Ein Quantum Zeit. Volkmar Jesch

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Ein Quantum Zeit - Volkmar Jesch

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Ihr Dasein verändert die Welt. Stellen Sie sich das Universum als riesiges Räderwerk vor, dessen Zahnräder ineinandergreifen. Dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, was ständig passiert.«

      »Alles wenig überzeugend. Was hat das mit der Zeit zu tun?«, fragte sie und fügte mit fester Stimme hinzu: »Auch eine Maschine mit vielen Zahnrädern kann man rückwärts laufen lassen.«

      »Eine Maschine kann man rückwärtslaufen lassen, die Zeit prinzipiell nicht«, entgegnete er und wurde grundlegender. »Einer Zeitumkehr steht der Grundsatz der Entropie entgegen. Bei jeder Bewegung des kosmischen Räderwerkes, um in diesem schönen Bild zu bleiben, passiert gleichzeitig etwas, das einer Zeitumkehr im Wege steht. Und das schon seit Anbeginn der Welt. Der Grundsatz der Entropie ist ein ehernes Prinzip, das niemals verletzt werden kann.« Und apodiktisch fügte er hinzu: »Dies ist so, war so und wird ewig so bleiben.«

      Vertrackte Zeit

       Auf Dinge, die nicht mehr zu ändern sind, muss auch kein

       Blick zurück mehr fallen! Was getan ist, ist getan und bleibt’s.

       William Shakespeare,

       Dichter, aus: »Macbeth«

      Sie wurde immer nachdenklicher. Ihr Gegenüber war offenbar ein sehr belesener Mann, nie war er um eine Antwort verlegen, und seine Einwände waren ersichtlich wohlfundiert. Er schien kein unguter Zeitgenosse – sie lächelte – zu sein. Ihr anfänglicher Unwillen war verflogen. Das Interesse an einer Fortsetzung des Gesprächs wuchs.

      Was war nochmal die Entropie? Ein Hustenmittel? Sie musste erneut lächeln. Nein, jetzt fiel es ihr wieder ein. Der Begriff der Entropie war ihr in einer Vertretungsstunde in der Schule begegnet, als der reguläre Physiklehrer erkrankt war. Ein Referendar, frisch von der Uni, wollte ihnen das Grundprinzip der Welt erklären. Doch sie hatte den Eindruck gehabt, dass der engagierte Junglehrer den Begriff selbst nicht ganz verstanden hatte. Der Entropie-Begriff schien irgendwie grundlegend und vielschichtig zu sein, geradezu phänomenal und durchgehend mysteriös. Kaum hatte man den Eindruck, die Entropie ansatzweise zu verstehen, entwand sie sich auf wunderbare Weise einem tieferen Verständnis.

      Sie kramte in ihrem Gedächtnis nach den Spuren, die der Begriff der Entropie in ihrem Gehirn hinterlassen hatte. Er hatte doch etwas mit Ordnung zu tun. Wieso dann die Verbindung zur Zeit? War es etwa unordentlich, den Zeitstrom anzuhalten oder gar rückwärts in der Zeit zu gehen? Welch eine wunderbare Idee, über einen Zeitsprung zu reden, gerade jetzt, wo sie aufgrund der äußeren Umstände viel Zeit zum Reden hatte.

      Ordnung

       Ich brauche keine Ordnung.

       Nur das wahre Genie beherrscht das Chaos.

       Patsi, als sie 10 Jahre alt war

      Sie fasste zusammen, was ihr vom Begriff der Entropie noch in Erinnerung geblieben war. Der Ausgangspunkt war eigentlich trivial:

      »Alles neigt dazu, sich von Ordnung in Unordnung zu verwandeln. Wenn ich ein neu gekauftes Kartenspiel öffne, sind die Karten geordnet nach Farben und nach Wertigkeit. Bei diesem Ordnungszustand bleibt es aber nicht. Schon wenn ich die Karten das erste Mal mische, ist die Ordnung dahin. Ich könnte die Karten noch so oft mischen, nie würde ich den ursprünglich geordneten Zustand wiederherstellen können. Es ist ein Naturprinzip, dass die Unordnung immer zunimmt. Das nennt man Entropie. Die Entropie ist dafür verantwortlich, dass man im Winter friert …« Sie stockte.

      »Sehr schön erklärt.« Das Lob tat ihr gut.

      »Doch wenn Sie die Karten lange genug mischen, werden sie irgendwann wieder die Ausgangsordnung herstellen, so wie sie war, als Sie die Originalverpackung öffneten. Es könnte aber sein, dass unser Sonnensystem dann nicht mehr existiert.

