Die Phantome des Hutmachers. Georges Simenon

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Die Phantome des Hutmachers - Georges Simenon Georges Simenon

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sich ja zu keiner Zeit einer Waffe. Kachoudas kam sich nicht mehr so allein vor. Er konnte wieder Luft holen. Er hätte sich gerne umgedreht. Noch zwanzig Meter, zehn Meter, und schon würde er es sehen, das rote Licht der Polizeiwache.

      Er war durch die Pfützen gepatscht, weshalb seine Füße nass und seine Gesichtszüge verhärtet waren von der Kälte. Er ging wieder wie ein normaler Mensch, ging vorbei an der Rue du Minage, seiner Straße.

      Er war beinahe am Ziel. Er hörte kein Geräusch von Schritten, aber er wusste trotzdem, dass jemand hinter ihm ging, ihn einholte, immer noch traute er sich nicht, zu rennen, auch nicht, stehen zu bleiben, als eine größere und breitere Silhouette als die seine links von ihm Gestalt annahm, Schritte sich den seinen anpassten, eine Stimme seltsam ruhig sagte:

      »Sie würden einen Fehler begehen, Kachoudas.«

      Er blickte nicht auf zu seinem Nebenmann. Er erwiderte nichts. Er kehrte nicht sofort um.

      Er war allein. Er sah die rote Laterne, einen Polizisten, der aus der Wache kam und auf sein Fahrrad stieg.

      Er drehte sich um. Ohne sich weiter mit ihm abzugeben, hatte Monsieur Labbé kehrtgemacht und begab sich, Hände in den Taschen, Mantelkragen hochgeschlagen, zur Rue du Minage, zur Straße, in der sie beide wohnten.

      2

      Als er ankam vor seinen Fensterläden, die Valentin zugemacht hatte, blieb er stehen und knöpfte sich den Mantel auf, um den Schlüsselbund aus der Hosentasche zu holen. Er machte stets die gleichen Bewegungen, wenn er abends nach Haus kam. Jemand war an der Ecke zur Rue du Minage stehen geblieben. Es war Kachoudas, der darauf wartete, dass die Tür des Hutmachers sich wieder schloss, ehe er seinerseits nach Haus ging.

      Monsieur Labbé hob den Blick und bemerkte in der Werkstatt im ersten Stock die Frau des Schneiders. Ein wenig beunruhigt, hatte sie soeben einen Blick aus dem Fenster geworfen.

      Er drehte den Schlüssel im Schloss, trat in die warme Dunkelheit, schloss die Tür wieder, ehe er den Lichtschalter drehte und die Querstange vorlegte; dann blieb er stehen, das Gesicht gegen einen Spalt im Fensterladen gepresst.

      Endlich kam der kleine Schneider, vorsichtshalber immer noch in der Straßenmitte, auf Höhe seines Hauses an. Er ging komisch, irgendwie ruckartig … Zum ersten Mal fiel Monsieur Labbé auf, dass er ein Bein nach außen hin nachzog. Auch Kachoudas blickte nach oben, doch war seine Frau gerade zurück in die Küche gegangen. Er platzte in sein Geschäft, aus dem er aber noch mal zurück auf die Straße musste, um die Läden vorzulegen, denn er hatte keinen Gehilfen, der das an seiner Stelle machte. Alle seine Bewegungen waren nervös, abgehackt. Zur Treppe gewandt – der gleichen Wendeltreppe wie in der Hutmacherei –, hatte er wohl gerufen:

      »Ich bin’s!«

      Er beeilte sich, verriegelte die Tür. Das Licht im Erdgeschoss ging aus und kurz darauf in der Werkstatt an, wo der kleine Schneider gar nicht schnell genug aus dem Fenster sehen konnte.

      Monsieur Labbé zog sich zurück von seinem Beobachtungsposten, legte den Rest von dem Geld, das er mitgenommen hatte, zurück in die Kassenschublade, ging in das Hinterzimmer und fingerte dort einen Moment lang an einem Gegenstand herum, den er aus der Tasche gezogen hatte und der einem Spielzeug ähnelte, zusammengebastelt von irgendeinem Straßenjungen: zwei durch eine Art Schnur miteinander verbundene Holzstücke.

      Noch immer hatte er seinen durchnässten Mantel an, und als er sich vorbeugte, tropfte es von seinem Hut. Er nahm ihn erst ab am Fuß der Treppe, wo ein Kleiderständer war und wo er unter der Küchentür einen Lichtstreifen sah.

