dort seine eigenen Werke aus. Bei einer Vernissage malt schließlich ein humoristisch begabter Kollege auf das von Prof. Blücher selbst hochgelobte Ölgemälde Sonnenaufgang mit Haubentaucher mit schwarzem Filzstift die Ziffern 1 bis 14 …

       Kyritz und Kampehl

      Auf meinem Schreibtisch steht ein Bierkrug mit dem Aufdruck Mord und Totschlag – Kyritz an der Knatter. Das köstliche Schwarzbier ist längst ausgetrunken, und zwei Dutzend bunte Filzstifte füllen das Glas. Leider hat Kyritz seinen Namen nicht mir, -ky, zu verdanken, dennoch ist diese Stadt für mich so wichtig, dass sie mir immer wieder in den Sinn kommt – zumal ich dort auch zwei Lesungen halten durfte. Der Beiname »an der Knatter« ist auf die vielen knatternden Wassermühlen zurückzuführen, die es hier früher an einem Nebenarm der Jäglitz gegeben hat. Manche sagen auch, die nach dem Waschen im Fluss aufgehängten Bettlaken hätten ein lautes Knattern verursacht. Wie auch immer, ich habe in Kyritz nie etwas anderes als den Auspuff eines alten Mofas knattern hören.

      Das Rathaus, der Marktplatz, die Stadtpfarrkirche St. Marien und die alte Stadtmauer sind allemal einen Besuch wert. Und mit der Geschichte der Stadt ist der Name Kurt von Bassewitz eng verbunden. Der Raubritter aus dem Mecklenburgischen ist 1381 brandschatzend in die Prignitz eingefallen, hat aber Kyritz nicht erobern können, weil die Bürger ihre Stadt überaus tapfer verteidigten. Dieses Ereignis wird von den Bewohnern noch heute jedes Jahr gefeiert. 1411 hat Bassewitz dann noch einmal versucht, Kyritz einzunehmen. Er wollte durch einen unterirdischen Gang bis ins Innere der Marienkirche vordringen und von dort aus den Kyritzer Bürgern in den Rücken fallen, während seine Mannschaft einen Sturmangriff auf die Stadtmauern unternehmen sollte. Der Plan wurde jedoch verraten, und als Bassewitz mit dem Schwert in der Hand im unterirdischen Stadtgang auftauchte, überschüttete man ihn mit heißem Brei und nahm ihn gefangen, um ihn mit seinem eigenen Schwert hinzurichten.

      »Horst, warst du schon einmal am Salzsee?«, werde ich bei einer Wanderung von unserem Leithammel gefragt, als wir am Bahnhof Kyritz aus einem Zug der RB73 steigen.

      »Nein«, antworte ich und zähle einige der Salzseen auf, über die ich in der zwölften Klasse einmal ein Referat gehalten habe, »weder in Salt Lake City am Großen Salzsee noch am Toten Meer, am Salar de Uyuni in Bolivien oder an dem in der Atacamawüste.«

      »Aber in den nächsten Stunden wirst du einen sehen.«

      Ich tippe mir kurz an die Stirn, doch als wir an der Kyritzer Seenkette entlangwandern, erreichen wir nach dem Klempow-, dem Unter- und dem Obersee tatsächlich einen Salzsee. Und nicht nur das, bei Kyritz gibt es auch eine Talsperre, vor der sich das Wasser der Dosse staut. Als ich das Wort Dosse höre, denke ich sofort an Neustadt (Dosse) und schlage spontan vor, diese Stadt auch noch zu besuchen.

      »Erst wandern wir nach Kampehl!«, befiehlt unser Wanderführer.

