Gelassene Eltern - zufriedene Kinder. Laura Markham
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Den Kreislauf durchbrechen: Unsere eigenen Wunden heilen
Ohne Reflexion wiederholt sich Geschichte oft … die Forschung hat deutlich gezeigt, dass die Verbundenheit unserer Kinder mit uns davon beeinflusst wird, was wir selbst als Kinder erlebt haben; sofern wir diese Erfahrungen nicht verarbeitet und verstanden haben.
DAN SIEGEL3
Von dem berühmten Psychologen Donald Winnicott stammen viele weise Beobachtungen zu Eltern und Kindern. Meine liebste lautet, dass Kinder keine perfekten Eltern brauchen. Wir müssen nur darauf achten, ihnen möglichst keinen Schaden zuzufügen und ihnen das Maß an »gewöhnlicher Hingabe« zu gewähren, das von den Eltern schon immer gefordert wird.
Leider ist das nicht so einfach, wie es sich anhört. Zuerst einmal hat Hingabe nichts »gewöhnliches« an sich. Wie Eltern wissen, bedeutet Hingabe, mit einem schreienden Baby, das eine Mittelohrentzündung hat, um zwei Uhr nachts in der Wohnung auf und ab zu gehen. Hingabe bedeutet, sich nach einem langen Tag dazu zu zwingen, seinen Kindern ein Essen zuzubereiten, wenn man eigentlich nur abschalten und es sich auf dem Sofa gemütlich machen will. Hingabe bedeutet, während einer Autofahrt in einer kalten Nacht, die Jacke auszuziehen und sie über das auf dem Rücksitz schlafende Kind auszubreiten. Diese gewöhnliche Hingabe ist dieselbe intensive Liebe, die Eltern im Lauf der Menschheitsgeschichte immer wieder dazu veranlasst hat, sich zwischen ihr Kind und eine Gefahr zu werfen, ob es sich dabei um fliegende Glasscherben oder feindliche Soldaten handelt.
Aber selbst wenn wir unsere Hingabe so ausdrücken, dass wir unsere Kinder bereitwillig an die erste Stelle setzen, ist es noch immer nicht leicht »hinreichend gute Eltern« zu sein. Sogar eine hingebungsvolle Mutter oder ein hingebungsvoller Vater verletzt unabsichtlich das eigene Kind oder hinterlässt bei ihm Narben. Das schließt auch diejenigen Eltern mit ein, denen ihre Kinder über alles gehen, die sich, wenn nötig, völlig selbstlos verhalten würden. Weshalb diese Kluft zwischen unseren Absichten und unseren Handlungen? Der Grund dafür ist, dass sich, während wir unserem Kind niemals absichtlich wehtun würden, in unserm Elterndasein wie auch in jeder anderen Beziehung, so vieles außerhalb unseres bewussten Gewahrseins abspielt.
Tatsächlich wurden wir praktisch alle in der Kindheit verwundet und wenn wir diese Wunden nicht heilen, hindern sie uns daran, die Eltern für unsere Kinder zu sein, die wir wirklich sein wollen. Wenn es einen Bereich gibt, in dem du als Kind Narben davongetragen hast, dann kannst du damit rechnen, dass dir dieser Bereich als Eltern Kummer bereitet – und du wiederum dein Kind verletzt.
Uns allen fallen dafür Beispiele ein: der Vater, der bei seinem Sohn unabsichtlich das verurteilende Erziehungsverhalten des eigenen Vaters wiederholt. Die Mutter, die dem Verhalten ihrer Kinder keine Grenzen setzen kann, weil sie deren Ärger auf sie nicht ertragen kann und schließlich selbstbezogene, ängstliche Kinder heranzieht. Die Eltern, die beruflich extra Überstunden machen, weil sie die eigene Fähigkeit, sich für ihr Baby zu interessieren (sprich: es zu lieben) anzweifeln. Uns allen gilt die Aufgabe, unsere eigenen Narben – einige eher unbedeutend, andere schmerzhafter – bewusst zu untersuchen, damit wir unseren Kindern keine neuen zufügen.
Die wunderbare Nachricht ist, dass uns das Elternsein eine Landkarte dafür liefert, wo sich diese Narben befinden, und die Chance, in die Tiefe zu gehen und uns zu heilen. Unsere Kinder besitzen ein untrügliches Gespür, uns diese wunden Stellen zu zeigen und Ängste und Ärger herauszulocken. Besser als der beste Zen-Meister oder Therapeut bieten uns unsere Kinder die perfekte Gelegenheit, zu wachsen und zu heilen. Die meisten Eltern sagen, dass sie durch die Liebe zu ihren Kindern verwandelt wurden: Sie wurden geduldiger, mitfühlender, selbstloser. Dicht an den Themen, die unsere frühe Psyche geformt haben, werden wir immer eine erhöhte Sensibilität spüren, aber sobald wir die verbleibenden Verletzungen heilen, wird unser Verhalten nicht länger davon gesteuert, und wir merken, dass uns diese Narben informieren, motivieren und zu besseren Eltern machen.
