Gott und die anderen Großen. Ernst Peter Fischer

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Gott und die anderen Großen - Ernst Peter Fischer

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zum vertrauenden Glauben als auch zum prüfbaren Wissen verleiht und jeden Versuch überflüssig machen sollte, mit einer der beiden genannten spirituellen Qualitäten allein in der Welt zurechtzukommen, die man erkennen und verstehen und in der man sich einrichten möchte.

      In den Worten von Albert Einstein: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.“ Beide gehören in unserer Kultur seit der Achsenzeit und nach der Geburt der modernen Wissenschaft untrennbar zusammen. Zwar fürchten viele, dass Gott verliert, wenn dem Menschen mehr und mehr Wissen zufällt, aber es könnte ja auch sein, dass Gott gewinnt, wenn der Mensch gewinnt. Das zu glauben gefällt mir.

       „Der Glaube an Gott läuft im Jahre 1500 nicht auf das gleiche hinaus wie im Jahre 2000.“

      Charles Taylor

       Keplers Raserei

      Vor dem Wissen steht der Glaube, und das heißt, dass die ersten Männer der Wissenschaft über einen festen Glauben an einen Schöpfergott verfügten. Von dieser Grundlage aus operierten sie und erkundeten die Welt um sie herum.

      Gemeint ist zum Beispiel Johannes Kepler (1571–1630), der bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebte und sich trotz vieler Widrigkeiten und Mühen überzeugt zum Protestantismus bekannte, womit genauer das Luthertum gemeint ist, das seinen besonderen Ausdruck in dem so genannten Augsburger Bekenntnis gefunden hat und gläubigen Menschen ausreichend Platz für Freiheiten im Wollen und Handeln ließ.

      Für Kepler wirkte Gottes Gnade auf vielfältige Weise bis in den persönlichen Bereich hinein, etwa dadurch, dass der Herr im Himmel den kränklichen Astronomen auf der Erde lang genug am Leben hielt, um ihm ausreichend Gelegenheit zu geben, das Werk des allmächtigen Herrn des Himmels und der Erden in seiner Schönheit und Vollkommenheit zu erforschen.

      Leider schaffte es Gott nicht, sein Geschöpf Kepler so bei Gesundheit zu halten, dass der angestellte Astronom beim Kaiser als Arbeitgeber sein ausstehendes Gehalt einfordern konnte, nachdem der Herrscher ihn jahrelang nicht bezahlt und immer wieder vertröstet hatte. Der bescheidene Wissenschaftler starb daher arm und hinterließ eine vielköpfige darbende Familie.

      Man wüsste gerne, was Gott sich dabei gedacht oder welche Prüfung seines gläubigen Geschöpfs der Herr dabei im Auge gehabt hat, falls solch eine Formulierung sinnvoll ist und von gottesfürchtigen Menschen nicht sofort als unangemessen verworfen wird.

       Weltharmonik

      Doch lieber zurück zum wissenschaftlichen Treiben unseres Helden: Kepler zeigte sich trotz aller Mühsal zeitlebens überzeugt, „Nichts in der Welt ist von Gott planlos geschaffen“, wie er etwa in seinem Hauptwerk Weltharmonik von 1619 geschrieben hat. Er sah seine Aufgabe vornehmlich darin, sich auf die entsprechenden Gedanken Gottes einzulassen und sie in möglichst vielen Details seines Weltenplans aufzuspüren.

      Von den umfangreichen wissenschaftlichen Bemühungen Keplers, die den Gang von Licht durch Glas (Optik) ebenso ins Visier nahmen wie die sechseckige Form von Schneeflocken (Chemie), sollen in diesem Buch nur die astronomischen Leistungen bedacht werden, die den Himmel und seine Formationen zu erfassen versuchten, in denen seit dem Mittelalter dem lieben Gott Raum für sein Wirken zugestanden wird.

      Die christliche Kultur des Abendlandes hat tatsächlich um 1300 herum die Gestalt des Kosmos übernommen und zugleich christlich aufgeladen, wie sie von den alten Griechen – vor allem in den philosophischen Werken von Aristoteles – entworfen worden war. Die Philosophen der Antike stellten sich jenseits des Mondes kugelförmige Himmelssphären vor, die nichts mit irdischer Wirklichkeit zu tun hatten, die sich vielmehr nach göttlichen Vorgaben und somit ohne physikalische Mühe drehten und dabei die Planeten mit sich führten. Deren Bewegungen waren von der sublunaren Erde aus gut zu beobachten.

