Die Slowakei und NS-Deutschland. Ludovit Hallon
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Zudem setzte der Staat eine neue Phase der Bodenreform durch, die die Bodenreform aus der Zwischenkriegszeit abschließen sollte. Sie schlug jedoch in eine sogenannte „Arisierung“ des Grundeigentums slowakischer Juden um. Die dunkle Seite der slowakischen Wirtschaftspolitik war die Enteignung jüdischen Eigentums im Wert von ca. 4 Mrd. Ks, die auf Grundlage einer Gesetzgebung zur „Arisierung“ nach deutschem Vorbild erfolgte. Der Staat verkaufte das enteignete Eigentum an sogenannte Arisatoren.9 Die jüdische Bevölkerung wurde in Vernichtungslager transportiert. In 1942 waren ca. 60 Tsd. Juden deportiert worden. Im Herbst 1942 wurden weitere Transporte gestoppt und ca. 11 Tsd. Juden in Arbeitslager in der Slowakei verbracht oder im Wirtschaftsbereich als unentbehrliche Experten eingesetzt. Ca. 20 Tsd. Mitglieder der tschechischen Intelligenz sowie tschechische Staatsbeamte wurden gezwungen, die Slowakei zu verlassen und zusammen mit ihren Familien in das Protektorat Böhmen und Mähren zurückzukehren.
Bestandteil der Wirtschaftspolitik des Regimes war die Bankenkonzentration und Pläne zur Expansion von slowakischem Kapitals in Wirtschaftsbereiche, die bislang von tschechischen und jüdischen Unternehmern dominiert wurden. Die Schlüsselpositionen in diesen Wirtschaftsbereichen besetzten jedoch fortan deutsche Banken und Konzerne. Der Anteil deutscher Investoren an Unternehmen der Slowakei stieg von 1938–1942 von ca. 4% auf 51,6% an.
Die günstige sozialökonomische Entwicklung zeigte sich insbesondere 1939–1943 durch Fortschritte in den Bereichen Kultur und Schulwesen, auch wenn diese unter der Kontrolle der allgegenwärtigen ideologischen Propaganda des Regimes, die durch das Amt für Propaganda nach deutschem Vorbild geführt wurde, waren. Der größte Fortschritt im Schulwesen und Bildungsbereich war der Aufbau einer Technischen Hochschule, die Einrichtung der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava, die in „Slowakische Universität“ umbenannt wurde, und die Einrichtung der Hochschule für Handel und der Militärischen Hochschule. Die Primärbildung und Sekundärfachbildung schritten ebenso voran. Im Kulturbereich entfalteten sich trotz des Propagandadrucks Literatur, Bildende Künste sowie Theaterkunst, die ein neues professionelles Theatergebäude in Prešov in der Ostslowakei erhielt. Desgleichen begann der Aufbau eines selbstständigen slowakischen Rundfunks und des slowakischen Films.
In den Anfängen des neuen Staates planten Regierungskreise, die mit der Staatspartei HSĽS, die unter Leitung des Ministerpräsidenten und ab Oktober 1939 des Präsidenten der Slowakischen Republik Jozef Tiso10 war, verbündet waren, einen Ständestaat nach dem Vorbild der Ständestaaten in Portugal, Italien oder des österreichischen Ständestaats unter Dollfuß aufzubauen. NS-Deutschland sprach sich jedoch grundsätzlich dagegen aus, weil der Austrofaschist Dollfuß den Nationalsozialismus deutscher Prägung abgelehnt hatte und das ständische System die Stellung der deutschen Minderheit in der Slowakei geschwächt hätte. Im Sommer 1940 lud Hitler den slowakischen Präsidenten sowie weitere Vertreter der Slowakei zu Verhandlungen nach Salzburg ein. Dort setzte er die Radikalisierung des Regimes, die Annahme der nationalsozialistischen Ideologie, die Verschärfung antijüdischer Maßnahmen und die Einführung eines auf dem Führerprinzip aufgebauten Systems durch. Dadurch stärkte sich in der Slowakei die Stellung des radikalen Flügels des regierenden Regimes um Ministerpräsident Vojtech Tuka11 und Innenminister Alexander Mach.12 Zugleich verstärkte sich der Einfluss der halbmilitärischen Einheiten der Hlinka-Garde und der paramilitärischen Freiwilligen Schutzstaffel, die durch die deutsche Minderheit und die nationalsozialistische Deutsche Partei unter Franz Karmasin13 organisiert wurden. Präsident Tiso nahm die Rolle des Führers eines nationalsozialistischen Regimes an, obwohl dieser konservative Politiker jegliche Form des Sozialismus ablehnte. Die slowakische Jugend wurde zur Hlinka-Jugend und die Jugend der deutschen Minderheit zur Hitlerjugend. Nach dem Vorbild der Deutschen Arbeitsfront entstand in der Slowakei eine einheitliche Organisation für Beschäftigte, die slowakische arbeitende Gemeinschaft.
