Die Slowakei und NS-Deutschland. Ludovit Hallon
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Von etwa Mai bis Oktober 1939 arbeitete das Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan und weitere deutsche Wirtschaftsinstitutionen an einer Konzeption zur Rohstoffnutzung und zur wirtschaftlichen Nutzung einzelner europäischer Regionen. Mit südeuropäischen Satellitenstaaten, einschließlich der Slowakei, wurden zugleich einige neue Vereinbarungen zu den Wirtschaftsbeziehungen verabschiedet. Deutschland verlangte von diesen Staaten die Einschränkung des Handels mit westlichen Weltmächten wie auch mit neutralen Staaten, eine sukzessive Einschränkung des Eigenverbrauchs, die Anpassung der Wirtschaftsstruktur an deutsche Bedürfnisse und eine größere Beteiligung Deutschlands am Außenhandel. Zur Umsetzung dieser Forderungen musste der wirtschaftspolitische Einfluss Deutschlands mittels eines Systems vertraglicher Beziehungen vertieft werden. Muster für den Systemaufbau in Gesamtsüdosteuropa waren zwei Verträge: das Vertrauliche Protokoll über die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit zum slowakisch-deutschen Schutzvertrag und der Vertrag über die Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Rumänischen Königreich, die zur gleichen Zeit, Mitte März 1939, unterzeichnet wurden.30 1939/1940, noch vor dem Kriegszug nach Westeuropa, verfügte das Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan über ein fertiges Konzept für einen autarken Wirtschaftsraum Mittel- und Südosteuropas. Bestehen sollte er aus der Slowakei, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien, Albanien, Griechenland und der Türkei, zusammen mit dem Deutschen Reich und dem Protektorat Böhmen und Mähren. Auf einer Gesamtfläche von 2,4 Mio. km2 würde er 163 Mio. Einwohner zählen, was der Einwohnerzahl der USA und der UdSSR entsprochen hätte. Nach dem Infrastrukturaufbau sollten die südöstlichen Länder den gemeinsamen Raum mit Lebensmitteln und Rohstoffen, namentlich mit Erdöl, beliefern, sodass der Großraum einer durch westliche Weltmächte verhängten Blockade Widerstand leisten könnte. Zu diesem Konzept gehörte der Aufbau einer Erdölleitung mit einer Gesamtlänge von 2.000 km, die von Ploiești über Ungarn und Österreich, an Wien vorbei bis nach Regensburg geführt werden sollte. In die Erdölwirtschaft Deutschlands sollten jedoch der gesamte Donauraum mit seinen Erdöllagerstätten in weiteren Ländern und auch die dazu gehörenden Raffinerien und Infrastrukturen des Eisenbahn-, Straßen- und Donauer Schiffverkehrs eingegliedert werden. Des Weiteren enthielten die Pläne des Infrastrukturaufbaus für den künftigen Großwirtschaftsraum den Ausbau eines internationalen Autobahn-Systems nach deutschem Vorbild, die Elektrifizierung von Eisenbahnnetzwerken und die Vereinheitlichung technischer Normen für die Bahn in den jeweiligen Ländern wie auch die Entwicklung eines Telekommunikationsnetzwerks mit modernen Kabelverbindungen, die Fertigstellung des Aufbaus von Wasserstraßen und die Verknüpfung sowie der Aufbau der ersten internationalen Gasleitungen.31
An der wirtschaftlichen Expansion Deutschlands nach Südosteuropas beteiligten sich Vertreter des MWT auch nach 1938 wesentlich. Anfang 1940 erweiterte die ideologisch aggressivere Südosteuropa-Gesellschaft (nachfolgend "SOEG" genannt) die Tätigkeiten des MWT. Neben wirtschaftlichen Beziehungen war die SOEG auch für die kulturelle Zusammenarbeit und den ideologischen Einfluss Deutschlands in den Satellitenstaaten der Region zuständig. Zur Erweiterung des Einflusses nach Südosteuropa wurden eigenständige Körperschaften deutscher Konzerne gegründet, wie z.B. der Südosteuropa-Ausschuss, dessen Gründer der Chemiekonzern I.G. Farben war.32 Die nächste Phase der Stärkung der wirtschaftspolitischen Machtposition Deutschlands in Südosteuropa erfolgte nach der militärischen Niederlage der westlichen Weltmächte im Frühling 1940. Der Sieg im Westen stärkte die internationale Position Deutschlands, sodass es folglich seine wirtschaftliche Hegemonie in den Ländern Südosteuropas direkter einfordern konnte. Zugleich erweiterte Deutschland das Konzept zum Aufbau eines Großwirtschaftsraums auf Westeuropa und begann mit der Durchführung der Pläne einer einheitlichen Kontinentalwirtschaft. 