Die Quelle in dir. Fabian Wollschläger
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Andererseits kann die Fähigkeit der mentalen Raum- und Zeitreisen auch gegen uns wirken, wenn es zu einem unbewussten Zwang wird. Unser Gehirn assoziiert die Gegenwart immer mit der Vergangenheit, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer neuen und unseren alten Erfahrungen zu analysieren und so der neuen Erfahrung eine Bedeutung zu verleihen. Nicht nur in der Hirnforschung, auch in Psychologie und Pädagogik ist diese Funktion des Gehirns als das »Gesetz der Assoziation« bekannt. Demzufolge können wir die Gegenwart nur durch die Brille unserer Vergangenheit erkennen. Die Summe der Erfahrungen, die wir als unser Leben bezeichnen, existiert nur als Vorstellung unserer Vergangenheit. Wenn wir unsere Gegenwart auf der Basis unserer Vergangenheit deuten, um unsere Zukunft zu erschaffen, dann wird gestern zu morgen. Statt uns bewusst weiterzuentwickeln, stagnieren wir unbewusst. Unsere Vergangenheit wird zu unserer Zukunft.
Auch die Schmerzen, unter denen wir in der Gegenwart leiden, sind eine Reaktion auf ein Ereignis aus unserer Vergangenheit. Wenn wir unter einer ungewollten Trennung von unserem Partner leiden, dann leiden wir an einem Ereignis, das in der Vergangenheit geschehen ist. Wir ketten uns an ein vergangenes Erlebnis und holen es mit jeder schmerzhaften Erinnerung von der Vergangenheit zurück in unsere Gegenwart. Wir entkoppeln die Vergangenheit von ihrer Vergänglichkeit und verleihen ihr so Ewigkeit. Doch Vergangenheit und Vergänglichkeit sind jenseits unserer inneren Vorstellungen eins. Die Vergangenheit ist vergangen, unwiderruflich erloschen. In der gegenwärtigen Außenwelt existiert sie nicht mehr. Deswegen vergehen mit der Gegenwart auch die Ereignisse, die uns Leid zufügen.
Doch unsere Realität bewegt sich niemals jenseits unserer Vorstellungskraft, sondern immer und ausschließlich in ihr. Wenn wir durch unsere Vorstellungskraft zurück in die schmerzhafte Vergangenheit reisen, erschaffen wir eine illusionäre Trennung zwischen Vergangenheit und Vergänglichkeit und holen dadurch die Vergangenheit zurück in unsere Gegenwart. Ob wir uns nach dem Tod eines Angehörigen zurück in die Vergangenheit zu ihm flüchten, um bei ihm zu sein oder ob wir einen Streit mit unserem Partner rückwirkend reflektieren, um für uns die Frage nach Recht und Unrecht zu klären. Unser Leid lebt durch uns weiter, weil wir die Gegenwart immer wieder mit der Vergangenheit assoziieren und so unseren Schmerzen Ewigkeit verleihen.
Nichts und niemand hat uns jemals wirklich innerlich verletzt. Weder die Vorurteile eines Arbeitskollegen noch das Desinteresse unserer Eltern. Jeder Schmerz, von einem emotionalen Splitter bis zum psychischen Tod, entsteht einzig und allein durch uns, indem wir uns durch unsere Vorstellungskraft von der Gegenwart abwenden und zurück in die Vergangenheit reisen, um vergangenen Schmerz wiederzubeleben.
Nur wer die Unendlichkeit seiner Vorstellungskraft bewusst betreten und verlassen kann, wird das Pendel dieser Gabe anhalten, damit es nicht mehr unkontrolliert zwischen Fluch und Segen hin- und herschwingt. Wir alle tragen ein eigenes Universum in uns. Begrenzen wir unsere Vorstellungskraft, begrenzen wir unser Universum. Wird unsere Vorstellungskraft grenzenlos, wird unser Universum grenzenlos. Wenn wir lernen, die Macht unserer Vorstellungen für uns einzusetzen, können wir innerlich ganze Welten erschaffen, die sich äußerlich manifestieren.
Unsere Vorstellungskraft dient als Beweis für das, was möglich ist. Jedes menschliche Bauwerk unserer Erde, jede atemberaubende Geschichte und jede Verwirklichung des vermeintlich Unmöglichen begann mit einem einzigen Gedanken. Geboren in einem Bewusstsein, gekleidet in eine bildliche Vorstellung, erwachsen in seine Manifestation. Jede Vorstellung kann ein Urknall sein, aus dem Ganzen entsteht ein Universum.