      Es ist gefährlich, mit dem Begriff der ›Ordnung‹ zu hantieren. Der Begriff ist relativ. Ordnung ist nicht gleich Ordnung. Wenn Sie Ihr Bücherregal im Zimmer nach Sachgebieten geordnet haben und Ihre Putzfrau meint, diese Bücher nach dem Abstauben nach Größe und Farbe einzusortieren, befindet sich anschließend das Regal nach Auffassung Ihrer Perle in größter Ordnung. Nach Ihrer Auffassung wird es im Zustand höchster Unordnung sein, sodass Sie der guten Frau wahrscheinlich einen Rüffel erteilen.«

      »Wie soll aber der Begriff dann erklärt werden?«, fragte sie.

      Hatte sie ihren Gesprächspartner überschätzt? Sie vereinfachte bewusst den Gegenstand ihrer Diskussion und fügte hinzu: »Ich fand das eigentlich ganz plastisch, dass die Unordnung immer zunimmt. Es entspricht ja nicht nur meinen Beobachtungen.

      Jede Mutter ermahnt ihr Kind, das Zimmer aufzuräumen. Ist es dann aufgeräumt, wird es mit der Zeit wieder unordentlicher in dem Raum. Das ist nicht nur bei Kinderzimmern so. Es ist wirklich ein grauenhaftes Phänomen. Warum das alles so ist, ist mir schleierhaft. Vor allen Dingen: Was hat das mit der Zeit zu tun?«

      »Die Entropie gibt der Zeit ihre Richtung«, antwortete er. »Grauenhaft oder schleierhaft ist dieses Phänomen nun wahrlich nicht, sondern eines der grundlegendsten und fantastischsten Naturgesetze, aber zugegebenermaßen auch besonders rätselhaft, vielleicht sogar wirklich kryptisch.8 Der Entropie werden auch wirklich magische Eigenschaften nachgesagt. Sie kann aus dem Nichts entstehen und niemals vernichtet werden.9

      Sie haben aber schon recht«, gab er sich versöhnlich. »Entropie hat etwas mit Ordnung zu tun. Wenn wir die Ordnung wiederherstellen, dann beseitigen wir dasjenige, was uns die Entropie hinterlassen hat. Alles ist immer in Bewegung, und die Folge ist eben Unordnung.«

      »Aber warum ist alles in Bewegung?«, wollte sie wissen.

      »Dazu muss ich etwas weiter ausholen, wenn Sie nicht zu müde sind«, sagte er.

      »Im Jahr 1827 beobachtete der Schotte Robert Brown mithilfe eines Mikroskops, dass sich in Wasser aufgelöste Blütenpollen ständig bewegten, wobei die Bewegung augenscheinlich den Pollen selbst anhaftete. Die naheliegende, auch von Brown zunächst getroffene Annahme, die Bewegung hinge damit zusammen, dass die Pollen noch lebten, zerschlug sich, nachdem der Effekt auch bei abgestorbenen Pollen beobachtet werden konnte. Brown konnte diesen Effekt, der später ihm zu Ehren ›Brownsche Molekularbewegung‹ genannt wurde, letztendlich nicht erklären.

      Der Grund der sich bewegenden Teilchen ist ein physikalischer. Es dauerte weitere 80 Jahre, bis man dem Phänomen auf die Spur kam. Die Bewegung der Pollen ist dadurch zu erklären, dass Wassermoleküle an sie stoßen. Moleküle bewegen sich ständig und zwar abhängig von der Temperatur des betreffenden Stoffes. Steigt die Temperatur, bewegen sich die Teilchen schneller, und umgekehrt. Im Nachhinein kann diese im Jahr 1905 getroffene Annahme allerdings nicht hoch genug bewertet werden, weil die Moleküle zum damaligen Zeitpunkt selbst mit den stärksten Mikroskopen nicht nachweisbar waren.«

      Jetzt kam es ihr wieder in den Sinn. Temperatur war das richtige Stichwort. Natürlich! Der Grund dafür, dass die niedrigste Temperatur, die es überhaupt geben kann, -273 Grad Celsius beträgt, liegt darin, dass die Teilchen stillstehen. Mehr als still stehen können sie nicht. Über die weiteren Konsequenzen dieses tief in ihr schlummernden Wissens hatte sie allerdings nie nachgedacht. Aber was hatte das jetzt wiederum mit der Entropie zu tun? Sie konzentrierte sich auf seine Stimme.

      »Temperatur und Bewegungsenergie der Teilchen hängen untrennbar zusammen. Bei jeder Temperatur über dem Nullpunkt bewegen sich Teilchen mehr oder weniger schnell. Die Entropie sorgt dann dafür, dass die durch die Energie

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