Peru. Michael Hahn
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Bereits vor der Ausrufung der Unabhängigkeit zeichnete sich das absehbare Ende einer auf Sklavenarbeit basierenden Wirtschaft ab. Einerseits waren die Anschaffungskosten verhältnisweise hoch, andererseits drängte Großbritannien auf eine internationale Ächtung und ein Verbot des Sklavenhandels. Im September 1817 einigten sich Spanien und Großbritannien vertraglich auf die vollständige Abschaffung des Sklavenhandels. Eine Verfügung des spanischen Königs vom 1. Dezember 1820 diktierte die Rahmenbedingungen zur Beendigung des Menschenhandels. Mit verschiedenen Dekreten versuchte auch San Martín, die Situation der Sklaven zu verbessern. Beispielsweise erließ er im August 1821 das Gesetz der freien Geburt, das besagte, dass alle neu geborenen Sklavenkinder frei seien. San Martíns Gesetze wie auch spätere Verordnungen schufen lange Übergangszeiten, die es sämtlichen Betroffenen ermöglichen sollten, sich frühzeitig auf das mittel- bis langfristige Ende der Sklaverei einzustellen. Sie waren als Belohnung gedacht für die Tausenden von Sklaven, die ihr Leben für die Unabhängigkeit aufs Spiel gesetzt hatten.
Die Unabhängigkeitskämpfe zogen die Verwüstung vieler Plantagen, den Zusammenbruch der herrschenden Ordnung und damit die Schwächung und Verarmung mancher Grundbesitzer nach sich. Dadurch öffneten sich für die Sklaven Freiräume, und es boten sich mannigfaltige Fluchtmöglichkeiten. Jedoch blieb die durch Flucht erlangte Freiheit prekär. Denn die Sklavenhalter setzten alle Hebel in Bewegung, um Flüchtige aufzuspüren und die Einberufung ihrer Sklaven zum Wehrdienst zu verhindern. Ihr Widerstand war so stark, dass San Martín mit scharfen Gesetzen drohte. Wer die Rekrutierung seiner Sklaven verweigerte, musste mit der Konfiskation seiner Güter und im Wiederholungsfall mit der Exilierung rechnen. Unter den Sklaven selbst war die Einstellung zum Militärdienst ambivalent. Einige ergriffen begeistert die sich bietende Gelegenheit zur Selbstbefreiung. Sklavenmütter sprachen aus eigenem Antrieb bei den Rekrutierungsagenten vor und baten diese, ihre Söhne einzuberufen. Indessen teilten nicht alle diesen Enthusiasmus. Auf einigen Landgütern erklärte sich nur eine verschwindende Minderheit zum Militärdienst bereit. Diejenigen, die sich der Aushebung widersetzten, begründeten ihren Entscheid mitunter damit, dass sie ihren Patron nicht im Stich lassen wollten.
Ob solche Loyalitätsbekundungen echt waren oder nur gespielt, sei dahingestellt. Sicherlich war allen Sklaven bewusst, dass die Freiheit via Kriegsdienst einen hohen Preis forderte. Nur wer den langen Militärdienst vollständig absolvierte, war ein freier Mann. In der Río-de-la-Plata-Region betrug die Dienstdauer fünf Jahre – falls sich der Soldat disziplinarischer oder sonstiger Vergehen schuldig machte, sogar noch länger. Zudem war das Risiko sehr hoch, bei Gefechten und Kämpfen schwer verletzt oder getötet zu werden. Von den 2000 bis 3000 Schwarzen, die 1817 in San Martíns Andenarmee die Gebirgskette überquert hatten, kehrten nach sechs Jahren der Kämpfe in Chile, Peru und Ecuador keine 150 in ihre Heimat zurück. Bis in die 1840er- und 1850er-Jahre begegnete man in Städten wie Lima, Buenos Aires oder Caracas verkrüppelten schwarzen Kriegsveteranen, die sich um Almosen bettelnd durch ein elendes Leben schlugen.
Regierungskrisen und militärische Rückschläge
Nach San Martíns Abgang übernahm im September 1822 der verfassunggebende Kongress die Regierungsgeschäfte. Der Kongress – mit dem die eigentliche Geschichte des republikanischen Perus begann – setzte sich aus den gewählten Vertretern der befreiten Gebiete sowie Ersatzleuten aus denjenigen Provinzen zusammen, die noch immer unter royalistischer Kontrolle standen. Ihm gehörten hauptsächlich Rechtsanwälte, Geistliche, Kaufleute, Ärzte und hohe Militärs an. Darunter waren auch zwei Abkömmlinge des inkaischen Hochadels: der Priester Justo Sahuaraura Ramos Tito Atauchi, Domherr der Kathedrale von Cusco, und José Domingo Choquehuanca, Anwalt aus dem Departement Puno. Die Abgeordneten setzten ein Triumvirat ein, das bis zum Inkrafttreten der Verfassung die Exekutive bilden sollte. Bestimmende Gewalt blieb die Legislative, die jedoch unter lähmenden Fraktionskämpfen litt.