Wie kannst du also deine eigenen Kindheitsprobleme heilen und zu dem Elternteil werden, den du dir für deine Kinder wünschst?
• Lebe dein Elternsein bewusst. Wenn wir aufmerksam sind, merken wir es, wenn das Kind unsere inneren Knöpfe aktiviert. Natürlich handeln Kinder wie Kinder, und zwar immer. Das ist altersgemäß. Aber was manche Eltern nervt, wird von anderen mit einer ruhigen, warmen und humorvollen Haltung aufgenommen, die Kinder dabei unterstützt, sich benehmen zu wollen. Jedes Mal, wenn uns etwas »triggert«, sind wir über etwas gestolpert, das der Heilung bedarf. Wann immer dein Kind bei dir die inneren Knöpfe drückt, zeigt es dir eine unerledigte Thematik aus deiner Vergangenheit.
• Unterbreche den Kreislauf. Verwende die innere Pausentaste. Du musst mit deinen Kindern nicht die Vergangenheit wiederholen. Selbst wenn du den falschen Weg bereits ein großes Stück gegangen bist: Stopp. Atme tief ein und drücke die Pausentaste. Schließe den Mund, selbst wenn es mitten im Satz ist. Sei deswegen nicht peinlich berührt; du bist ein Vorbild für gute Aggressionsbewältigung. Spare dir die Verlegenheit für deinen nächsten Tobsuchtsanfall auf.
• Begreife, wie Emotionen funktionieren. Ärger ist eine Botschaft, dass etwas in unserem Leben nicht funktioniert. Dabei ist das Problem, dass er auch ein biologischer Zustand ist, der uns nicht dabei hilft, die beste Lösung zu finden. Wenn uns die hormonellen Reaktionen im Griff haben, die uns »ärgerlich« machen, tun und sagen wir Dinge, die wir sonst niemals sagen oder tun würden. Sind Körper und Emotionen im Kampf-oder-Flucht-Modus, erscheint dir dein Kind immer wie der Feind. Atme tief ein und warte, bis du dich beruhigt hast, bevor du etwas beschließt oder handelst.
• Drücke die Rückstelltaste deiner eigenen »Geschichte«. Wenn deine Kindheit leiderfüllt war, kannst du das nicht ändern. Was du jedoch verändern kannst, ist das, was du aus deiner Kindheit mitnimmst: deine »Geschichte«. Das tust du, indem du darüber nachdenkst, die schmerzhaften Gefühle fühlst, aber auch neue Blickwinkel berücksichtigst. Wenn dein Vater die Familie verlassen hat und du daraus gefolgert hast, dass du nicht gut genug warst, ist es an der Zeit, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und von deinem Standpunkt als Erwachsene zu verstehen, dass du mehr als gut genug warst und sein Weggehen nichts mit dir zu tun hatte. Wenn du von deiner Mutter geschlagen wurdest und daraus gefolgert hast, dass du ein böses Kind warst, wäre eine zutreffendere Erklärung, dass deine Mutter vermutlich voller Angst war und sogar das engelhafteste Kind der Welt geschlagen hätte. Du warst einfach wie jedes Kind: Du hast dich auf die einzige Weise nach Liebe und Zuwendung ausgestreckt, die du kanntest. Deine Geschichte zu bewältigen und neu zu schreiben kann ein schmerzvoller und zugleich befreiender Prozess sein. Außerdem ist es der einzige Weg, um zu dem gelassenen Vater, der gelassenen Mutter zu werden, die du für dein Kind sein willst.
• Baue Stress ab. Uns fällt es schwerer, die Eltern zu sein, die wir gerne wären, wenn wir völlig gestresst sind. Bau dir ein Repertoire an Gewohnheiten auf, die dir beim Entspannen helfen: regelmäßig Sport treiben, Yoga, ein warmes Bad, Meditation. Fehlt dir die Zeit dazu? Dann beziehe die ganze Familie mit ein. Lege Musik auf und tanzt gemeinsam dazu, geht Spazieren, bringe freitagabends alle mit Büchern versorgt früh ins Bett, damit du einen ruhigen, entspannten Abend hast und Schlaf nachholen kannst. Mache dir Entschleunigung zur Priorität und du wirst dafür auch Wege finden.
• Hole dir beim Betrachten alter Probleme Unterstützung. Alle Eltern brauchen Unterstützung und Gelegenheiten, über ihre schwierige Aufgabe zu sprechen. Manchmal können wir das ganz ungezwungen mit Freunden oder Verwandten tun. Manchmal kann eine eher förmlichere »Zuhör-Partnerschaft« mit einem anderen Elternteil, wie sie Patty Wipfler von der Organisation Hand-in-Hand-Parenting empfiehlt, die letzte Rettung sein. Vielleicht willst du in eine Elternselbsthilfegruppe gehen. Wenn du das Gefühl hast, auf der Stelle zu treten, suche dir eine Beraterin