Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain. Herbert Seibold
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„Ja, Herr Chefarzt, aber die meldet sich nicht, weder auf der Festnetznummer noch auf dem Handy. Na ja, ich versuche es später noch mal. Zuerst die Kriminalpolizei.“
Alle schauten ihr nach, wie sie beschwingt zu ihrem Büro eilte.
Bereits eine halbe Stunde später trafen der Hauptkommissar Joe Moser, seine Kollegin, die Kommissarin Gertrude Gerngross, und die Spurensuche im Büro von Muniel ein. Sie nahmen die Fingerabdrücke an der Türklinke und den beiden Kaffeetassen. Der Hauptkommissar bat Frau von Hess-Prinz, alle Ärzte und die Pflege in den Konferenzraum zu rufen, dass von allen Fingerabdrücke und DNA-Analysen durch Speichelproben genommen werden konnten.
„Ist das denn wirklich nötig?“, warf seine Kollegin Gertrude Gerngross ein.
„Gertrude, du wirst es verstehen, wenn du erfährst, was mit dem Geschäftsführer geschehen ist. Verzeih, ich hätte es dir gleich nach dem Telefonat mit dem Chefarzt der Inneren Medizin erzählen sollen. Das Opfer hat eine quasi tödliche Dosis Kaliumchlorid in die Vene gespritzt bekommen. Er hat unglaublich Schwein gehabt, weil der leitende Oberarzt der Intensivstation ihn noch mit Schnappatmung aufgefunden hat und mit der Wiederbelebung beginnen konnte, bevor das Hirn irreversibel geschädigt war. Das Zeug, so über die Vene verabreicht, bewirkt mit Sicherheit einen Herzstillstand. Ohne den hohen Kaliumgehalt im Blut hätten die Ärzte uns ja nicht gerufen. Angeblich kam die Idee von einem Doktor Gscheidle aus Ulm. Ja, die Schwaben denken bekanntlich langsam, aber richtig.“
„Danke, Joe, du scheinst dich ja nicht nur in der Medizin, sondern auch bei den Schwaben auszukennen.“
Joe schmunzelte nur, weil er ähnliche Bemerkungen schon öfters gehört hatte und Gertrude diese Art von zickigen Bemerkungen wohl witzig fand. Er kam gut mit ihr zurecht, weil er Frauen mit scharfen Kanten mochte und einfach Humor hatte.
„Ich habe Übung, mit schwierigen Frauen umzugehen“, pflegte er dann die männlichen Mitarbeiter zu beruhigen, wenn die sich in der Kantine wegen angeblicher Zicken von weiblichen Kollegen schon mal aufregten. Das mit dem Medizinstudium traf ihn aber doch immer wieder hart, weil das tatsächlich sein Wunsch gewesen war. Das war sein neuralgischer Punkt. Leider waren seine Abiturnoten und das Geld von zu Hause nicht ausreichend gewesen, um diesen Wunsch zu erfüllen. Seine Eltern hatten ihn schließlich zu einer Polizeikarriere überredet.
„Gertrude, jeder, der in eine Vene spritzen kann, ist verdächtig. Es handelt sich eindeutig um einen Mordversuch. Dies umso mehr, als natürliche Ursachen des Herzstillstands, wie zum Beispiel ein Herzinfarkt, wie ich verstanden habe, ausfallen. Oder sollen wir noch mal die Ärzte fragen?“
„Nein, Joe, danke.“
„Was glaubst du, wie der potentielle Täter vorgegangen ist?“
„Eventuell dürften vor der Injektion K.-o.-Tropfen oder Ähnliches verabreicht worden sein. Mit einem Holzhammer hat der Täter – wie Figura zeigt – ja nicht zugeschlagen! Wir müssen das Blut des Opfers also auf Betäubungsmittel untersuchen lassen!“
„So ist es.“
Der Hauptkommissar und sein Team
Joe Moser – seit seinem Amerikaaufenthalt bestand er auf diesen Vornamen, obwohl er doch Josef hieß – war für die Abteilung Mordkommission ein wahrer Glücksfall. Er war ein schneller analytischer Denker mit großer Erfahrung. Mit seinen neununddreißig Jahren war er auf seinem beruflichen Zenit. Seine Ausbildung hatte er in München und Frankfurt absolviert. Außerdem war er von seinem früheren Chef für zwei Jahre zum FBI nach Washington geschickt worden. Dort und bei weiteren Fortbildungen in den USA konnte er die modernen Methoden des Profilings trainieren. Im Team mochten ihn alle. Die männlichen Mitarbeiter mutmaßten sogar, dass die weiblichen Kollegen ihn heimlich anhimmelten, was der Pathologe nicht verstehen konnte.
