Einsicht durch Meditation. Joseph Goldstein
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Wenn wir Absichten registrieren und sehen, daß auch sie vergängliche geistige Phänomene sind, daß sie entstehen und vergehen, daß die Absichten selbst nicht »ich« und auch nicht »mein« sind, wenn wir sehen, daß sie niemandem gehören, dann lockern wir damit auch unsere Identifikation mit ihnen. Wir erfahren auf immer tieferen Ebenen die Selbst-Losigkeit des gesamten Prozesses, der sich vor uns entfaltet.
Wir beginnen mit dem Atem, öffnen uns für das Gefühl oder die Empfindung jedes Atemzuges, jeder Bewegung des Aufoder Absteigens, ohne Erwartungen darüber zu hegen, wie ein bestimmter Atemzug sein sollte. Wir versuchen nicht, ihn in ein bestimmtes Muster hineinzuzwängen, und wir denken nicht, daß eine bestimmte Empfindung auftreten sollte. Wir konzentrieren uns auf jeden Augenblick, mit großer Sorgfalt und Präzision, wir sind offen für das, was sich in jedem Atemzug offenbart. Welche Empfindung enthält dieses Aufsteigen oder dieses Einatmen? Wie fühlt es sich an? Ist es lang oder kurz, uneben oder glatt, tief oder flach, empfinden wir Schwere, Druck oder Prickeln?
Es geht auch nicht darum, eine Art Checkliste durchzugehen. Durch bloßes Offensein und volle Aufmerksamkeit enthüllen sich die Eigenschaften jedes Atemzuges von selbst. Wir ruhen in der Erfahrung und bleiben offen, erfüllt vom Anfängergeist, und erfahren jedes Ansteigen, jedes Absteigen, jedes Einatmen und jedes Ausatmen.
Tritt zwischen den Atemzügen eine Pause ein, dann richten Sie das Gewahrsein auf einen oder mehrere Berührungspunkte des Körpers und registrieren Sie »berühren, berühren«. Wenn bestimmte Körperempfindungen sich ins Bewußtsein drängen und die Aufmerksamkeit vom Atem ablenken, dann lassen Sie den Geist der dominierenden Empfindung nachgehen, offen dafür sein, sie fühlen. Stellen Sie fest, um was für eine Art von Empfindung es sich handelt. Ist es Hitze oder Kälte, Schwere oder Leichtigkeit, Vibration oder Prickeln, handelt es sich um eine schmerzhafte Empfindung oder um eine angenehme?
Wenn Sie sich mit vollem Gewahrsein allen Empfindungen öffnen, werden ihre Eigenschaften offenkundig. Lassen Sie Ihren Geist sehr empfänglich gegenüber den Empfindungen sein. Achten Sie darauf, was geschieht, während Sie sie beobachten. Werden sie stärker, werden sie schwächer, verschwinden sie, werden sie intensiver? Beobachten Sie, was geschieht, ohne jedes Modell und ohne Erwartungen darüber, wie etwas sein sollte; bleiben Sie einfach bei dem, was ist. Treten die Empfindungen in den Hintergrund, so kehren Sie zum Atem zurück.
Bleiben Sie wachsam gegenüber den verschiedenen geistigen Phänomenen, und registrieren Sie »denken« oder »sehen«, sobald Sie einen Gedanken oder ein Bild bemerken. Beobachten Sie, was mit dem Gedanken oder mit dem Bild geschieht, wenn Sie es registrieren. Bleibt es bestehen, oder löst es sich auf? Und wenn es sich auflöst: Geschieht das schnell oder langsam? Dominiert der Gedanke oder das Bild nicht mehr, so richten Sie das Gewahrsein wieder auf den Atem. Bewegen Sie sich fließend, rhythmisch und entspannt von Objekt zu Objekt. Sie brauchen nicht nach bestimmten Objekten zu suchen. Bewahren Sie die Qualitäten der Offenheit und Wachheit, so daß, was auch immer auftaucht, zum Objekt des Gewahrseins wird, und lassen Sie alle Objekte des Körpers und des Geistes auftauchen und sich auflösen, wie es ihnen beliebt. Unser Üben besteht einfach darin, uns in jedem Augenblick zu verankern und Augenblick für Augenblick zu beobachten, was auftaucht, ohne Urteil, ohne Bewertung, ohne Interpretation. Es geht um einfache, reine Aufmerksamkeit gegenüber dem, was geschieht.
Bleiben Sie auch den verschiedenen Geisteszuständen oder Gefühlen gegenüber achtsam. Solche Zustände sind weniger klar definiert als Objekte. Bei ihnen ist nicht so eindeutig festzustellen, was Anfang, Mitte und Ende ist. Dennoch können sie zu sehr dominierenden Objekten der Erfahrung werden. Wenn ein Geisteszustand oder eine Stimmung stark wird – Gefühle wie Traurigkeit, Glück, Wut, Begierde, Rastlosigkeit, freudige Erregung, Interesse, Begeisterung, Freude oder Ruhe –, dann registrieren Sie diesen Zustand des Geistes, fühlen Sie ihn und beobachten Sie, daß auch dies Teil des vorüberziehenden Spektakels ist. Geisteszustände entstehen, sind für eine Weile da und vergehen dann wieder.
Benutzen Sie den Atem als primäres Objekt, bleiben Sie dabei, wenn nichts anderes Ihre Erfahrung dominiert, und kehren Sie zum Atem zurück, wenn andere Objekte verschwinden. Auch wenn der Geist zerstreut oder verwirrt ist, ohne zu wissen, was genau er beobachten soll, dann zentrieren Sie die Aufmerksamkeit auf die Atmung, entweder auf das Auf und Ab oder auf das Ein und Aus. Sobald der Geist sich wieder zentrierter und ruhiger fühlt, öffnen Sie Ihr Gewahrsein erneut allen sich verändernden Objekten – dem Atem, den Geräuschen, den Empfindungen, den Gedanken, den Bildern, den Absichten –, und registrieren Sie jedes dieser Objekte, wenn es auftaucht. Sorgen Sie dafür, daß der Geist geöffnet, rezeptiv und wach bleibt, so daß in jedem Augenblick präzises Gewahrsein des Gegenwärtigen möglich ist.
J. G.
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