Peru. Michael Hahn
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Im Verbund mit den Erdbeben stellen überhängende Felsen und Gletscher eine unberechenbare Gefahrenquelle dar. Ein schweres Beben verursachte am 31. Mai 1970 einen fatalen Gletscherabbruch. Vom höchsten Berg des Landes stürzten gewaltige Eismassen in zwei Seen. Sie lösten eine Flutwelle und in ihrem Gefolge eine 800 Meter breite Schlamm- und Gerölllawine aus, welche die Provinzhauptstadt Yungay vollständig begrub. Insgesamt starben 70 000 Menschen und 500 000 wurden obdachlos.
Neben dem Vulkanismus und den Erdbeben drohen weitere Naturgefahren. Insbesondere in der Landwirtschaft richten Starkregen, Dürren, Hagel, Kälteeinbrüche und Nachtfrost sowie Knollenfäule, Schädlingsbefall, Ratten- und Mäuseplagen große Schäden an. Während der Regenzeit können sich sintflutartige Regenfälle im Hochland und im Dschungel ergießen. Sie lösen Erdrutsche und Muren aus, die Bewässerungskanäle, Straßen und Bahnlinien verschütten, Weiler, Dörfer oder Stadtteile zerstören und Gemeinden von ihrer Verbindung zur Außenwelt abschneiden. Im Amazonasgebiet schwellen die Flüsse alljährlich stark an und setzen riesige Waldgebiete unter Wasser.
Alle paar Jahre tritt im tropischen Pazifikraum eine Störung der ozeanischen und atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse auf mit Auswirkungen auf weite Teile der Welt. Das Zirkulationsphänomen ist unter der Bezeichnung El Niño Southern Oscillation (kurz: ENSO) bekannt, wobei El Niño im Pazifischen Ozean, die Southern Oscillation in der Atmosphäre abläuft. An Perus Küste treten die Auswirkungen üblicherweise im Dezember auf, weshalb die Fischer das Phänomen als El Niño (das Christkind) bezeichneten. In Zyklen von früher fünf bis acht, in neuerer Zeit von drei bis fünf Jahren dringen Warmwasserströmun-
Abb. 3: Zur Zeit des Hochwassers werden Teile des Quartiers Puerto Belén in Iquitos überflutet.
gen bis an Perus nördliche oder sogar zentrale Küstenregion vor. Im kühlen Humboldtstrom steigt weniger kaltes, nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche. Der Anstieg der Wassertemperaturen in Kombination mit dem Rückgang des Sauerstoff- und Kohlenstoffgehalts im Meereswasser wirken sich negativ auf die Reproduktionsfähigkeit der Mikroorganismen aus und stören die maritimen Nahrungsketten massiv. Die Kaltwasserfische sterben oder wandern ab, was für die riesigen Vogelkolonien, die Meeressäuger (Robben, Wale, Otter) und die Fischindustrie verheerende Auswirkungen hat.
Die wärmeren Wassertemperaturen wirken sich auch auf das Wettergeschehen aus: Wasser kann leichter verdunsten, die Luft wird feuchter und es bilden sich Wolken. Heftige Regenfälle und Überschwemmungen ziehen die ansonsten trockene Küstenregion in Mitleidenschaft, verwüsten Felder und Plantagen, zerstören Häuser, Brücken, Straßen und Trinkwasseranlagen. Die Überschwemmungen führen zur Verseuchung des Trinkwassers, sodass in den El-Niño-Jahren 1972–1973, 1982–1983 und 1997–1998 in den Flussoasen von Nordperu Typhus, Ruhr, Hepatitis sowie Magen- und Darminfektionen grassierten. Zugleich entstehen in El-Niño-Jahren im Wüstengebiet Sümpfe und Seen. Ödland verwandelt sich dann in grüne Weiden, die für einige wenige Wochen Tausenden von Ziegen zusätzliche Nahrung geben. Während Starkregen und Überschwemmungen die Küstenregionen heimsuchen, treten im zentralen und im südandinen Hochland Dürren auf.
Abb. 4: Das imposante Huayhuash-Gebirge im nördlichen Zentralperu.
Literaturhinweise
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Das Ende der spanischen Kolonialherrschaft (1808–1826)
Aus den Unabhängigkeitskämpfen ging in den 1820er-Jahren die Republik Peru hervor. Für fast drei Jahrhunderte bildete das Andenland das Kerngebiet des riesigen Vizekönigreichs Peru, das zum überseeischen Erbbesitz der spanischen Monarchie gehörte. Für die Loslösung der amerikanischen Kolonien war letztlich die wirtschaftliche und militärische Schwäche Spaniens ausschlaggebend. Im 18. Jahrhundert waren Großbritannien und Frankreich die führenden europäischen Großmächte, die eine Reihe von Kriegen um die weltweite Vorherrschaft ausfochten. Wieder und wieder wurde Spanien im Soge Frankreichs in langwierige, kostspielige Kriege hineingezogen.
Seit dem Dynastiewechsel im Jahr 1700 lösten sich Könige aus dem französischen Adelsgeschlecht der Bourbonen auf dem spanischen Thron ab. Dem Vorbild des absolutistischen Frankreichs nacheifernd, bemühten sie sich, Spanien wieder zu altem Glanz und zu alter Größe zurückzuführen. Eine Reihe einschneidender Neuerungen – bekannt unter der Bezeichnung Bourbonische Reformen – sollte die Autorität der spanischen Zentralregierung stärken, die Wirksamkeit des staatlichen Verwaltungssystems erhöhen und die Wirtschaft ankurbeln. Unter König Philipp V. (Felipe V.; 1700–1746) wurde vom riesigen Vizekönigreich Peru, das eine Fläche von rund zehn Millionen km2 einnahm, das Vizekönigreich Nueva Granada (Neu-Granada) mit der Hauptstadt Santa Fe de Bogatá abgetrennt. Aufgrund dieser territorialen Neuordnung büßte Peru seine nördlichsten Gebiete ein mit den heutigen Ländern Kolumbien, Ecuador, Panama und Teilen Venezuelas.
1759 übernahm mit Karl III. (Carlos III.) ein ausgeprägt reformorientierter König für fast drei Jahrzehnte den spanischen Thron. Weit stärker als seine bourbonischen Vorgänger war er gewillt, die mit dem monarchischen Absolutismus verbundene Machtfülle zu nutzen, neue Institutionen zu etablieren und an der französischen Verwaltung orientierte Arbeitsmethoden einzuführen. Unter Karl III. kam es 1776/1777 zur Etablierung des Vizekönigreiches Río de la Plata mit der Hauptstadt Buenos Aires. Damit wurden Buenos Aires, Tucumán, Paraguay, Santa Cruz de la Sierra, Hochperu (Bolivien) mit der sagenhaften Silberstadt Potosí und ein Teil Westargentiniens (Cuyo) dem politischen und ökonomischen Einfluss von Lima entzogen. Das Vizekönigreich Peru bestand somit nur noch aus dem heutigen Peru und aus Chile.
Trotz breiten Widerstandes konnten die Bourbonen viele ihrer Reformen durchsetzen, wobei die Steuereinnahmen substanziell erhöht, die administrative Effizienz gesteigert und die grassierende Korruption reduziert wurden. Der Preis dafür war allerdings