Hitlers Vater. Roman Sandgruber

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Hitlers Vater - Roman Sandgruber

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Josef Glassl in Theresienfeld bei Wiener Neustadt. Ein Matrikeneintrag für diese Hochzeit konnte bis heute nicht gefunden werden, weil man den Ort der Heirat nicht kennt. Aber man darf dem deklarierten Antifaschisten und ersten seriösen Hitler-Biografen Konrad Heiden, der dieses Datum nach Einschau in die damals noch vorhandenen Personalakten erfahren haben will und in seinem 1936 erschienenen Buch Hitler. Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit publizierte, sicher mehr trauen als den notorisch unverlässlichen Braunauer Zeitzeugen, die im Jahr 1938 diese Eheschließung auf 1873 datierten.69 Heiden erwähnte auch den inzwischen nicht mehr vorhandenen Scheidungsakt aus 1880, dem zufolge diese Ehe nach sechzehnjähriger Dauer am 7. November 1880 durch das Bezirksgericht Braunau geschieden bzw. von Tisch und Bett getrennt worden sei. Die Adoptiveltern der Braut seien wohlhabend gewesen. Sie hätten Alois den Luxus von Büchern und Reisen und ein gewisses gesellschaftliches Auftreten ermöglicht.

      Dass alle späteren Hitler-Biografen nicht 1864, sondern 1873 als Jahr dieser ersten Eheschließung angaben, geht auf die Braunauer Schuldirektorin Maria Pernstein zurück, die von 1913 bis 1933 in Braunau tätig war und 1955 in Salzburg 80-jährig verstarb. Sie hatte 1938 vom Hörensagen Aufzeichnungen zu Alois Hitlers Braunauer Zeit zusammengetragen, von denen schon Jetzinger feststellte, dass sie von Fehlern nur so wimmeln würden, was ihn aber nicht hinderte, sie dennoch zu übernehmen. So auch das Datum der Hochzeit mit Anna Glassl: »Die Eheschließung soll nach Angabe der Lehrerin Pernstein am 31. Oktober 1873 stattgefunden haben«, allerdings mit der schon von Jetzinger hinzugefügten Anmerkung, dass »Frau Pernstein eben jeden Tratsch kritiklos niedergeschrieben« habe.70 Dass Jetzinger, obwohl er Konrad Heidens Buch gekannt hat, die von ihm gelieferten Personaldaten negierte, muss daran liegen, dass er offensichtlich die Erstauflage benutzte, in der das Heiratsjahr noch nicht enthalten war, während Heiden noch im Jahr 1936 in den später gedruckten Exemplaren seine Darstellung um neu gefundene Informationen ergänzt hatte. Alle späteren Autoren sind aber Jetzinger gefolgt und haben Heidens Buch offenbar nie oder nur in der Erstausgabe nachgelesen.

      Dass sich in den Braunauer Matriken aus dem Jahr 1873 oder auch aus früheren oder späteren Jahren keinerlei Hinweise auf diese Eheschließung finden, darf nicht überraschen. Sie war eben früher und an einem anderen Ort erfolgt. Fakt ist: Anna Glassl oder später Glassl-Hörer war am 26. März 1823 als Tochter des k.k. Tabak- und Stempelgefällsaufsehers, also Steuerbeamten Joseph Glassl und der Elisabeth Pfindt, Tochter des Johann Pfindt, Leichenträger in Wien, in Theresienfeld bei Wiener Neustadt geboren worden. Väterlicherseits bestand eine lange Zollamtstradition. Schon der Großvater war königlich-ungarischer Dreißigst-Aufseher und Zolleinnehmer an der bis 1848 bestehenden österreichisch-ungarischen Steuergrenze gewesen.71 Getauft wurde sie am 27. März 1823 in Theresienfeld. Die Taufpatin war Anna Bekerer, die Gattin eines Wiener Neustädter Seidenfärbers. Sonderlich begütert war die Familie also wohl nicht. Doch was bedeutet der von Konrad Heiden erwähnte Doppelname Glassl-Hörer? War sie adoptiert worden oder eine wohlhabende Witwe? Und wer war Josef oder Johann Hörer? War er der k.k. Steueramts-Cassa-Adjunkt Josef Hörer, der in den Wiener Adressbüchern bis 1864 als Hausbesitzer in Oberdöbling Nr. 272 aufscheint? Oder war er irgendein nicht näher bezeichneter Beamter irgendwo im Land Salzburg, in Radstadt vielleicht, wie Heiden schreibt? Wo Alois Hitler Anna Glassl kennengelernt hatte, ist nicht bekannt, und auch nicht, wo die Hochzeit stattfand. Jedenfalls war die Braut vierzehn Jahre älter als Alois. Ob die Heirat eine Liebes- oder Geldheirat war, lässt sich ebenfalls nicht klären. Die große Altersdifferenz ist allerdings auffällig. Man könnte sagen: Alois Hitler hatte schon in seiner Kindheit immer mit sehr alten Frauen zu tun gehabt. Seine Mutter war bei der Geburt fast 41 Jahre alt und auch im Haus des Ziehvaters Johann Nepomuk gab es eine alte »Mutter«, weil auch dessen Frau dreizehn Jahre älter war als ihr Mann.