Begib dich in das unendliche Reich deiner Vorstellungskraft, und stell dir vor, ich schalte das Licht des Raumes aus, in dem du dich gerade befindest. Du kannst nichts mehr sehen, außer der Dunkelheit, die den Raum füllt. Nun verrate mir, ob du dich noch in diesem Raum befindest. Falls ja, woher weißt du, dass du dich noch in diesem Raum befindest? Wieso kannst du den Raum noch sehen, obwohl deine Augen geschlossen sind? Du siehst ihn auch in vollkommener Dunkelheit, weil dieser Raum als Vorstellung in dir existiert. Woher weißt du, wie das Haus hinter den Wänden des Raumes aussieht, in dem du dich gerade befindest? Die Stadt, das Land, der Kontinent, die Erde, das Universum?
Du lebst in deiner Vorstellung.
Möchtest du dein Leben erweitern, musst du die Vorstellung von deinem Leben erweitern.
Die Bedeutung
»Ich habe genug gesehen. Ich möchte diesen Ort verlassen.«
»Gefällt er dir nicht mehr?«
»Nein, er macht mich traurig. Hier sieht alles gleich aus. Ich will etwas Neues sehen. Kannst du mich an einen anderen Ort bringen?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Es existiert kein anderer Ort.«
»Wie kann ich dann etwas Neues erleben?«
»Indem du den Ort veränderst.«
»Wie verändere ich den Ort?«
»Indem du die Augen veränderst, mit denen du ihn ansiehst.«
Vorstellungen verleihen unserer Realität ihre Form, Bedeutungen hauchen ihr Leben ein. Durch die Verknüpfung von Vorstellung und Bedeutung entsteht eine lebendige Realität. Nicht eine universelle, sondern unsere persönliche Realität.
In der Illusion einer universellen Realität besitzt jedes Wesen, jedes Objekt, jeder Zustand und jedes Ereignis eine objektive Allgemeingültigkeit. Jeder Mensch teilt jeder Manifestation in unserem Universum eine identische Bedeutung zu. Alle Menschen beten den gleichen Gott an und pflegen die gleiche Lebensweise. Alle Vorstellungen werden von allen Menschen mit den gleichen Bedeutungen versehen und lösen deswegen in allen Menschen identische Gedanken und Gefühle aus. Jeder Mensch ist gleich.
Diese Missachtung von individuellen Realitäten bildet die Ursache für jeden Konflikt in der Menschheitsgeschichte. Angefangen mit dem Beziehungsstreit um das Ausräumen der Spülmaschine, bis hin zu einem Krieg zwischen zwei Nationen. Jeder Konflikt entsteht durch die Intoleranz gegenüber einer fremden Realität, weil sie nicht der eigenen entspricht. Wir meinen, unsere Realität sei wahrer oder wichtiger, und alle anderen Realitäten seien falsch oder unwichtiger.
Trennen wir uns von der Annahme, es existiere eine universelle Realität, öffnen wir uns für die Erkenntnis, dass jeder Mensch in seiner individuellen Realität lebt. Jeder Mensch betet seine eigene Vorstellung und Bedeutung von Gott an und pflegt seine eigene Lebensweise. Wir alle haben unterschiedliche Vorstellungen, denen wir unterschiedliche Bedeutungen geben, die zu verschiedenen Gedanken und Gefühlen führen. Jeder Mensch ist einzigartig.
Welche Vorstellung wirkt für dich realer? Die Existenz einer einzigen Realität oder einer Unendlichkeit an Realitäten?
Erkennen wir uns als Quelle unserer Realität, sind wir uns bewusst, dass jedes Wesen im besten Willen seiner für sich wahren Realität handelt. Statt mit Intoleranz andere Realitäten zu verurteilen, akzeptieren wir fremde Realitäten nicht weniger als unsere eigene. Statt ein Leben in Trennung, führen wir dann ein Leben in Verbundenheit. Die Annahme von subjektiven Realitäten streitet nicht ab, dass die Vorstellungen, die wir mit unseren fünf äußeren Sinnen wahrnehmen, nicht mit den Vorstellungen anderer übereinstimmen