Wie schon dem Protektorat machten auch der neuen Regierung Geldsorgen und die prekäre Sicherheitslage schwer zu schaffen. Darlehen konnten nur unter Zwang und unter Androhung von Konfiskation und Exil eingetrieben werden. Trotzdem kamen nicht genügend Gelder zusammen, um den Sold und die Löhne für die Streitkräfte und die Regierungsbeamten zu bezahlen. Räuberbanden machten die Umgebung Limas und selbst die Hauptstadt unsicher. Bei den Landstreitkräften häuften sich Desertionen, und in der Marine brachen Meutereien aus. Dem nicht genug mussten die »patriotischen« Truppen im Januar in den Schlachten von Torata und Moquegua innerhalb weniger Tage zwei schwere Niederlagen in Südperu einstecken. Infolgedessen verlangten führende Militärs vom Kongress, das schwache Triumvirat durch einen Regierungschef zu ersetzen. Dem Ruf nach einem starken Führer verliehen sie Nachdruck, indem sie Zivilisten mobilisierten und Truppen auf Lima zumarschieren ließen. Der Kongress gab dem Druck nach und ernannte den Limeñer Aristokraten José Mariano de la Riva Agüero y Sánchez Boquete am 28. Februar 1823 zum ersten Präsidenten der Republik, und zwar im Range eines Großmarschalls – ein Vorgang, den verschiedene Historiker als ersten Militärputsch in der noch jungen Geschichte des republikanischen Perus bezeichnet haben.
Riva Agüeros kurze Regierungszeit war geprägt durch endlose Auseinandersetzungen und Streitigkeiten mit dem Kongress. Als höchster Militärführer ließ er die Marine neu ordnen. Im Mai kommandierte er ein 5000 Mann starkes Heer unter Führung des Generals Andrés de Santa Cruz in den Süden ab. Trotz Bedenken und Vorbehalten vonseiten des Kongresses ersuchte er Simón Bolívar um Waffenhilfe und lud den »Libertador« nach Peru ein. Bolívar entsandte eine Heeresabteilung unter dem Befehl seines bewährten Generals Sucre. Das Eintreffen der großkolumbianischen Streitkräfte im April 1823 in Lima fiel mit einem neuerlichen Vorstoß der royalistischen Truppen zusammen. Vom Mantaro-Tal aus griffen diese erneut die Hauptstadt an. Die »patriotischen« Autoritäten, die führenden Notabeln und General Sucre mitsamt seinen rund 4000 Großkolumbianern verschanzten sich im Hafen Callao, die Hauptstadt den Feinden zur Plünderung überlassend. Die Besetzung Limas, die vom 13. Juni bis zum 16. Juli dauerte, trieb Tausende von Zivilisten in die Flucht. Die Royalisten pressten den wohlhabenden Limeñern Geld und Wertsachen ab. Sie plünderten die Nationalbibliothek, raubten die Kirchenschätze und transportierten Geräte aus der Münzanstalt ins Hochland ab.
Selbst in dieser kritischen Phase gingen die Streitigkeiten zwischen Riva Agüero und dem Kongress unvermindert weiter. Die Kongressabgeordneten votierten für die Absetzung des Präsidenten und übertrugen das höchste militärische Kommando General Sucre. Riva Agüero seinerseits weigerte sich, das Oberkommando abzugeben und erklärte stattdessen den Kongress für aufgelöst. Er ernannte einen 10-köpfigen »Senat« und zog sich mit einigen wenigen Kongressabgeordneten und einer Gruppe von Funktionären nach Trujillo zurück.
Auf Vorschlag von General Sucre wählte der restliche Kongress am 16. Juli 1823 den Marquis von Torre Tagle zum zweiten Präsidenten der Republik. Derweil drangen Santa Cruz’ Truppen bis zum Titicacasee vor, wo sie am 25. August in Zepita einen Sieg errangen. Als die »Patrioten« weiter nach Hochperu vorstießen, drohten sie umzingelt zu werden und mussten sich überstürzt an die Küste zurückziehen. Dabei büßte Santa Cruz die meisten seiner Männer und fast sämtliche Waffen ein.
Simón Bolívar
Als Simón Bolívar am 1. September 1823 im Callao peruanischen Boden betrat, fand er ein bankrottes Land und eine verworrene Situation vor. Zwei »patriotische« Staatspräsidenten, der eine in Lima, der andere in Trujillo, befehdeten sich gegenseitig. Den entzweiten »patriotischen« Streitkräften und der von Meutereien geplagten Flotte stand ein zahlenmäßig starker Gegner unter dem Oberbefehl des Vizekönigs La Serna gegenüber.