      Das Jahr der Heirat ist nicht ganz belanglos, ob 1864 oder 1873. Im Jahr 1873 war Alois Hitler bereits 36 Jahre alt und Anna Glassl 50. Natürlich: Der Altersunterschied war auch 1864 nicht kleiner als 1873, war aber noch nicht so in die Augen fallend wie in den 1870er Jahren, als Anna den Quellen zufolge schon eine kränkelnde, alte Frau geworden war. Hatte Alois 1864, als er die 41-jährige Anna Glassl heiratete, noch auf Kinder hoffen können, zumal seine Mutter ihn ebenfalls in diesem Alter entbunden hatte, so war in den 1870er Jahren, als Anna den Fünfziger überschritten hatte, diese Möglichkeit mit Sicherheit vorbei. Indem sein Heiratsdatum allerdings um neun Jahre umdatiert wurde, erscheint der bald darauf konstatierte Ehebruch eklatanter und die Scheidung im Jahr 1880 von einer bereits schwerkranken Frau umso skandalöser.

      Mangels Personalakt bleibt vieles im Dunkeln. Wie lange Alois im Land Salzburg eingesetzt war und wann er nach Oberösterreich versetzt wurde, ist ebenfalls nicht ganz klar: ob das bereits 1864 mit der Übernahme in den Beamtenstand erfolgte, ob in einem der nächsten Jahre oder erst im Jahr 1870, in welchem er in Mariahilf bei Passau erwähnt ist. Feststeht, dass er 1871 von Mariahilf nach Braunau versetzt wurde.

       Mythos Braunau

      »In Braunau, diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach, wohnten am Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts meine Eltern; der Vater als pflichtgetreuer Staatsbeamter, die Mutter im Haushalt aufgehend und vor allem uns Kindern in ewig gleicher liebevoller Sorge zugetan …«, schreibt Adolf Hitler in den ersten Sätzen von Mein Kampf.72 Er, der nur die ersten drei Jahre seines Lebens in Braunau verbracht hatte, konnte daran kaum eine Erinnerung haben. Und auch für seinen Vater waren die einundzwanzig Braunauer Jahre sicherlich nicht nur reine Freude: Als Auswärtiger, als Zollbeamter und als Vertreter des österreichischen Staates war er in der Grenzstadt nicht unbedingt willkommen. Einfach war es für Fremde im Innviertel selten: Der Innviertler sei stolz, hochfahrend und verschlossen, trinkfreudig und rauflustig sowie revolutionär gegen alle höheren Verordnungen, mögen sie nun aus Linz oder aus Wien kommen, meinte der bekannte Volkskundler Eduard Kriechbaum, der aus dem Mühlviertel stammte und von 1913 bis 1939 Ranshofener und Braunauer Stadtarzt war und die Innviertler Mentalität wie kein anderer kannte.73

      Im Innviertel ging es rau zu. Dass Alois seinem Sohn die im Kreisgericht Ried zur Schau gestellten Raufwerkzeuge der Innviertler Bauernburschen gezeigt habe, wie Adolfs späterer Wiener Freund und Kumpan Reinhold Hanisch später berichtete, ist zwar erfunden. Denn wann wäre Alois mit Adolf zu Besuch in Ried gewesen? Aber dass Alois ihm davon erzählt hat, ist sicher, weil die besagen Utensilien noch heute im Kreisgericht vorhanden sind.74 Dass Alois bei solchen Kraftakten schlichtend eingreifen musste oder sich sogar selbst daran beteiligte, kann man sich gut vorstellen.

      In der Stadt, die erst seit 1816 dauernd zu Österreich gehörte und wo das Österreichbewusstsein immer noch recht schwach ausgebildet war, schlugen Alois wohl manche Vorurteile entgegen. Der Nachrede, die er in Braunau hatte, positiv wie negativ, darf man daher nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Zöllner waren zwar Vertreter des fernen Kaisers in Wien. Aber gerade im Innviertel war die Anhänglichkeit an die Haupt- und Residenzstadt und an das Kaiserhaus nicht besonders groß. Hier waren immer noch die alten bayerischen Bindungen präsent, und München lag nicht nur geografisch viel näher als Wien und nicht weiter entfernt als Linz, sondern man orientierte sich auch kulturell und politisch häufig immer noch lieber an der alten als an der neuen Heimat.

      Dass Alois Hitler 1871 zum neu zu errichtenden Nebenzollamte erster Klasse in Braunau mit der gleichzeitigen Ernennung zum Kontrollor und der Vorrückung in die Gehaltsklasse 10 versetzt worden war, hing mit der stark gestiegenen Bedeutung zusammen, die Braunau gerade in den Jahren 1870/71 gewonnen hatte. 75 Die Stadt, die durch den Übergang des Innviertels von Bayern an Österreich zur Grenzstadt und durch den Niedergang der Innschifffahrt in eine schwere wirtschaftliche Krise geraten war, war 1870/71 mit der Eröffnung der Innkreis-Eisenbahn zwischen Neumarkt-Kallham und München und der neuen Innbrücke in Braunau, welche die kürzeste Verbindung zwischen Wien und München herstellten, als Grenzort deutlich aufgewertet worden.

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