Die Phantome des Hutmachers. Georges Simenon
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Phantome des Hutmachers - Georges Simenon страница 13
Selbst in der Rue du Minage war es einfach, sein Schaufenster besser zu beleuchten, den Laden zu modernisieren, die Wände und die Regale hell anzustreichen.
Nur wozu? Seine Freunde kauften selten einen Hut bei ihm, sie deckten sich lieber in Bordeaux oder in Paris ein. Er nahm damit vorlieb, ihre Hüte in seinem Hinterzimmer wieder in Form zu bringen, wobei er dann und wann den Wandschrank aufmachte, um an der Kordel zu ziehen.
»Madame Labbé ruft Sie«, sagte Valentin, als wäre er der Einzige, der die Klopfer auf den Fußboden hörte.
Monsieur Labbé zog die Brauen hoch, als er Kachoudas mit zögerlicher Stimme bei Gabriel bestellen hörte:
»Einen Cognac.«
Er hatte also beschlossen, sich volllaufen zu lassen, und wandte den Blick ab, um dem des Hutmachers auszuweichen.
Würde er später noch imstande sein, auf seinen Tisch zu klettern und nach einem Streifen Stoff zu langen, der nach Wollfett roch? Schließlich hatte er ja seinen Tisch, die an einem Draht befestigte Birne, das herabbaumelnde Kreidestück. Er hatte auch seinen Geruch, den er überall mit hinschleppte und der bloß den anderen lästig war, während er ihn bestimmt mit einer Art Wollust einatmete. Und seine Frau, immer schlampig, mit der schrillen Stimme, die er den ganzen Tag lang durch die angelehnte Küchentür hörte, die Gören, den Jungen, der nach vier Mädchen als Letzter gekommen war, die Älteste, die gewiss ab und zu schon einen Verehrer hatte.
Nicht lange, und Madame Kachoudas würde erneut schwanger sein. Erstaunlich genug, dass sie es drei Jahre lang nicht gewesen war. Oder sollte etwas in ihr drin nicht ganz beieinander sein?
Wenn sie nachher nach Haus gingen, konnte Monsieur Labbé den Schneider auf der Straße ansprechen, ihn beruhigen, ihn beschwichtigen, ihn bitten, eine Minute zu warten, und ihm zwanzigtausend Franc holen gehen. Im Schlafzimmersekretär war eine dicke Brieftasche, die mehr als das in Scheinen enthielt. Es stammte noch von Mathilde, dieses Geld, in nichts, in niemanden hatte sie Vertrauen gehabt und war vor Banken auf der Hut gewesen.
»Gabriel!«
»Ja, Monsieur Labbé. Das Gleiche?«
»Einen Cognac mit Wasser.«
Der Cognac von Kachoudas hatte ihm Lust auf einen eigenen gemacht, volllaufen lassen würde er sich aber nicht, selten in seinem Leben hatte er sich betrunken, außer als Student und während des Krieges, bevor er abhob zu einem Luftangriff.
»Ich schnappe und spiele das hohe Treff.«
Chantreau schluckte neben ihm eine zweite Pille, und Monsieur Labbé schlug dessen schlechter Atem ins Gesicht.
»Deine Frau?«
»Immer dasselbe.«
»Liegt sie sich nicht wund?«
Er schüttelte verneinend den Kopf.
»Sie hat Glück.«
Seit zehn Jahren hatte kein Arzt mehr das Haus betreten. Zu Beginn ihrer Lähmung hatte Mathilde sie noch alle konsultieren wollen, jede Woche einen anderen Arzt. Sie hatten Spezialisten kommen lassen aus Bordeaux, aus Paris. Alle möglichen Behandlungen hatte sie über sich ergehen lassen, dann waren die Priester, die Nonnen an die Reihe gekommen, und zwei Jahre in Folge war sie auch nach Lourdes gepilgert.
Alles in allem hatte dieser Trubel fünf Jahre gedauert, mit Höhen und Tiefen, Krisen voller Aberglauben, Phasen der Hoffnung und Phasen der Resignation.
»Schwör mir, dass du nicht wieder heiratest, wenn ich nicht mehr bin.«
Tags darauf nahm sie seine Hand, fürsorglich raunte sie:
»Hör zu, Léon. Wenn ich nicht mehr bin, darfst du nicht allein bleiben. Bestimmt findest du ein braves Mädchen, das du heiratest und das dir vielleicht Kinder schenkt. Du wirst ihr meinen Schmuck geben. Doch! Ich bestehe darauf.«
Acht Tage lang las sie von morgens bis abends, bevor sie in der Woche darauf ihre Zeit nur noch damit zubrachte, mit wildem Gesichtsausdruck die Vorhänge anzustarren.
Sie hatte den Geistheiler aus Charron rufen lassen, in den sie dann einen Monat lang ihren Glauben setzte. Sie war ihre fünf Krankenwärterinnen leid gewesen und hatte die letzte mit einem Schwall aus Beschimpfungen bedacht.
Eines Tages hatte sie beschlossen, keinen Arzt und keinen Priester mehr sehen zu wollen, und wenig später bedeutete sie Delphine, die seinerzeit ihre Haushälterin gewesen war, dass sie nicht mehr über die Schwelle ihres Zimmers zu treten brauche.
Chantreau, der keine Frau hatte, verbrachte seine Tage allein, mit Trinken. Julien Lambert hatte eine – eine große braune Stute – und Kinder, und er schlug die Zeit tot mit Kartenspielen.
Was Arnould betraf, der einmal geschieden war und sich neu verheiratet hatte mit einer Frau, die fünfzehn Jahre jünger war als er, so ging der Sardinen-Mann mindestens zweimal die Woche ins Bordell – es war sogar vorgekommen, dass er dort eingeschlafen war, nachdem er zu viel getrunken hatte.
Es war Caillé, der den Kommissar anhielt, als der an ihrem Tisch vorbeikam.
»Ihre Untersuchung, Pigeac?«
»Geht voran! Geht voran!«, erwiderte der andere mit undurchdringlicher Miene.
(Blödmann! Aufgeplusterter Blödmann!)
»Hat man Ihnen eine Kopie des Briefes übermittelt, den wir mit der Nachmittagspost erhalten haben?«
»Hab ihn gelesen.«
»Was halten Sie davon?«
»Dass er sich bald schnappen lassen wird.«
»Sie haben eine Spur?«
Monsieur Labbé sah Kachoudas an, dessen nervliche Anspannung mit anzusehen wehtat.
»Sollte er Montag etwas versuchen, wird das sein letzter Abgang gewesen sein. Doch er blufft, glauben Sie mir.«
»Jeantet meint, nein.«
»Na, dann nicht, wenn Monsieur Jeantet dieser Ansicht ist«, höhnte Kommissar Pigeac.
»Er behauptet, der Mann lügt nicht.«
»Ach wirklich?«
»Verwirrend ist doch die Notwendigkeit, von der er spricht. Verstehen Sie, was ich meine? Wie Jeantet es schon sehr richtig schrieb, hat man nicht den Eindruck, die Opfer wären einfach so ausgesucht worden.«
»Ich gratuliere Ihrem Reporter.«
Worauf der Kommissar das Ende einer Zigarre abbiss, indem er das Gesicht zu einem Lächeln verzog.
»Wieso sieben, und wieso Montag?«
»Ich empfehle mich, meine Herren. Entschuldigen Sie mich.«
Der