      Von Kyritz nach Kampehl braucht man mit dem Auto keine Viertelstunde. Kampehl ist ein märkisches Muss, denn hier ist die Mumie des Ritters Kahlebutz zu besichtigen. Christian Friedrich von Kahlebutz (1651–1702) zeichnete sich in der Schlacht bei Fehrbellin besonders aus und erhielt deshalb vom Großen Kurfürsten das Gut Kampehl bei Neustadt an der Dosse als Erblehen. 1690 wurde er angeklagt, den Schäfer Pickert aus dem Nachbarort Bückwitz ermordet zu haben, weil der ihm bei seinem Versuch im Wege gestanden habe, bei einer Magd zum »Recht der ersten Nacht« zu gelangen, also mit ihr vor ihrem künftigen Bräutigam zu schlafen. Kahlbutz musste vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Schließlich soll er geschworen haben: »Wenn ich doch der Mörder bin gewesen, dann wolle Gott, soll mein Leichnam nie verwesen.« Und das tut er tatsächlich nicht. Ärzte und Naturwissenschaftler der Charité, darunter Koryphäen wie Rudolf Virchow und Ferdinand Sauerbruch, haben bis heute keine Erklärung dafür. War Kahlebutz doch der Mörder von Bückwitz?

      »Horst, warum willst du denn unbedingt noch nach Neustadt (Dosse)?«, fragt mich mein Wanderführer irgendwann.

      »Weil ich hier 1945/46 bei Hamsterfahrten nach Groß Pankow mit meiner Mutter oft gestrandet bin, immer auf der Rückreise. Einmal konnten wir in einem kleinen Hotel gleich am Bahnhof übernachten, ein anderes Mal aber mussten wir die Nacht im Wartesaal verbringen, und da wurden wir immer wieder von Ratten belästigt. Sie wollten sich an den Lebensmitteln in unserem Rucksack zu schaffen machen.«

      Bald darauf erreichen wir die Stadt, und ich kaufe mir eine Dose Pils. »Schließlich sind wir in Neustadt an der Dose«, lautet mein Kommentar.

       Potsdam und Sanssouci

      Bei der Suche nach einem rechten Beginn für dieses Kapitel bin ich fast am Verzweifeln, denn wenn ich an Potsdam und sein berühmtes Schloss denke, kann ich nur Karl Valentins epochaler Erkenntnis zustimmen: »Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.« Zum Glück kommt mir doch noch etwas in den Sinn, das noch nicht gesagt worden ist: Potsdam ist eigentlich gar keine Landeshauptstadt, sondern nur der 13. Berliner Bezirk. Denn wenn es eine Landeshauptstadt wäre, hätte es wenigstens einen Verein in der Fußballbundesliga. Dann fällt mir aber ein, dass nur zwei von 13 Flächenstaaten mit einem Verein in der Saison 2016/17 vertreten sind, nämlich Bayern und Rheinland-Pfalz, und außerdem gibt es den Frauenfußballklub Turbine Potsdam.

      Wie die meisten Kinder habe auch ich den Städtenamen Potsdam ungewöhnlich früh kennengelernt, nämlich mit den ersten Zungenbrechern: Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten. Den Potsdamer Postkutschkasten putzt der Potsdamer Postkutscher.

      Reist man nicht mit der Postkutsche, sondern mit der S- oder Regionalbahn nach Potsdam, kann man am dortigen Hauptbahnhof das fast großstädtische Treiben beobachten. Im Minutentakt kommen Busse und Straßenbahnen an oder fahren wieder ab. Steigt man in ein solches grüngestrichenes Gefährt ein, freut man sich im ersten Moment, dass man als VIP begrüßt wird. Doch dann merkt man sehr schnell, dass ViP nur die Abkürzung für »Verkehrsbetriebe in Potsdam« ist.

      Sightseeing ist in Potsdam weithin mit der Straßenbahn möglich, obwohl die Magistrale, die Brandenburger Straße, Fußgängerzone ist.

      Daz gantze eyland muß ein paradeys werden, hatte 1664 der Fürst Moritz von Nassau dem Großen Kurfürsten angeraten, und Voltaire hatte ein wenig später den Charakter Potsdams wie folgt auf den Punkt zu bringen versucht: Athen und Sparta, Feldlager und Garten Epikurs, Trompeten und Violinen, Krieg und Philosophie.

      Alle Sehenswürdigkeiten aufzuzählen, die Potsdam ausmachen, ist in diesem Rahmen unmöglich, also beschränke ich mich auf die, zu denen ich eine besondere Verbindung habe. Auf der Langen Brücke, die zwischen

Скачать книгу