Die Sibyllinen. Friedrich Blass
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Es ist also hier alles voll Konfusion, und man wundert sich schließlich, daß sich doch mit Ausnahme des Prooemiums von III und weniger anderer Stellen das, was die Kirchenväter aus ihren Sibyllinen citieren, in den unsrigen immer noch vorfindet. Im Großen und Ganzen also sind die heidnischen Zeugnisse für Christus und Moses, auf welche sich die Kirchenväter, in gutem Glauben zwar, aber in großer Einfalt, so gern berufen, von der Kirche behütet worden; wir haben, wie wir schon sahen, sogar weit mehr, als jene hatten. Eine Scheidung nun nach den Urbestandteilen und eine durchgehende Sonderung des Heidnischen, des Jüdischen und des Christlichen ist ganz offenbar unmöglich, wenn auch bei vielen einzelnen Stücken der Ursprung völlig klar ist. Aber bei sehr vielen anderen ist er eben gemischt: heidnische Grundlage in jüdischer Überarbeitung oder jüdische in christlicher; durch christliche Hände ist schließlich alles gegangen. Da wir hier, entsprechend dem Plane des Werks, der sich auf die jüdischen Bestandteile der Sibyllinen beschränkt, nur einen Teil der Sibyllinen geben, die kleinere Hälfte, und von den Büchern nur drei, so wenden wir uns nun ausschließlich zu diesen.
Das 3. Buch, wie es in den Hdschr. überliefert ist, beginnt nach kurzem Eingange mit einer Ermahnung zur Verehrung des wahren Gottes (1-35), die wir hier weggelassen haben, weil sie sich inhaltlich und vielfach auch in den Worten mit dem deckt, was Theophilus überliefert und Lactantius als Eingang dieses Buchs bezeugt. Die folgenden Stücke, 36-45, 46-62, 63-92, berühren sich sehr stark mit dem VIII., auch mit dem I. und II. Buche; wir haben sie beibehalten, obwohl sie alter Bezeugung ermangeln, und nur ein sinnloses kleines Stück weggelassen, 93-96. Alexandre rechnet bis hierher III § 1, welchen Paragraph er verwirft, und dann von 97 ab einen alten, sich an das erste Prooemium anschließenden Bestand, bis V. 294 (§ 2). In diesem Stücke wird die Geschichte der Welt von der Sintflut bis zum messianischen Reich erzählt oder prophezeit; der Anfang ist grundschlecht, wird aber nichtsdestoweniger, so wie ihn die Hdschr. haben, von Theophilus citiert, nur daß V. 104 fehlt und statt 107 (bis wohin das Citat reicht) ein jetzt im VIII. Buche (5) stehender Vers sich findet. Die Kritik ist hier und an anderen Stellen ebenso leicht wie schließlich fruchtlos, man könnte auch sagen zwecklos. Als § 3, nach ihm späteren Ursprungs, rechnet Alexandre V. 295-488, eine Sammlung vermischter Orakel gegen alle möglichen Völker und Städte, als § 4, wieder echt und mit § 2 zusammengehörig, den Rest, obwohl hier zunächst das Orakeln ganz in derselben Weise weitergeht; aber es steht V. 489 ff. eins von den gewöhnlichen Prooemien der Sibylla: als ich eben aufgehört hatte, da trieb mich von Neuem der Gott an. Erst mit 545 beginnen wieder die Deklamationen gegen den Götzendienst, der Lobpreis der Juden und die eschatologischen Prophezeiungen; doch bildet auch dies noch durchaus keine ursprüngliche Einheit, und wir sahen vielmehr vorhin schon, daß 545 ff. allem Anscheine nach bei Lactantius in einem anderen Buche standen, und nicht minder 652 ff., wonach sich das ganze Stück 624-701 als ein hier ungehöriger Einschub darstellt. Nämlich 619-623 werden von Lactantius als der Erythräerin angehörig bezeugt, und 702 schließt sich an 623 vortrefflich an. Dafür wird ein Stück nahe dem Anfang von § 3 (V. 314-318) durch Erwähnung des siebenten Herrschers (318) mit § 2 und 4 enger verbunden; also auch dies, gleichwie § 2 nach V. 192 f. und § 4 nach 608 ff., ist unter Ptolemaios VII. Physkon entstanden, und es wird auch sowohl V. 314 ff. als 611 ff. deutlich auf die Kriegszüge des