Dresden - HeimatMomente. Jenny Menzel
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Im ganzen Stadtgebiet stößt man auf die Messingsteine von Gunter Demnig, die der Künstler seit 2009 herstellt und verteilt. Wie normale Pflastersteine sind sie in den Boden eingelassen, meist vor Hauseingängen.
Stolpern kann man über sie kaum, trotzdem bringen sie zum Innehalten; und das ist ihre Funktion: Jeder Stein markiert den letzten gemeldeten Wohnort eines jüdischen Dresdners oder einer Dresdnerin. Auch Künstler und Politikerinnen, körperlich und geistig Behinderte und Zeugen Jehovas sind dabei, die politisch verfolgt und ermordet wurden.
Eingestanzt sind Name und Geburtsdatum, dann folgt das Datum, an dem diese Menschen aus ihrem Heim vertrieben wurden: abgeschoben nach Polen oder deportiert in KZs, hingerichtet oder schlicht ermordet. Nur auf wenigen steht „Flucht nach Australien“ oder „KZ überlebt“. Am traurigsten sind die mit den Namen von Kindern – etwa von Jutta und Tana Schneck, die 1942 im Alter von zwei und fünf Jahren zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert und vergast wurden.
Viele Dresdner schauten damals weg – oder unterstützten die Nazis. Die waren in Dresden gründlich und feierten 1942, die Stadt wäre nun „judenrein“. Das stimmte nicht ganz; noch bis 1943 lebten etwa 300 jüdische Frauen und Männer im „Judenlager“ auf dem Hellerberg als Zwangsarbeiter in einer Rüstungsfabrik des Kameraherstellers Zeiss Ikon. Sie alle wurden im März 1943 nach Auschwitz gebracht. Ironischerweise verhinderte die Bombennacht vom 13. Februar 1945 die Deportation der letzten Juden aus Dresden; damals lebten noch 41 in der Stadt, die meisten in „Mischehe“ mit Deutschen oder deren Kinder.
Seit dem Beginn des Projekts „Es waren unsere Nachbarn“ hat Demnitz fast 70.000 Steine in über 1200 Orten in Deutschland und in 24 Ländern Europas verlegt. Die Stolpersteine gelten damit als das größte dezentrale Kunstwerk der Welt.
Im Gegensatz dazu fokussiert die architektonisch auffällige Neue Synagoge am Rathenauplatz die Aufmerksamkeit auf einen Punkt. Die jüdische Gemeinde der Stadt, schon immer klein und durch den Holocaust geschrumpft von etwa 5000 Gläubigen auf heute etwa 700, wurde kaum wahrgenommen – bis sie ihr neues Gotteshaus bekam. Das Architekturbüro Wandel + Lorch erhielt für diesen Entwurf den World Architecture Award.
Schauen Sie ruhig genau hin, wenn Sie an den Polizei-Mannschaftswagen vorbeispazieren, die zum Schutz der Gemeinde beschämenderweise wieder nötig sind: Der 24 Meter hohe, fensterlose Würfel soll an den ersten Tempel der Israeliten und die Klagemauer in Jerusalem erinnern. Seine Fassade besteht aus vielen Reihen von Bausteinen, die jeweils um sechs Zentimeter verdreht sind. So gelang ein Kompromiss mit den praktischen Gegebenheiten: Während die Grundfläche exakt in die nach Norden ausgerichteten Grenzen des Baulands passt, ist ihre Oberseite nach Osten ausgerichtet, wie es für Synagogen sein soll. Gegenüber liegt ein weiterer, nicht verdrehter Kasten, das Gemeindezentrum und das Arbeitszimmer des Rabbis, eines jungen Mannes aus New York, der zwischen Dresden und Basel pendelt.
Die Neue Synagoge wurde mit dem World Architecture Award prämiert
An die Alte Synagoge, erbaut 1840 von Gottfried Semper als größter Sakralbau Deutschlands, erinnert ein Gedenkstein in Blickweite der Neuen Synagoge. Genau 60 Jahre nach ihrer Sprengung erfolgte 1998 der erste Spatenstich für die Neue Synagoge, weitere drei Jahre später wurde sie als erste Synagoge in Ostdeutschland eingeweiht.
