Ein Quantum Zeit. Volkmar Jesch
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Das ist das, was wirklich passiert, wenn wir, die Details negierend, so unspezifisch davon sprechen, dass Bewegungsenergie in Wärmeenergie umgewandelt wird. Verwirbelung ist Unordnung. Sie steigt im Kosmos ständig an. Die Entropie schlägt zu.«
Sie war fasziniert von dieser Sichtweise. Durch die Einbeziehung von Teilchen eröffnete sich ihr ein völlig neuer Blickwinkel. Die Bilder in ihrem Gehirn gewannen Konturen.
Er vervollständigte ihr neues Bild von der Welt weiter: »Wer sein Zimmer aufräumt, muss Nahrung zu sich nehmen, zum Beispiel Gemüse essen, das wiederum seine Energie von den Kernverschmelzungsprozessen der Sonne bezieht. Jedweder Energieeinsatz führt zur Zunahme an Wärmeenergie und damit zur Steigerung der Unordnung im Universum. Kosmisch gesehen ist also die Lage prekär. Die lokale Ordnung kann zwar wachsen, aber mit ihr das kosmische Chaos ebenfalls.
Aber es ist schon spät. Lassen Sie uns zum Abendessen gehen. Wenn Sie mögen, werde ich morgen versuchen, Ihnen das ganze Mysterium der Entropie zu entschlüsseln, und erklären, was uns daran hindert, in die Vergangenheit zu reisen. Das Wetter scheint sich zu verschlechtern und da ich habe ich viel Zeit«, sagte er und war im Begriff, aufzustehen. Warum seine Zeit wetterabhängig war, sagte er nicht.
»Moment«, warf sie ein, »es tut mir leid, dass ich Sie so brüsk angegangen bin.« Sie war auch wirklich manchmal zu ungeduldig. Er hatte ihr so tiefgreifende neue Erkenntnisse verschafft. So gut hatte ihr noch niemand grundlegende Fragen erklärt, und sie konnte es kaum erwarten, die Unterredung mit ihm fortzuführen. Sie war manches Mal undankbar gewesen, hatte ihn schroff angefahren und an seinen Beispielen herumgemäkelt. Und sie wollte das Gespräch mit ihm noch nicht beenden. Er hatte eine angenehme, weiche Stimme, und es war schön, seinen interessanten Ausführungen zu folgen.
Zahlen über Zahlen
Mathematik ist das Alphabet,
mit dessen Hilfe Gott das Universum beschrieben hat.
Galileo Galilei,
Physiker und Astronom
»Sie sprachen gestern davon, dass mein Körper aus 1029 Atomen besteht«, sagte sie. »Die Dimension der Zahl wollten Sie mir erklären.«
Im Prinzip war ihr natürlich aus der Schule das Rechnen mit Exponenten geläufig. Aber erstens wollte sie ihren Fauxpas wiedergutmachen, und zweitens hatte sie das Gefühl, dass er ihr auch zu diesem Thema Grundlegendes vermitteln konnte. Sie sollte sich allerdings täuschen. Er vermittelte ihr nicht nur Grundlegendes, sondern Revolutionäres.
»Gut, dass Sie das Thema ansprechen. Wir können zu einem tieferen Verständnis der Zeit und des mit ihr verknüpften Entropie-Begriffs nur gelangen, wenn wir grundlegender über Zahlen, ihre Dimensionen und die Exponentialfunktion an sich gesprochen haben. Wenn es um große Zahlen geht, haben die Menschen immer grundlegende Probleme.«
Dem wollte sie nicht widersprechen. »Warum ist das so?«
»Das liegt zunächst daran, dass uns eigentlich nicht klar ist, wie viel eine Million oder eine Milliarde wirklich ist, auch wenn wir von diesen Zahlen angesichts immer modernerer Computer mit mehr Leistung oder immer höherer Staatsverschuldung ständig hören und deshalb meinen, uns diese Größenordnung unproblematisch vorstellen zu können.