„Ach, weißt du“, pflegte dann der Toxikologe Doktor Mai dem Pathologen Doktor Müller zu sagen, „du bist ja nur neidisch. Was kennst du denn die Frauen. Man kann die doch gar nicht verstehen, höchstens lieben. Nehmen wir die Kommissarin Gertrude Gerngross. Liebt die den Joe? Sie hätte ja allen Grund dafür. Du findest doch auch, dass sie nicht schlecht aussieht? Na ja, über die Stupsnase und die steilen Stirnfalten kann man hinwegsehen. Dann die Hüften mit dem Doppelhöcker – ja, es gibt Männer, die stehen darauf. Dafür hat sie einen beschwingten Gang und einen knackigen Hintern. Wenn ich ein Schwabe wäre, würde ich sagen: Dia isch scho recht!“
Doktor Mai hatte mit Frauen nicht so viel am Hut. Deshalb konnte er nur mit dem Pathologen zusammen so locker daherreden und lästern. Er war ein bisschen kauzig. Das hing wohl mit seinem Beruf zusammen, in dem er, ständig umgeben von Giften und Chemikalien, als „Säulenheiliger“ – so werden intern Spezialisten für die säulenchromatographische Auftrennung und Bestimmung von Substanzen genannt – vor sich hin forschte.
Jetzt stand er mit den Kommissaren im Flur in der Nähe der Intensivstation. Weil keine Leiche zu begutachten war, konnte man auf die Anwesenheit des forensischen Pathologen verzichten. Von der Abteilung Forensik war er heute allein da. Sein Chef, Professor Krautmann, war im Urlaub. Jetzt war er der Chef. Er setzte sein besonderes, vielleicht etwas verklemmtes Lächeln auf und wandte sich an Gertrude: „Wollen wir beide auf der Intensiv vorbeischauen? Wir müssen uns noch die Injektionsspuren anschauen – angeblich hat ein Doktor Gscheidle so was in der rechten Ellenbeuge gefunden und ich will dafür sorgen, dass zur Bestimmung möglicher betäubender Substanzen Blut abgenommen wird. Dann kann ich gleich mit den Asservaten verschwinden und euch möglichst schnell allein lassen. Unser Fast-Mediziner Joe hat ja den Ablauf des Verbrechens in seinem Superhirn schon richtig zusammengestellt!“
„Herr Doktor Mai, wirklich witzig!“, antwortete ihm scheinbar entrüstet Joe Moser und lächelte in Richtung Gertrude: „Geh nur – oder wartet noch eine Minute! Als Nächstes steht ja dann die Mitarbeiterbefragung an. Was wir brauchen, sind mögliche Motive und Täterprofile. Das läuft auf endlose Befragungen hinaus.“
Gertrude stimmte ihm zu. „Aber was sein muss, muss sein oder hast du für heute schon genug?“
Er überhörte die Bemerkung. „Welche Gruppe willst du? Die Ärzte oder die Pflege?“
Sie dachte kurz nach. „Ich nehme gern die Schwestern. Die sind mir um einiges sympathischer als die testosterongedopten Pfleger und die Halbgötter in Weiß, die sich hinter der Berufsbezeichnung ‚Arzt‘ verstecken ebenso wie hinter ihrer Schweigepflicht.“
Moser nickte. „Gut, Frau Kollegin. Das wird wie so oft ein langer Tag.“ Beide wussten, dass sie es nicht schaffen würden, heute noch alle Mitarbeiter zu befragen. Moser setzte Prioritäten. „Gertrude, du könntest mit der Pflegedirektorin beginnen. Ich kümmere mich um die Oberärzte, Chefärzte und den Apotheker. Und morgen nehm ich mir dann die Assistenten vor. Auch die, die frei hatten. Die Sekretärin von Muniel – ich habe kurz mit ihr gesprochen – eine bemerkenswert umsichtige Frau – hat schon alle benachrichtigt. Das Wichtigste ist augenblicklich, Spuren am Tatort zu finden und vor allem Fingerabdrücke. Doktor Mai, im Moment sind Sie unser wichtigster Mann.“
Joe hatte kurz vorher mit dem Chef der Geriatrie, Professor Seneca, und dem Chef der Inneren Medizin, Professor Pfeiferlich, gesprochen, daher wusste er, welche Einschätzungen über Doktor Muniel kursierten. Er hatte sich schon Notizen gemacht und las Gertrude einige Kommentare und auch Äußerungen über und von Muniel vor: „‚Der hat nur Zahlen und Bilanzen im Kopf‘,