      Der Tisch war gedeckt, mit einem einzelnen Teller und Besteck, einer weißen Decke, einer Flasche Wein, in der ein Korken mit silberner Kappe steckte.

      »Guten Abend, Louise. Madame hat nicht gerufen?«

      »Nein, Monsieur.«

      Das Hausmädchen blickte auf seine Füße, während er sich vor den Ofen setzte, kam mit Pantoffeln in der Hand und kniete sich hin. Nie hatte er sie dazu aufgefordert. Bestimmt war sie auf dem Bauernhof dazu abgerichtet worden, den Männern die Schuhe auszuziehen, ihrem Vater und ihren Brüdern, sobald die vom Feld zurückkamen.

      Es war genauso warm wie im Laden, die Luft stand, war ebenso drückend, fasste die Gegenstände ein und verlieh ihnen ein starres, unabänderliches Aussehen.

      Hinter dem Fenster, das auf den Hof ging, war immer noch der Regen zu hören, und hier war es eine alte Uhr in ihrem Kasten aus Nussbaum, die eine kupferne Scheibe hin und zurück bewegte, langsamer, hätte man schwören können, als überall sonst. Die angezeigte Zeit war nicht dieselbe wie in der Hutmacherei, weder auf Monsieur Labbés Uhr noch auf dem Wecker im ersten Stock.

      »Ist niemand vorbeigekommen?«

      »Nein, Monsieur.«

      Sie zog ihm seine Pantoffeln aus feinem Ziegenlackleder an. Der Raum war eher ein Esszimmer als eine Küche, denn Herd und Spüle waren nebenan, in einer schmalen Abseite. Der Tisch war rund, die lederbezogenen Stühle mit Nägeln beschlagen. Es gab viel Kupfergeschirr und, auf einer Bauernanrichte, alte, in Auktionslokalen erstandene Fayencen.

      »Ich geh nach oben und sehe nach, ob Madame etwas braucht.«

      »Kann ich die Suppe servieren?«

      Er verschwand auf der Wendeltreppe, und sie hörte oben im Ersten die Tür aufgehen, Schritte, ein Murmeln, das Geräusch der Rollen des Sessels, der durchs Zimmer geschoben wurde, so wie jeden Abend. Als er wieder nach unten kam, sagte er, indem er sich an den Tisch setzte:

      »Sie möchte nur ein bisschen. Was gibt es zu essen?«

      Er hatte sein Buch vor sich hingelegt, seine Hornbrille aus ihrem Etui genommen. Der Ofen wärmte ihm den Rücken. Er ließ sich Zeit beim Essen. Louise trug ihm auf, und zwischen den Gängen wartete sie, den Blick leer, reglos in ihrer schmalen Abseite.

      Sie war noch keine zwanzig. Ziemlich dick und sehr dumm war sie, ausdruckslos glotzten ihre Froschaugen vor sich hin.

      Das Kabuff, das als Küche diente, war nicht breit genug, um einen Tisch hineinzustellen. Manchmal aß sie dort im Stehen, manchmal wartete sie, bis der Hutmacher fertig und gegangen war, und setzte sich auf seinen Platz.

      Er konnte sie nicht ausstehen. Sie einzustellen war ein schlechtes Geschäft für ihn gewesen, aber es war noch genug Zeit, später darüber nachzudenken.

      Um Viertel vor acht wischte er sich den Mund ab, schob seine zusammengerollte Serviette in den Silberring, steckte den Korken zurück in seine Flasche, von der er bloß ein Glas getrunken hatte, und stand seufzend auf.

      »Ist fertig«, sagte sie.

      Daraufhin nahm er das Tablett, auf dem ein weiteres Abendessen angerichtet war, und ging erneut zur Treppe. Wie oft am Tag ging er sie hinauf, diese Treppe?

      Das Schwierige war, mit der einen Hand das Tablett zu halten, ohne etwas zu verschütten, während die andere den Schlüssel aus der Tasche holte und im Schloss drehte, denn diese Tür war immer verschlossen, selbst wenn er im Haus war. Er drehte den Lichtschalter, sodass von gegenüber Kachoudas das Rollo hell werden sah. Er stellte das Tablett ab, immer an denselben Platz, und schloss hinter sich die Tür wieder ab.

      Alles das war sehr kompliziert. Es sich einspielen zu lassen hatte Zeit gekostet. Das Kommen und Gehen

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