      Um die auf diese Weise zugängliche kosmische Mobilität zu erklären, benötigte man in der Antike keine Kräfte, wie sie die moderne Physik seit Newton benutzt. Dafür hatte der heidnische Grieche Aristoteles einen „unbewegten Beweger“ eingeführt, der alles in Schwung hielt, ohne sich selbst zu verausgaben.

      Wie nicht anders zu erwarten, übernahm die christliche Zeit diesen zentralen Gedanken, nur dass sie den antiken Antreiber in ein lateinisch benanntes „Primum Mobile“ verwandelte, in das „Erste Bewegte“ also, aus dem heraus die göttliche Kraft fließt, die in der Welt wirksam ist und empfangen wird sowie weiterströmt.

      Als Kepler sich an sein Werk machte, sah das christliche Denken die Erde mit dem Menschen im Zentrum der Welt. Um diese Mitte scharten und drehten sich die kugelförmigen Sphären, die ihrerseits weit außen Platz für das Göttliche ließen, das viele schöne Bezeichnungen erhielt und dabei als „Primum Mobile“ die Dinge auf ihren Weg brachte und den Lauf der Welt bestimmte.

       Kopernikanische Umwälzungen

      Der aus dem Württembergischen stammende Astronom Kepler kannte nicht nur die antiken Himmelsmodelle in christlicher Ausschmückung, wie sie etwa in Dantes Göttlicher Komödie eine Rolle spielen. Er kannte darüber hinaus auch die Ideen von Nikolaus Kopernikus (1473–1543), der in seinem Sterbejahr die bis heute für viele Menschen umwerfenden oder umwälzenden Ansichten über die Bewegungen am Himmel publiziert und dabei zwei dramatische Wendungen (Revolutionen) im Denken vorgenommen oder zumindest vorgeschlagen hatte.

      Zum einen empfahl Kopernikus tatsächlich, die Erde aus dem Zentrum der Welt zu nehmen und dort die Sonne unterzubringen, wobei zu beachten ist, dass diese (eher unwesentliche) astronomische Erniedrigung des Menschen – seine Entfernung aus der Mitte – eine (wesentliche) christliche Erhöhung zur Folge hat. Denn je weiter außen die Erde im Modell der Himmelskugeln (Sphären) zu liegen kommt, desto näher rückt sie an die Quelle der göttlichen Kraft heran und damit auf Gott zu – ein Umstand, der bis heute vielfach übersehen und peinlich falsch verstanden wird.

      Und zum Zweiten unterbreitete der polnische Domherr den Vorschlag, dass sich die Erde sogar zweimal drehe, nämlich nicht nur um die Sonne in einem großen Umlauf, für den sie ein Jahr benötigt, sondern zusätzlich in einem eher kleinen und kürzeren Rahmen um ihre eigene Achse – was den Wechsel von Tag und Nacht erklärt.

      Philosophisch betrachtet steckt die so genannte „Kopernikanische Revolution“ in der zweiten Rotation unseres Planeten, da die von unserem Planeten zu beobachtende Drehung der Fixsterne jetzt nicht mehr von diesen Himmelskörpern, sondern von dem sie beobachtenden Menschen her erklärt wird. Der rückt auf diese Weise doch wieder in die Mitte seiner Welt, nachdem er gerade das Zentrum des Sonnensystems aufgeben musste. Ein zugegebenermaßen manchmal verwirrendes Hin-und-Her der Positionen, das auch vielen Großen der Geistesgeschichte Mühe macht, hier aber nicht weiter verfolgt werden soll, da es weniger um Kopernikus und mehr um Kepler geht. Der interessierte sich vor allem für die erste Idee seines revolutionären Vorgängers.

      Genauer gesagt begeisterte sich Kepler unmittelbar für den heliozentrischen Vorschlag, obwohl es mit diesem Modell eine eigentlich unübersehbare und unüberwindbare Schwierigkeit gab. Denn offenkundig passt die Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, die dabei selbst als ruhend betrachtet wird, nicht mit den Erfahrungen zusammen, die Menschen mit ihren Sinnen machen. Diese erlebten Eindrücke finden ihren Ausdruck sogar in der Sprache wieder und lassen die Menschen morgens von einem Sonnenaufgang und abends von dem dazugehörenden Untergang sprechen, obwohl der zentrale Himmelskörper im heliozentrischen Modell keinen einzigen Schritt tut und nicht geht, sondern einfach ruht.

      Neben diesen allgemeinen Schwierigkeiten, dem Modell des Kopernikus zu vertrauen,

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