Die Verschärfung des Kriegskonfliktes hatte negative Folgen auf die slowakische Wirtschaft. Der Staat konnte zwar das unpopuläre System der Versorgung mit Lebensmittelkarten vermeiden, doch übernahm er das System einer Versorgung nach Zuteilung, die auf der Führung von Abnahmebüchern baute. Bis Mitte 1942 wurde schrittweise ein gesamtstaatliches System der Kriegswirtschaft eingeführt. Seine Leitung übernahm das Oberste Versorgungsamt unter der Leitung des Gouverneurs der Nationalbank, Imrich Karvaš. In der Beziehung mit Deutschland dominierte wirtschaftliche Ausbeutung über technologische Hilfe. Das komplizierte System der Clearingverrechnung des Zahlungsverkehrs generierte eine nicht beglichene Clearingspitze des Deutschen Reichs gegenüber die Slowakei, die auf 7 Mrd. Ks (ca. 555 Mio. RM) stieg. Allmählich stieg auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung und der einheimische wie ausländische Widerstand. Neben den Problemen mit der Versorgung und Preiserhöhungen riefen die antijüdischen Repressionen und der Kriegsbeitritt der Slowakei gegen die Sowjetunion im Juni 1941, in dem zwei slowakische Divisionen an der Seite des deutschen Heeres operierten, Unzufriedenheit hervor.
Die Unzufriedenheit mit dem Regime der selbstständigen Slowakei, das mit NS-Deutschland kollaborierte, erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 1944 mit Vorbereitung und Ausbruch des antifaschistischen Slowakischen Nationalaufstands. Gruppen des demokratischen sowie des kommunistischen Widerstands, die mit Zentren des tschechoslowakischen demokratischen Widerstands in London und des kommunistischen Widerstands in Moskau in Verbindung standen, taten sich zusammen. Zum Widerstand gehörte auch die staatsfeindliche Partisanenbewegung in den slowakischen Bergen. Der wirtschaftliche Teil der Aufstandsvorbereitung erfolgte unter der Leitung der Volkswirte Karvaš und Zaťko. Obschon diese beiden Politiker die höchsten Posten in der Wirtschaftspolitik der Slowakischen Republik ausübten, konnten sie sich nie mit ihrem antidemokratischen Regime identifizieren. Dem Aufstand hätte sich auch ein großer Teil der slowakischen Armee anschließen sollen, doch die mit dem Widerstand kooperierenden Offiziere versagten im letzten Moment der Vorbereitung des bewaffneten Angriffs ihre Unterstützung. Nach der Erklärung des Nationalaufstands am 29. August 1944 setzten sich die bewaffneten Kräfte des Aufstandes daher insbesondere aus Einheiten der mobilisierten und mangelhaft ausgerüsteten Zivilbevölkerung zusammen.
Die Erklärung des Nationalaufstands wurde zum unmittelbaren Anlass für den Aufmarsch deutscher Truppen in die Slowakei. Sie sollten dem Regime zur Wiederherstellung der Macht im Lande verhelfen, doch vertraten sie tatsächlich militärisch-strategische und wirtschaftliche Interessen Deutschlands. Im aufständischen Gebiet, das ungefähr zwei Drittel der Fläche des zentralen Teils der Slowakischen Republik umfasste, entstand eine aufständische Republik mit eigenen Staats- und Wirtschaftsorganen. Ihr Zentrum war die mittelslowakische Stadt Banská Bystrica. Obwohl die deutschen Truppen das aufständische Gebiet besetzten, vermochte die schwach ausgerüstete aufständische Armee dem deutschen Druck in den Bergpässen der Mittelslowakei ganze zwei Monate lang Widerstand zu leisten. Der Aufstand wurde Ende Oktober 1944 durch die Besetzung von Banská Bystrica beendet. Die