Der alte Davidstern, der über der Tür hängt, ist das einzige, was von der Alten Synagoge übrig blieb. Jetzt können die Juden in Dresden neue Geschichte schreiben. Seit 2020 ist Jüdische Religion Wahlpflichtfach an sächsischen Grundschulen. Und wer mag, kann dem Rabbi Weingarten auf YouTube und Instagram folgen.
Info
Lage:
Hasenberg 1, 01067 Dresden, am östlichen Ende der Brühlschen Terrasse
Anfahrt: Parken auf dem Parkplatz Schießgasse vor der Polizeidirektion; Straßenbahnlinie 3/7, Haltestelle Rathenauplatz/Synagoge
Öffnungszeiten: nur nach Anmeldung oder zu Gottesdiensten der Gemeinde
Führungen durch die Synagoge: Tel.: 0351 65 60 70
Website von Rabbi Weingarten: rabbiweingarten.com
HINWEISE:
•Die Stolpersteine findet man im ganzen Stadtgebiet von Dresden; eine Übersichtskarte gibt es unter stolpersteine-dresden.de oder auf dem Themenstadtplan der Stadt unter dresden.de.
•Die Infotafel für das Judenlager am Hellerberg, das nördlich des St. Pauli Friedhofs lag, steht am südlichen Ende des Hammerwegs.
•Die Rüstungsfabrik, in der die letzten Juden in Dresden bis 1943 arbeiten mussten, steht an der Riesaer Straße in Dresden-Pieschen und wird heute nach Sanierung teilweise als Kulturfabrik „Zentralwerk“ genutzt.
8 Kraftwerk Mitte
KULTUR IM ZENTRUM
In Dresdens barockem Zentrum tummeln sich tagsüber die Menschen. Mit dem Einbruch der Dunkelheit wird es aber sehr still in der Innenstadt – für Wein und Gesang pilgern die Dresdner lieber auf die andere Elbseite, ins Kneipenviertel Äußere Neustadt. Dort sorgen Bars und Restaurants, viele kleine Theater und Kulturstätten sowie Clubs fürs leibliche Wohl und die Unterhaltung.
Seit 2016 ist das anders – jetzt sieht man auch abends Scharen von Dresdnern in die Innenstadt pilgern. Und zwar jeden Alters! Ihr Ziel liegt zwar gleich neben dem Bahnhof Mitte, ist aber nicht das „richtige“ Stadtzentrum. Geschenkt – auf dem Gelände des ehemaligen Heizkraftwerks (alias Lichtwerk, alias Westkraftwerk), das hier seit 1895 dreckigen Kohlestrom für Dresden produzierte, ist ein Kulturmix vom Feinsten entstanden – und das in einem beeindruckenden Kulturdenkmal.
Energie wurde an dieser Stelle schon seit 1838 erzeugt, im Laufe der Zeit baute man immer weitere Gebäude und Anlagen auf und an. Das Ergebnis ist ein Fest für Stadthistoriker und Architekturfans, ein Querschnitt vom Historismus bis zur Sachlichkeit. Nur das alte Kesselhaus wurde leider trotz Denkmalschutzes 2006 abgerissen.
Zuerst eröffneten die Dresdner Stadtwerke, 175 Jahre nach dem ersten Aufleuchten einer Gaslaterne in Dresden, das Energiemuseum KraftWerk in einem ehemaligen Werkstattgebäude. Dann zog 2010 der Kraftwerk Club in die alten Klinkerhallen des Bahnstromwerks an der nordöstlichen Ecke des Areals ein. Seitdem wummern jedes Wochenende die Bässe, Szenegrößen wie Paul van Dyk und DJ Antoine kommen gern hierher. Kein Wunder bei einer Location, in deren Mitte ein Wasserfall rauscht!
Das Kraftwerk Mitte ist immer noch voller Energie
Ein Theater für die Jüngsten: das tjg
2014 kamen die Musikhochschule und 2016 das Heinrich Schütz Konservatorium, die Heinrich-Böll-Stiftung richtete sich in der alten Trafohalle ein, das Restaurant „Neue Sachlichkeit“ und das wunderschöne kleine Bistro „t1“ im ehemaligen Pförtnerhaus setzten dem coolen Industrie-Charme ein warmes i-Tüpfelchen auf. Als schließlich