Antiochus Epiphanes nach Ägypten Bezug genommen. Nicht zu vergessen ist auch, daß das Orakel über Troja, V. 464 ff., zwar nicht von Lactantius, aber doch von älteren Griechen der Erythräerin zugeschrieben wird. Endlich zeigt sich bei V. 383 ff. eine merkwürdige Verwandtschaft mit einem Orakel, welches nach Strabo (XVII, 814) die zu Alexanders des Großen Zeit lebende Erythräerin Athenais, eine Art neuer Sibylle, über Alexanders göttliche Abkunft gegeben haben soll; natürlich wird in den jetzigen Sibyllinen diese Abkunft nur erwähnt, um geleugnet zu werden. Was also im 3. Buche zusammengehört, kann mit Sicherheit auf die Redaktion oder Autorschaft eines ägyptischen, um 140 unter Physkon schreibenden Juden zurückgeführt werden, indem sich an dieses siebente Königtum in der Erwartung des Juden alsbald die messianische Zeit anschließt, er also noch kein achtes erlebt hatte. Dagegen das Stück in § 1 V. 46 ff. enthält eine deutliche Beziehung auf das Triumvirat des Antonius, Oktavianus und Lepidus (52) und vielleicht eine andere auf Kleopatra, der die Weltherrschaft geweissagt wird (75 ff.), wiewohl sich hier auch anderes hineinmischt: die Königsherrschaft Roms auch über Ägypten (45), die doch erst mit Oktavians Siege anhob, und der aus den Sebastenern, d. h. den Samaritanern, kommende Beliar, d. i. Antichrist (68 ff.). — In 464 ff. wird ein verwüstender italischer Bürgerkrieg geweissagt, wie er jedenfalls 140 v. Chr. noch nicht gewesen war. — Von christlicher Überarbeitung ist das ganze Buch verschont geblieben, denn auch V. 776, wo die Hdschr. „den Sohn Gottes“ statt „den Tempel Gottes“ bieten, ist wohl nur gewöhnliche Verderbnis.
Bei dem verhältnismäßig kurzen 4. Buche kann wenigstens die einheitliche Redaktion unbedenklich angenommen werden. Die Sibylle predigt den einen Gott, preist die Juden, denen beim Endgerichte die Seligkeit in Aussicht gestellt wird; dann kommt Weltgeschichte, bei der auch Xerxes’ Heereszug (76 ff.), der Peloponnesische Krieg (83 ff.) und Alexanders Thaten (86 ff.) Erwähnung finden, und gleich hinter diesen (96 f.) stehen die zwei Verse, die Strabo als sibyllinisch citiert. Hier also ist die heidnische Grundlage deutlich genug und die jüdische Zuthat ebenso, wenn die Zerstörung Jerusalems durch die Römer (115 ff., 125 ff., 136) und die Flucht Neros über den Euphrat (119 ff.) und seine Wiederkehr (138 f.) geweissagt werden. Schließlich Bußpredigt und Verkündigung des Endgerichts. Die späteste erwähnte Thatsache ist der Ausbruch des Vesuv i. J. 79 n. Chr., wonach sich die Zeit der Redaktion ungefähr bestimmt. Christliches zeigt sich auch hier nicht.
Endlich das 5. Buch ist deutlich wieder ein Konglomerat. Zu Anfang steht römische Geschichte bis zu Hadrian und seinen Nachfolgern, V. 1-51, also aus der Zeit der Antonine; aber dann redet wieder ein ägyptischer Jude gegen Ägypten und seinen Götzendienst, und es geht in so buntem Wirrsal weiter, daß hier auch Alexandre keine Einteilung nach Paragraphen versucht hat. Die römische Zerstörung des Tempels kommt mehrfach vor (150 f., 160 f., 398 ff.), auch der wiederkehrende Nero (155 ff., 215 ff., 363 ff.); leidenschaftliche Deklamationen gegen Rom zeigen den erbitterten Juden. Neu in Vergleich zu III und IV ist die Bezugnahme auf den ägyptischen Tempel des Onias und seine Zerstörung, die auf Vespasians Befehl geschah, hier freilich als von den Aethiopen geschehend geweissagt wird (501 ff.). Ferner ist neu die Weissagung von einem Kriege der Gestirne untereinander, kurz behandelt schon 207 ff. und nun in dem wahnsinnigen Finale 512-531 breit ausgeführt. Dies sieht einmal wieder wie ursprünglich heidnisch aus; als christlich gefärbt erscheint nur die eine Stelle 256-259, wiewohl auch hier zunächst von Moses und Josua die Rede ist.