Eine Million ist eine gängige Größe. Es gibt Millionen von Arbeitslosen in jedem Land, und immer mehr Menschen sind Millionäre. Aber wissen Sie, wie lange ein Mensch braucht, um von eins bis zu einer Million zu zählen?«
Er beantwortete die Frage gleich selbst. »Es sind ungefähr drei Wochen, wenn man Tag und Nacht zählt. Wenn man acht Stunden für Schlaf und Essen abzieht, dann vier Wochen. Man sollte vielleicht manchen Managern das Gehalt in Ein-Dollar-Noten auszahlen und ihnen nur so viel Gehalt zahlen, wie sie in ihrer Freizeit zählen können.«
Sie musste laut lachen.
»Und wissen Sie, wie lange es dann dauert, um bis zu einer Milliarde zu zählen?«
»1.000 mal so viel«, sagte sie.
»Ja, aber wissen Sie, wie lang das 1.000-fache von vier Wochen wirklich ist? Es ist ein ganzes Menschenleben, etwa 76 Jahre. Wenn man mit zehn Jahren anfängt, muss man schon 86 Jahre alt werden, um bis zu einer Milliarde zu zählen.«
Es ging um Zahlen, und da war er in seinem Element. »Man kann die Dimension der großen Zahlen nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich erfassen«, sagte er und freute sich insgeheim über die geschickte Verbindung zur Grundstruktur allen Seins. »Legt man 100 US-Dollar-Noten so lange übereinander, bis eine Million Dollar zusammenkommen, macht dies einen Stapel von etwa zwei Metern aus.
Wenn wir eine Milliarde Dollar stapeln wollten, wäre dieser Stapel bereits fünfmal so hoch wie das Empire State Building. Und für die Darstellung der amerikanischen Staatsverschuldung müsste man mit 100 US-Dollar-Noten einen Turm mit einer Höhe von mehr als 30.000 Kilometern bauen. Dieser Turm würde bis weit in den Weltraum reichen.«
»Erschreckend!« Sie war mehr als beeindruckt, lehnte sich zurück und lauschte fasziniert seinen Worten.
»Da die Menschen immer häufiger mit großen Zahlen zu tun hatten, sind die Mathematiker unter ihnen irgendwann auf die Idee gekommen, die Exponentialfunktion zu entwickeln, also durch eine hochgestellte Zahl die Darstellung großer Zahlen zu vereinfachen. So lernen wir in der Schule, dass 22 gleich 4 ist und 33 gleich 27. In dieser eleganten mathematischen Darstellungsform steckt aber ein Riesenproblem, weil die Exponentialfunktion ganz schnell das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt.
Der Physiker Albert A. Bartlett hat sogar die Exponentialfunktion zum größten Manko des menschlichen Denkens erklärt. Er sagte: ›Die größte Schwäche von uns Menschen ist unsere Unfähigkeit, die Exponentialfunktion wirklich zu verstehen.‹17«
Und er fügte die etwas überraschende Frage hinzu: »Spielen Sie Schach?«
»Ja, natürlich.« Aber was hatte das mit der Exponentialfunktion zu tun? Er half ihr auf die Sprünge.
»Rufen wir uns die alte indische Legende in Erinnerung, von einem Weisen, der das Schachspiel zur Zerstreuung und Belehrung seines Königs erfunden haben soll. Als Dank wollte ihm der König einen Wunsch erfüllen. Der Wunsch des Weisen schien bescheiden: Er bat um nichts mehr, als dass er allen Weizen bekommen sollte, der sich daraus ergeben würde, wenn man auf das erste Feld ein Weizenkorn legt, auf das zweite Feld doppelt so viel, also zwei Körner, und auf das nächste Feld wieder doppelt so viel wie auf das vorherige Feld, mithin vier Körner, und so weiter. Der König verspottete den Weisen, weil er nur so wenig forderte. Am nächsten Morgen verging dem König das Lachen, als der Hofmathematiker, der die ganze Nacht gerechnet hatte, ihm erklärte, was der König dem Weisen schuldete. Die versprochene Menge Weizen sei weder in der Weizenkammer des Königs, noch in allen Weizenkammern von Indien noch in allen Weizenkammern der ganzen Welt vorhanden, erklärte der Hofmathematiker dem König. 264 minus ein Korn Weizen schuldete der König dem Weisen.«
»Wie viele Körner sind das?«
»Das