1940 erarbeitete das Ministerium für Wirtschaft auf Anweisung von Göring einen Plan zum Umbau der Kontinentalwirtschaft nach Deutschlands Interessen.33 Dieser Plan enthielt folgende Punkte:
1 Sicherstellung des größten Anteils der Produktion europäischer Länder für Deutschland;
2 Erweiterung der Produktion europäischer Länder mit dem Ziel, den Großteil der Lieferungen im Europaraum für Deutschland sicherzustellen und den gesamten Kontinent in den Vierjahresplan einzugliedern;
3 Einrichtung eines neuen gesamteuropäischen Zahlungsverkehrssystems mit zentralem Clearing auf der Basis der RM, das einen Zuwachs an Lieferungen für Deutschland und einen inländischen europäischen Warenwechsel mittels Devisen und Gold sicherstellt;
4 Kontrolle des europäischen zwischenstaatlichen Warenwechsels wie auch des Wechsels von Deutschland mit der Außenwelt auf der Grundlage neuer Machtmittel, Methoden, Vertretungsorganisationen, Körperschaften, Beauftragter und Berater;
5 Verbindung der nationalen Wirtschaft europäischer Staaten mit der deutschen Großwirtschaft unter deutscher Leitung.34
Im Sinne des Kontinentalplans bildete sich in der darauffolgenden Zeit die institutionelle Basis für die wirtschaftliche Kontrolle und Ausbeutung der südosteuropäischen Staaten sowie anderer durch Deutschland militärisch angeschlossene oder wirtschaftspolitisch kontrollierte Regionen des europäischen Kontinents. Als Mittel für die wirtschaftliche Expansion dienten dabei bereits seit Ende der 1930er Jahre Regierungsämter und zentrale Institutionen Deutschlands. Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Kontrolle waren deutsche Vertretungen und Körperschaften, die in den jeweiligen Ländern eingerichtet wurden, und die in die jeweiligen Länder entsandten Kommissionen, Missionen, Regierungsausschüsse, Beauftragten und Berater. Es ist dabei hervorzuheben, dass in diesem Bereich, wie auch in den meisten anderen Punkten, die Ausführung des Kontinentalplans in der Slowakei schneller verlief als in den anderen südeuropäischen Ländern. In Bezug darauf verdient die Einführung des zentralen gesamteuropäischen Clearings besondere Aufmerksamkeit. Ähnlich wie mit der Slowakei pflegte Deutschland seine Handelsbeziehungen und betrieb den Zahlungsverkehr auch mit anderen europäischen Ländern, einschließlich der neutralen Länder, während sich auf der deutschen Seite eine unbezahlte Clearingspitze bildete. Diese musste durch den Wirtschaftspartner finanziert werden. Es handelte sich um eine flächendeckende Ausbeutung der europäischen Wirtschaft. Laut mehrerer Historiker legte Deutschland eine Art gesamteuropäische Kriegsanleihe auf, die es erst nach Kriegsende zu begleichen beabsichtigte. In Bezug auf die Slowakei muss auch auf die Verknüpfung der Wirtschaftsräume anderer Staaten mit Deutschland aufmerksam gemacht werden. Deutschland forderte eine Beschleunigung der Expansion der deutschen Wirtschaft, insbesondere in diejenigen südeuropäischen Staaten, in denen dieser Prozess hinterher hinkte. Die Ausnahme bildete dabei die Slowakische Republik. Nach dem Vorbild der Slowakei sollte die Expansion nach Südosteuropa mithilfe der Kapitalzentralen der tschechischen Länder und Österreichs, die von deutschen Vertretern kontrolliert waren, vorgenommen werden. Nach dem deutschen Sieg im Westen 1940 erfolgte die Expansion auch durch die Kapitalzentralen der westeuropäischen Staaten.35
Der Prozess der Eingliederung Südosteuropas in die deutsche Großraumwirtschaft erreichte ihren Höhepunkt